von Milutin Michael Nickl
Transnistrien, in der amtlichen Eigenbezeichnung Pridnjestrovie, könnte das Überleben als De-facto-Staatsgebilde gelingen. Im grausamen Gegensatz zur ehemaligen serbischen Krajina-Republik. In beiden Fällen spielten interethnisch missachtete Autonomierechte, unterdrückte Volksgruppen-Identitäten und teils auch sprachpolitisch beschnittene Volksgruppenrechte eine sezessionsmotivierende Rolle. Kraft Garantie- und Vermittler-»Format 5+2« sind die Ukraine und die Russische Föderation gemeinsam in die Transnistrienfrage involviert. Das seit 2006 ventilierende Anschlussbegehren Transnistriens an Russland dürfte jedoch trotz der seinerzeitigen 97-prozentigen transnistrischen Zustimmung als eher unrealistisch einzustufen sein.
Göttlich geoffenbarte Territorialgrenzen gibt es nirgendwo. Politisch-administrative oder zwischenstaatliche Grenzlinien sind innerweltlich arrangiert, auflösbar, markierbar, militarisierbar oder entmilitarisierbar und lassen sich verschieben. Mit dem zweigliedrigen Etikett »postsowjetische Probleme« werden mit Blick auf Südosteuropa oder auf die nördliche und östliche Schwarzmeerregion, aber auch am Kaukasus manch zweifelhaft eingegrenzte Zuordnungen subsummiert, oder einfach drastische Knock-Down-Argumente auf volksgruppenbasierte, interethnische oder pluriethnische Selbstbestimmungsregungen angewandt. Mehrere gesellschafts- und staatspolitisch unterdrückte, in ihren Menschen- und Bürgerrechten ›schlechtweggekommene‹ Volksgruppen versuchten angesichts vorher ausgleichend und nicht-nationalstaatlich fungierender, im Nachhinein jedoch nationalstaatlich-repressiv umfunktionierter Administrationsgrenzen im »postsowjetischen Raum« - seit dem Zerfall der UdSSR und der ehemaligen blockfreien Bundesrepublik Jugoslawien SFRJ - und trotz der Etablierung jeweiliger nationaler Nachfolgestaaten bzw. nationalstaatlicher Neukreationen selbständige, über jeweilige Autonomie-Arrangements hinausgreifende und unabhängige Staatsgebilde zu schaffen. Naive Links-Rechts-Dichotomien der herkömmlichen Mainstream-Meinungsmache verkleistern leider auch hier die Sicht auf die volksgruppenpolitischen Problemlagen.
In Südosteuropa, der Schwarzmeerregion und Kaukasien entwickelten sich in den 1990er Jahren und in der ersten Dekade des 21. Jahrhunderts mehrere Konfliktherde und separatistische De-Facto-Staatsgebilde mit Anerkennungs- und Souveränitätsproblemen, generiert durch konstitutionelle, gesellschafts- und staatspolitisch manifeste, oft auch sprachpolitisch reglementierende, volksgruppenbegünstigende und oder volksgruppendiskriminierende Entscheidungen, die zu konventionell ausgetragenen Regionalkriegen führten. Meist begleitet von Drogen- und Waffenschmuggel sowie etappenweise erheblicher internationaler Einmischung von Seiten interessierter Großmächte, teils mit cachierter und oder öffentlich wahrnehmbarer, verlautbarungsjournalistisch unterstützter Diplomatie, aber auch durch taktisch versierte Militärberater und massiver Ressourcen-Unterstützung, oder mittels militärischer Aufrüstung (sei es mit oder ohne Training von verschieden deklarierten Kampftruppen), in einigen Fällen durch unmittelbare militärische Einmischung von Großmächten oder Nachbarstaaten, zudem durch ›garantierte‹ Waffenstillstandsvereinbarungen, besagt: garantiert von dritter Seite. Dazu wenige Beispiele mit entscheidungsrelevanten Etablierungsphasen: Transnistrien 1990/92, Berg-Karabach (Nagorny Karabach) 1991/94, Kosovo 1991/2008, Abchasien 1992/2008 und Südossetien 1990/2008.
Transnistrien könnte mit russischer Unterstützung und diplomatischer Delikatesse das Überleben als De-facto-Staatsgebilde gelingen. Im grausamen Gegensatz zur Krajina-Republik und deren in rund 450 Jahren legitim gewachsenen Wurzeln der betroffenen serbischen Volksgruppe hinsichtlich Heimat- und Selbstbestimmungsrecht.
Neue Akzente im Transnistrien-Konflikt?
