von Johannes Eisleben
Wir beobachten derzeit eine fundamentale Neuausrichtung der politischen Ideensysteme im westlichen Kulturraum. Ihr Treiber ist die Globalisierung. Die großen politischen Ideensysteme der Aufklärung: Liberalismus, Konservatismus und Sozialismus lösen sich in dieser Entwicklung auf, sie verlieren ihren Sinn, eine neue Konstellation entsteht.
Was gibt es zu sehen? Schauen wir zunächst kurz auf die Geschichte der drei traditionellen politischen Ideengruppen zurück, um deren Auflösung zu verstehen.
Der politische Liberalismus entstand als Bewegung des englischen Bürgertums zuerst im 17. Jahrhundert – im Parlament bildete sich eine Gruppierung, die man Whigs (von whiggamor – Viehtreiber, im Gegensatz zu den urbanen Tories) nannte, sie war die politische Kraft, die eine katholische Thronfolge fürchtete und bei der Glorius Revolution 1688 die Protestanten William III und Mary II unterstützten und damit England in eine konstitutionelle Monarchie verwandelten. Die Whigs des 17. und 18. Jahrhunderts, die ab dem Beginn des 18. Jahrhunderts die englische Politik für gut fünfzig Jahre dominierten, waren Bürgerliche und Angehörige des niederen Adels, die politisch einen klassischen Liberalismus vertraten: Antikatholizismus, Parlamentarismus, Rechtsstaatlichkeit mit dem Eigentumsrecht und Freiheitsrechten als zentralen Werten, sowie Eigenverantwortlichkeit, Freihandel und Abolitionismus (Abschaffung der Sklaverei). Ihr wichtigster Ideengeber war John Locke. In seiner im 17. Jahrhundert ausformulierten Philosophie waren bereits die wichtigsten politischen Grundsätze vorhanden, die für den politischen Liberalismus bis heute wesentlich sind. Im 18. und 19. Jahrhundert wurde der Liberalismus vor allem um die Theorie der Gewaltenteilung, den liberalen Universalismus, den Wirtschaftsliberalismus, eine Neuformulierung und Vertiefung des Naturrechts als Menschenrechte, den Begriff der Würde des Menschen und den Individualismus erweitert.
von Herbert Ammon
Alle sind erleichtert über den Abgang Donald Trumps, alle sind bewegt und beglückt von der Inauguration Joe Bidens am sonnigen Wintertag des 20. Januar 2021. In seiner Rede, akzentuiert mit den in den USA üblichen religiösen/zivilreligiösen Formeln sowie mit einem stillen Gebet, hat Präsident Biden die Überwindung aller Zwietracht, die Einheit der Nation, ihre stolze Geschichte, und eine glückliche Zukunft beschworen. Alles werde wieder gut: Die Corona-Pandemie werde man überwinden, allen Bevölkerungsgruppen gerecht werden – das Stichwort lautete equity, nicht mehr equality –, dem historischen Auftrag Amerikas gemäß für Frieden und Gerechtigkeit in aller Welt wirken.
von Heinz Theisen
Orient und Okzident sind, wie Goethe einst verkündete, in der Tat nicht mehr zu trennen. Sie haben sich sogar ineinander verstrickt, worüber oft ihre jeweils schlechtesten Seiten zum Durchbruch kommen. Die militärischen Interventionen des Westens zu Beginn des 21. Jahrhunderts haben die Instabilität des Orients in offene Gewalt und Chaos getrieben. Sie waren Ausdruck einer völligen Überschätzung der Universalisierbarkeit von Demokratie und anderer westlicher Werte. Wie wenig beide Kulturen miteinander kompatibel sind, zeigte sich schlaglichtartig als das – nach der Befreiung von den Taliban – frei gewählte Parlament Afghanistans umgehend die Scharia zur Grundlage jeder weiteren Gesetzgebung erhob.
Sämtliche Abbildungen mit freundlicher Genehmigung der Urheber. Front: ©2024 Lucius Garganelli, Serie G