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von Lutz Götze
Künstliche Intelligenz
Visionen – Illusionen – Profite – Gefahren
Die Nachrichten überschlagen sich: Tag für Tag, gelegentlich stündlich, hören und lesen wir von immer neuen Entdeckungen und Anwendungsmöglichkeiten der ›Künstlichen Intelligenz‹. Der Chatbot GPT4 (Generative Pretrained Transformator 4) der US-Firma Open AI, könne Tätigkeiten übernehmen, für die es keine Arbeitskräfte mehr gibt oder die den Menschen entlasten: etwa bei der Krebsdiagnose, bei einer billigeren und nachhaltigen Energieversorgung, beim Navigieren zu Wasser, zu Lande und in der Luft, beim Entziffern von Papyrus Rollen aus dem zerstörten Pompeji, aber auch beim Formulieren individueller Bewerbungsschreiben, beim Verfertigen von Texten jedweder Art – darunter auch Abituraufsätze und Doktorarbeiten, obendrein literarische Texten. Auf der Tagung der Alpha-Fold-3-Präsentation Anfang Mai 2024 in London verkündeten die Protagonisten vollmundig, die gesamte leidige Debatte um bevorstehende Massenentlassungen von Arbeitnehmern aufgrund von ›KI‹ in Verlagshäusern, Rundfunk-und Medienanstalten, im Öffentlichen Dienst, in Wissenschaft und Forschung, zumal der Biologie und Medizin, gehöre längst der Vergangenheit an; der neue Algorithmus bekämpfe erfolgreich Krebs und Hunger, entwickle Impfstoffe von nie dagewesener Qualität, erledige das Falten von Proteinen und erkläre damit das Alphabet des Lebens, die DNA mit ihren vier Basen A,C,G, T und vieles mehr. Der neue Algorithmus leiste in einem Jahre so viel wie Wissenschaftler in einer Milliarde von Jahren geleistet hätten. Glaubwürdig oder pure Sensationshascherei?
von Heinz Theisen
Klaus-Rüdiger Mai analysiert jene Frau, die einer Partei ihren Namen gab.
Wenn eine Partei erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik nach dem Namen ihrer Gründerin benannt wird und diese Partei auch noch zu reüssieren scheint, ist die Zeit für eine Biografie über Sahra Wagenknecht gekommen. Klaus-Rüdiger Mai deutet das Phänomen Wagenknecht als linke Antwort auf einen postmodernen Zeitgeist, dem jede Realitätstüchtigkeit verloren gegangen ist. Der Autor bezweifelt allerdings, dass Wagenknechts Rekonstruktion einer klassischen sozialistischen Politik als Antwort auf die geistige Selbstauflösung der Linken erfolgreich sein wird.
von Herbert Ammon
Vom blutig gescheiterten Attentat auf Donald Trump erfuhr ich per Internet nach dem Besuch der Shakespeare-Komödie Viel Lärm um nichts. Das unerhörte – vor dem Hintergrund einer langen Geschichte ähnlicher Gewalttaten nicht völlig undenkbare – Ereignis zieht eine Kette von Fragen nach sich, die alle anderen bedrängenden Fragen zum Weltgeschehen vorerst überlagern.
von Jobst Landgrebe
Enlightenment (Lichtwerdung) und Siècle des Lumières (Jahrhundert der Lichter) nennen die Engländer und Franzosen das, was wir Deutschen scheinbar nüchterner als Aufklärung bezeichnen. Über diese Phase der Neuzeit ist viel Tinte vergossen und neuerdings Festplattenspeicher gefüllt worden. Was kann man nach Herder, Claudius, Hamann, Kant, Schiller, Hegel, Nietzsche oder Adorno/Horkheimer, Rawls, Habermas oder Koselleck noch dazu sagen, ohne zu langweilen? Angesicht der jüngsten Entwicklung zu einer neuen Phase des Totalitarismus im Abendland, in dem sich die Aufklärung ereignete, einiges.
von Uwe C. Steiner
Sofort nach ihrem Tod wird Sara Sampson eine »Heilige« genannt. Und zwar von ihrem Liebhaber. Hören wir die Worte Mellefonts, zu denen er sich ersticht:
»Diese Heilige befahl mehr, als die menschliche Natur vermag! […] Wenn ich als das schuldige Opfer ihrer [d.i. Marwoods; U. St.] Eifersucht gefallen wäre, so lebte Sara noch. […] Es stehet bei mir nicht, das Geschehene ungeschehen zu machen; aber mich wegen des Geschehenen zu strafen – das steht bei mir!« Er ersticht sich, und fällt an dem Stuhle der Sara nieder.
Weil er, Mellefont, sich dem Dolchstoß der Marwood entzogen hatte, war Miss Sara zur Victima geworden. Sie stirbt anstelle seiner, sie stirbt demnach auch für seine Sünden, ihre Opferschaft bezeichnet ein Stellvertretungsverhältnis, Sara stirbt als ein sacrificium. So bezeugt es Mellefont quasi in seinen Einsetzungsworten, in denen er sie eine »Heilige« nennt. Und, vor allem, bezeugt er es, indem er seine Schuld einräumt und darin seinen Verzicht auf das tragische Privileg erklärt. Sein Selbstmord mit dem Dolch dient der Läuterung und ist ausgewiesen kein tragischer Tod. Er sinkt vielmehr »an dem Stuhle der Sara nieder«, in einer Demuts- und Verehrungsgeste.
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