Die konfliktträchtigen Aspekte ›Transnistriens‹ weisen keine mehrere Jahrhunderte übergreifende Kontinuität auf. Nach dem Zerfall der Sowjetunion hatten einige Gebiete Moldawiens am linken Dnestr-Ufer die Moldawische Dnestrrepublik ausgerufen. Und traut man den im Februar 2011 publik gewordenen Meinungsumfragen in Moldawien einschließlich der Transnistrischen Moldawischen Republik, dann bedauert annähernd die Hälfte der moldawischen Bevölkerung diesen Zerfall der Sowjetunion von 1991. Über die Hälfte der Befragten seien (nach Angaben von RIA Novosti v. 18.2.2011) der Meinung, dass der UdSSR-Zerfall die nachfolgende Entwicklung Moldawiens negativ beeinflusst habe.
Der verselbständigende Schritt in Form einer staatsrechtlichen Verselbständigung Transnistriens, folgte auf Erklärungen einiger eher zentralistisch als föderativ gesinnter Politiker in Chisinau (Hauptstadt Moldawiens), die den Anschluss Moldawiens an Rumänien nicht ausschlossen. Transnistrien wollte nicht rumänisiert werden und bildete die Transnistrische Moldawische Republik. Die Behörden in der moldawischen Hauptstadt Chisinau versuchten darauf, ihre Truppen in die Region zu verlegen, worauf ein monatelanger blutiger Konflikt entbrannte. Gegenwärtig wird der Frieden in der Konfliktzone von den Gemischten Friedenskräften gesichert, zu denen ein russisches (402), ein moldawisches (355) und ein transnistrisches Bataillon (492) gehören, zudem 10 Militärbeobachter aus der Ukraine (Ria Novosti v. 17.11.2012). »Das Format der Friedensoperation muss so bleiben wie es ist«, so Russlands Vizeregierungschef Dmitri Rogosin, zugleich Sondergesandter für Transnistrien. Abgesehen von seiner unübersehbaren Relationalität zur Russischen Föderation agiert Transnistrien relativ autonom und arbeitet weiter auf Anerkennung seiner Unabhängigkeit hin. Die Willenserklärung Rogosins pro Eröffnung zweier Konsulate in Transnistrien, in Tiraspol und Belzy, ändert nichts am staatsrechtlichen Status von Transnistrien. Die Aussage Ragosins, »ein Konsulat ist keine Botschaft. Unsere Botschaft liegt in Chisinau« (RIA Novosti v. 3.11.2012), erscheint korrekt.
Mittlerweile deutet sich eine Modifikation wenn nicht gar eine Wende in Sachen Transnistrien an, zumal Ex-Parlamentschef Jewgeni Schewtschuk im Dezember 2011 die Präsidentenwahl gewonnen hat und damit einen Machtwechsel repräsentiert. 21 Jahre hatte Amtsinhaber Igor Smirnow dominiert, dann schied er doch schon vor der Stichwahl aus. Schewtschuks Rivale Anatoli Kaminski, Chef des transnistrischen Parlaments, der dem crossmedialen Anschein nach als der von Moskau favorisierte Präsidentschaftskandidat galt, unterlag in der Stichwahl. Dennoch dürften die bilateralen Beziehungen zwischen Moskau und Tiraspol vom Wahlsieg Schewtschuks nicht wesentlich betroffen sein. Jewgeni Schewtschuk gilt als flexibler aber verlässlicher Partner und unterstützt die in Transnistrien populär gewordene Bewegung gegen die Korruption, was ihn an sein starkes Wahlversprechen bindet. Ob er in der Lage sein wird es einzulösen, bleibt abzuwarten. Anfang 2012 absolvierte Jewgeni Schewtschuk als neuer Präsident der international nicht anerkannten Dnjestr-Republik seinen Antrittsbesuch in Moskau beim Chef der Kreml-Administration, Sergej Iwanow. Wie verlautet, werde Russland »soziale und humanitäre Projekte in Transnistrien weiter unterstützen«. Und Schewtschuk hofft »auf eine weitere Festigung der Beziehungen mit Russland, die für uns wichtig sind« (Ria Novosti v. 3.1.2012). Die will Transnistrien nun noch forcieren: Denn Moldawien hat Ende November 2013 beim EU-Gipfel zur Östlichen Partnerschaft in Vilnius ein Assoziierungs- und Freihandelsabkommen mit der Europäischen Union paraphiert. EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy kommentierte dies als rasche, realistische Assoziierungsoption mit Unterzeichnung 2014 zwischen der EU und Moldawien. Im Gegenzug versucht der transnistrische Präsident Jewgeni Schewtschuk, den Primat russischen Rechts im Zuge einer Verfassungsänderung im Parlament von Tiraspol beschließen zu lassen. Mit dem Ziel, die Gesetzgebung Transnistriens mit der Russischen Föderation zu vereinheitlichen (RIA Novosti v. 5.12.2013). Wobei er sich auf das Ergebnis des Volksentscheids von 2006 beruft, wonach 97 Prozent der wahlberechtigten Bürger Transnistriens sowohl für die Unabhängigkeit von Moldawien als auch für einen Beitritt zur Russischen Föderation gestimmt hatten. Bei diesem Referendum vom 17. September 2006 stimmten tatsächlich mehr als 392.000 der Wahlberechtigten mit 97,1 Prozent für die endgültige Abspaltung von Moldawien und den späteren Anschluss an die Russische Föderation. Es gab nur 2,3 Prozent Gegenstimmen. Und gegen den Unabhängigkeitsverzicht Transnistriens stimmten 94,6 Prozent bei einer Wahlbeteiligung von 79 Prozent. Sicherlich bleibt das Design jenes transnistrischen Referendums umstritten.
