von Ulrich Schödlbauer

Was die Eiferer übersehen: ein Wahlverlierer Trump kann sich zurücklehnen und erklären: »Mission accomplished«. Obamacare korrigiert, der illegale Zustrom aus dem Süden gedrosselt, der Syrienkrieg auf seinen regionalen Interessenkern zurückgestutzt, der Dauerkonflikt mit Russland entschärft, die ›unvorteilhaften‹ Handelsabkommen nachgebessert oder gekippt, die aufgeschobene Auseinandersetzung mit einem expansiven China eröffnet, die erste erfolgreiche Friedensinitiative im Nahen Osten lanciert – wer da noch eigenhändig die geistig-moralische Wende durchsetzen wollte, überzöge leicht sein persönliches Konto. Die Summe des Erreichten, die Summe des eigenen Lebens, alles spräche dafür, sich in den goldenen Palast zurückzubegeben und seine restlichen Jahre standesgemäß zu genießen.

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Das Schlüsselwort zu Trumps Regierungszeit heißt ›decency‹. Hört und liest man, wie respektlos deutsche Politiker, von gewissen Medien nicht zu reden, sich über ihn hergemacht haben, dann versteht man, warum das Wort den Deutschen nicht mehr geläufig ist. Andererseits haben sie nur publizistische Fertigware aus den USA importiert. Der Präsident war nicht ›decent‹, wenn er der Wahrnehmung der Vielen eine Stimme gab. Aber Anstand besteht nicht darin, die Sprache der Heuchelei fortzuschreiben, sondern sie, wenn es not tut, zu benennen, auch wenn das in den Ohren der Eingelullten gelegentlich rüde klingen mag. Immerhin hat dieser Präsident seine Gegner genötigt, zu verbalen und sonstigen Mitteln zu greifen, die weit unterhalb bloßer Rüpelhaftigkeit angesiedelt sind – bloß um ihn, um welchen Preis auch immer, fertigzumachen. Die Frage ist also: Tat Trump den USA not? Solange sie nur von seinen Anhängern gestellt wird, wird man zu Recht vom Verrat der Intellektuellen sprechen dürfen.

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Trump, vom Standpunkt des Heute aus betrachtet, ist Amerikas Sündenbock. Sollte er diese Wahl verlieren, dann wird er für politische Kurskorrekturen in die Wüste gejagt, die sein Vorgänger hätte vornehmen müssen, weil sie nicht mehr und nicht weniger bedeuten als Anpassungen an das wirkliche Leistungsvermögen der USA nach den Bush-Kriegen und der daraus hervorgegangenen Weltunordnung. Die Leistung eines funktionierenden Staatswesens besteht nun einmal nicht einfach darin, immer neue Milliarden für die Konten und Weltordnungsträume der Superreichen herbeizuschaffen. Die Strippenzieher im Hintergrund wissen das wohl. Trump durfte, mit und ohne Unterstützung der Legislative, das tun, wozu sein Vorgänger zu fein oder zu feige oder zu bequem oder zu machtlos oder zu machtversessen war, obwohl es doch sein Job gewesen wäre. Trump wollte und musste für die USA das erledigen, was nach Maßgabe der politischen Rhetorik ihrer Elite unter der Würde der Nation ist: die realpolitische Nachjustierung der ›exceptional nation‹, über deren welthistorische Aufgabe Obama so beredt zu plaudern wusste.

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Alle Tendenzen der Trump-Politik sind in den letzten Obama-Jahren angelegt. Wo dieser schwächelte, hat Trump Stärke gezeigt – die ihm seine politischen Gegner nicht als Schwäche auslegen durften, ohne sich selbst dabei vorzuführen. Also haben sie seine Ansätze vernebelt und die Fortschritte seiner Politik ins Lächerliche gezogen. Sie haben den Popanz eines beratungsresistenten, disruptiven, chaotisch regierenden Präsidenten in die Welt gesetzt: nichts leuchtet den misstrauischen, dabei gutgläubigen Durchschnitts-Medienkonsumenten mehr ein als dieser Mix aus Außenseiter- und Reichen-Bashing auf der Folie ohnehin vorhandener Politikverdrossenheit. Und Trump selbst, angewiesen auf sein Leib- und Magenmedium Twitter, hat der Vertwitterung des politischen Diskurses kräftig Vorschub geleistet – teils aus Kalkül, teils aus Freude an der verbalen Zuspitzung. Wenn er ein Opfer war, dann ein selbstherrliches: Er hatte sich die Rolle auf den Leib geschneidert und siehe da, sie passte ausgezeichnet. Heute ist er kein Opfer mehr, sondern einer der ungewöhnlichsten Präsidenten, die sein Land je hatte.

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