von Ulrich Schödlbauer
Der Erste Weltkrieg wurde in der Ersten, der Zweite in der Zweiten Welt ausgefochten. Zur Zeit des Ersten gab es keine Zweite und Dritte Welt, zur Zeit des Zweiten hingegen zwar eine Zweite, nicht jedoch die sogenannte Dritte. Man muss solche Feinheiten im Kopf haben, um mitreden zu können. Zur Zeit des Ersten jedenfalls, der bloß zwanzig Millionen Menschen das Leben kostete, hieß die Erste Welt unstreitig Europa – die mit dem Stier, Sie wissen schon. Über die Neue Welt Amerika konnte man unterschiedlicher Ansicht sein.
von Michael Klein
Unsere kulturelle und soziale Gegenwart wird von Begriffen wie woke*, trans*, gender*, divers* usw. beherrscht. Sie stammen aus radikalen sozialen Bewegungen, haben ihren Weg in soziologische Seminare von US-Universitäten geschafft und werden inzwischen in der ganzen westlichen Welt als quasireligiöse Heilslehren verbreitet. Dass diese Lehren die Menschheit tatsächlich in bessere Zeiten führen, darf nachhaltig bezweifelt werden. Wie die Gegenwart, in der wir leben, zu bewerten ist, zeigt sich erst mit größerem Zeitabstand. Dann erst liegt Geschichte vor. Es ist deshalb besonders wichtig, gegenwärtige Entwicklungen in Gesellschaften nach definierbaren Maßstäben zu beurteilen. Im Folgen geschieht dies vor dem Hintergrund der Aufklärung und des Kritischen Rationalismus, das zu dem Besten gehört, was das Abendland je hervorgebracht hat.
von Lutz Götze
Vom ›Jargon der Eigentlichkeit‹ zur Phrasendrescherei der ›Gendersensibilität‹
Dagmar Lorenz hat, vollkommen zurecht, auf die enge Verbindung des Jargon der Eigentlichkeit, verfasst von Theodor W. Adorno in den Jahren 1962-64, mit der gegenwärtigen Debatte um »geschlechterneutralen« oder »gendersensiblen« Sprachgebrauch hingewiesen (FAZ 13.10.22). Zentrale Passagen der Argumentation Adornos – gerichtet gegen Martin Heideggers und seiner Schüler Jargon – sind:
»In Deutschland wird ein Jargon der Eigentlichkeit gesprochen, mehr noch geschrieben, Kennmarke vergesellschafteten Erwähltseins, edel und anheimelnd in eins; Untersprache als Obersprache. Er erstreckt sich von der Philosophie und Theologie nicht bloß Evangelischer Akademien über die Pädagogik, über Volkshochschulen und Jugendbünde bis zur gehobenen Redeweise von Deputierten aus Wirtschaft und Verwaltung… Er verfügt über eine bescheidene Anzahl signalhaft einschnappender Wörter. Eigentlichkeit ist dabei nicht das vordringlichste; eher beleuchtet es den Äther, in dem der Jargon gedeiht, und die Gesinnung, die latent ihn speist… Der des Jargons Kundige braucht nicht zu sagen, was er denkt, nicht einmal recht es zu denken: das nimmt der Jargon ihm ab und entwertet den Gedanken. Eigentlich: kernig sei, daß der ganze Mensch rede… Diese (die Aura) paart sich mit einer Unverbindlichkeit, die sie inmitten der entzauberten Welt disponibel oder, wie es wohl in paramilitärischem Neudeutsch hieße, einsatzbereit macht… Die Stereotypen des Jargons versichern subjektive Bewegtheit. Sie scheinen zu garantieren, daß man nicht tue, was man doch tut, indem man sie in den Mund nimmt: mitblökt; man habe es sich selber, als unverwechselbar Freier, errungen. Das formale Gehabe von Autonomie ersetzt deren Inhalt.«
Sämtliche Abbildungen mit freundlicher Genehmigung der Urheber. Front: ©2024 Lucius Garganelli, Serie G