Das Beispiel Transnistrien ist sachreferenziell sperrig: Sowohl öffentlich und geradezu bilderbuchartig nachvollziehbare als auch arkanpolitisch unzugängliche bis paradoxe, aber folgenreiche Aspekte scheinen in die Problemlage Pridnjestrovie involviert zu sein: Das ›abtrünnige‹ Transnistrien ist eine seit dem 2. September 1990 bzw. nach anderer Lesart seit dem 21. Juli 1992, also seit gut zwanzig Jahren, de facto von Moldawien unabhängigen Republik an der Südwestflanke der Ukraine: Unweit der südosteuropäisch-rumänischen EU-Grenze, 400 Kilometer von Polen, der Slowakei und Ungarn entfernt, im Osten Moldawiens, genauer gesagt: zwischen Moldawien und der Ukraine, eskortiert von der Russischen Föderation. Regional schwelt dort seit Anfang der 1990er Jahre eine interethnische, militärische und sprachpolitische Konfliktlage. Sie birgt ein Konfliktpotenzial in sich, das weder diplomatisch noch kommunikationspolitisch unbegrenzt kontrollierbar erscheint. »Unrecognized republics« innerhalb der Territorien der vormaligen UdSSR oder mittlerweile nur von wenigen Staaten anerkannte De-facto-Republiken gibt es nicht nur am Kaukasus mit Abchasien, Südossetien und Berg-Karabach/Nagorni-Karabakh. Die Dnjestr-Republik PMR existiert jedenfalls staatsrechtlich mit über einer halben Million Einwohnern im südlichen Osteuropa.
Der sprachpolitische und volksgruppenpolitische Tropfen, der das moldawisch-transnistrische Fass erst interethnisch, dann militärisch und sezessionistisch zum Überlaufen brachte, war die Entscheidung der moldawischen Regierung 1989/90/91, die rumänische Sprache in ihrer moldawischen Ausprägung konstitutionell in ganz Moldawien zu privilegieren, d.h., das in westlichen Landesteilen Moldawiens vorherrschende Rumänisch zur alleinigen Staatssprache zu machen und damit alle anderen, vor allem die russisch-sprachigen und ukrainisch-sprachigen Volksgruppen, also vorwiegend Russen und russischsprachige sowie ukrainischsprachige Ukrainer, dadurch arbeitsmarktpolitisch, ethisch, gesellschaftspolitisch, staatsrechtlich und wirtschaftlich zu benachteiligen, um nicht zu sagen zu diskriminieren. Diesen sprachpolitischen Sezessionsfaktor, die Festlegung Moldawiens aufs Rumänische als exklusiver Amtssprache, hat das Verfassungsgericht der Ex-Sowjetrepublik Moldawien in der Hauptstadt Chisinau Anfang Dezember 2013 bestätigt und damit vertieft. Wodurch auch die Bemühungen der moldawischen Liberalen Partei und der Liberalen Reformpartei Moldawiens bis auf weiteres gescheitert sind.
