von André Soudah
Die Flüchtlings- und Migrationsbewegungen von 2015 wirken bis heute auf die Menschen in Europa. Vor allem die Angst eines Kontrollverlustes des Staates sitzt tief; insbesondere in Deutschland.
Weiterhin hat keine Regierung – insbesondere in Mittel- und Nordeuropa – ein Mandat von ihren Wählern bekommen, Menschen, die ein besseres Leben führen wollen, aufzunehmen. Das wissen auch die Länder in Südosteuropa. Dass das Migrations- und Flüchtlingsthema aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwand, ist auch dem Umstand zu verdanken, dass Deutschland und Europa zweifelhafte Vereinbarungen mit teils zweifelhaften Regierungen im Nebel des Syrienkonfliktes eingegangen sind. Dafür wurde im wahrsten Sinne des Wortes ein hoher Preis gezahlt. In Form von Geld, Menschenleben und, dass wird oft vergessen, um den Preis der Erpressbarkeit. Der Syrienkonflikt ist weitestgehend befriedet, der Preis wird weiterhin bezahlt.
von Boris Blaha
Der Versuch, die Herrschaft des Einen dauerhaft zu etablieren, durchzieht die europäischen Geschichten seit dem Zerfall der römischen Republik wie ein scheinbar ewiger Fluch, den wir partout nicht abschütteln können: Cäsarenwahn, die maßlosen Herrschaftsansprüche der Päpste, das Gottesgnadentum der Könige, der französische Absolutismus, die jakobinisch-bolschewistischen Herrschaftsansprüche einer selbstgewissen Vernunft, Napoleons und Hitlers Griff auf ganz Europa. Am Ende dauerte das auf tausend Jahre angelegte Dritte Reich gerade mal zwölf Jahre und es waren die Briten, die sich trotz massiver Bedenken wie seinerzeit Elisabeth I. für den Widerstand gegen den neuerlichen Weltherrschaftsanspruch entschieden. Die Entscheidung war ihnen auch diesmal nicht leicht gefallen. Fast scheint es, als könnten die Engländer mehr als andere an den big points ihrer Geschichte Personen hervorbringen, die verstehen, was auf dem Spiel steht. Wer hätte wohl damals darauf gewettet, dass sich die notorisch klamme Elisabeth I. mit ihrer kleinen Insel gegen ein spanisches Weltreich mit schier unerschöpflichen Ressourcen würde behaupten können?
von Lutz Götze
Über den Ausgang der Wahlen zum britischen Unterhaus konnte nur der überrascht sein, der die Insel und ihre Menschen nicht kennt. Allenfalls die Höhe des erdrutschartigen Sieges der Konservativen Partei ließ aufhorchen. Labour hat das schlechteste Wahlergebnis seit 1935 eingefahren; den Tories gelang der flächendeckende Einbruch in traditionelle Arbeiter- und Angestelltenbezirke Mittel-und Nordenglands, sogar Wales, die seit Jahrzehnten Abgeordnete der Arbeiterpartei in das House of Commons entsandt hatten. Ausgenommen von dieser Entwicklung waren ausschließlich Schottland und Nordirland, wo die Nationalisten obsiegten, jedoch aus unterschiedlichen Gründen. In Schottland strebt die Scottish National Party unter Nicola Sturgeon ein Referendum an, um in der Europäischen Union zu verbleiben. Die Aussichten sind freilich schlecht.
Die Ursachen für diese verheerende Niederlage von Labour sind, vordergründig betrachtet, eindeutig: ein unbeliebter Parteivorsitzender Jeremy Corbyn, der ständig zwischen leave or remain lavierte und obendrein die antisemitischen Tendenzen in seiner Partei nicht bekämpfte, war das eine, die Gespaltenheit seiner Partei in zahlreichen Fragen und keineswegs nur in der Brexit-Entscheidung das andere.
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