Der zweite Motivationsfaktor pro Sezession war wohl die Befürchtung der hauptsächlich russischen und ukrainischen Bevölkerung (über 60 Prozent) dieser transnistrischen Region, dass radikal gesonnene Kräfte in Chisinau einen Anschluss der Moldawischen Republik an Rumänien fordern und über kurz oder lang auch durchsetzen werden. Eine Vereinigung Moldawiens mit Rumänien würde den Transnistrien-Konflikt weiter schüren. Der russische Vizepremier und Transnistrien-Beauftragte Dmitri Rogosin in einem Kommersant-Interview im April 2013: »Wenn die moldawischen Politiker Patrioten der Republik Moldawien sind, dann hat es einen Sinn, mit ihnen über Optionen der Transnistrien-Regelung zu sprechen. Wenn sie aber nach Rumänien wollen, gelingt es uns bei bestem Willen nicht, ihnen beim Erhalten eines einheitlichen Staates zu helfen«, sagte Rogosin. »Transnistrien, aber womöglich auch andere Teile Moldawiens werden nicht nach Rumänien wollen.«
Die Beziehungen zwischen den Nachbarstaaten Ukraine (deren Osten und Süden prädominant russisch und deren Nordwesten mit Galizien nach wie vor kulturell auch polnisch mitgeprägt ist) und der Russischen Föderation, Weißrussland, der Ukraine und Polen, sowie der Ukraine, Moldawien und Rumänien dürfen aus mehreren Gründen, die wir hier nicht einzeln darstellen können, als problematisch bis risikoreich bezeichnet werden. Medienwirksame oder auch latente Ressentiments und gewiss nur schwer definierbare Einstellungsvarianten existieren im Hinblick auf das mittlerweile etwas despektierlich eingeschätzte Russisch bei nicht-russisch geprägten, nicht-muttersprachlich definierten mittelost- und osteuropäischen Ethnien, also solchen Volksgruppen, die Russisch vor allem als Hegemonialsprache der vormaligen sowjetischen Suprematie betrachten. Diese Volksgruppen sehen Russisch nicht oder nicht unbedingt in erster Linie pragmatisch als brauchbare überregionale und zwischenstaatliche Transfersprache bzw. als Lingua franca, obwohl Russisch diese Funktion in etlichen Arealen Osteuropas erfüllt. Die daraus resultierende, beileibe nicht nur sprachpolitische Problemlage wird im Westen bzw. in der Europäischen Union vor allem durch kommunikations- und sprachpolitische Auseinandersetzungen und Volksgruppenkonflikte innerhalb der EU-Mitgliederländer Estland und Lettland deutlich wahrgenommen.
Eine ›informelle‹ Verhandlungsrunde zur Beilegung des Transnistrien-Konflikts im Format »5+2« (Moldawien und Transnistrien sowie Russland, die Ukraine, die OSZE, die EU und die USA) fand im Mai 2010 in Astana statt, in der Hauptstadt von Kasachstan. Ohne nennenswerten Fortschritt. Im November 2011 unterzeichneten der damalige transnistrische Republikchef Igor Smirnow und Moldawiens Regierungschef Vlad Filat in Bender (Tighina, Бендеры, Bendery am rechten, westlichen Ufer des Dnjestr in Transnistrien/Dnjestr-Republik) eine gemeinsame Erklärung zur Wiederaufnahme von Verhandlungen über die Beilegung des Transnistrien-Konflikts. Wiederum auf der Basis der Gesprächs-Formel »5+2«, also die Konfliktseiten Moldawien und Transnistrien, plus die Vermittler Russische Föderation, Ukraine und die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), sowie die ›Beobachter‹ EU und USA. Als Verhandlungsort wurde Vilnius in Litauen bestimmt. Im Juli 2013 hat der russische Außenminister Sergej Lawrow das Garantie- und Vermittler-»Format 5+2«, also gemeinsam mit der Ukraine, bekräftigt. »Wir gehen davon aus, dass Chisinau und Tiraspol einseitige Handlungen vermeiden müssen, welche eine Kettenreaktion auslösen und Emotionen anheizen und damit den Übergang zu einer politischen Regelung erschweren würden« (RIA Novosti v. 24.7.13).
Eine auf den ersten Blick randläufige, scheinbar bloß nicht allzu weit vom südöstlichen Ende der EU vor sich hindümpelnde Problemlage betrifft den nunmehr staatspolitischen Status quo von Transnistrien, der eben erheblich aufgrund der Nationalsprachpolitik Moldawiens, einer GUS-Republik, generiert wurde: Rumänisch, bzw. moldawisches Rumänisch ist in Moldawien seit 1989/90/91 einzige Staatssprache trotz einem Drittel ostslawischer Ethnien, hauptsächlich jene seit Sowjetzeiten wohl legitim angesiedelten oder legitimerweise dort verbliebenen Russen und Ukrainer, die innerhalb der moldawischen Grenzen von 1990/91 überwiegend in Transnistrien leben. Rumänisch sprechende Moldauer machen in Moldawien zwei Drittel der Bevölkerung aus (ca.78 %), Ukrainer 11, 2%, Russen 9,4 %, Gagausen 3,8 %, Bulgaren: 2 %, Roma 0,3 %, Juden 0,1 %. Der Binnenstaat Moldau/Moldawien umfasst 33.843 km² einschließlich Transnistrien, ist etwa genauso groß wie Nordrhein-Westfalen, aus nordamerikanischer Perspektive »slightly larger than Maryland«, wie das CIA-World-Factbook notiert. Bevölkerung: rund 3,6 Millionen bzw. 3.619.925 Einwohner (Juli-Schätzung 2013).
Transnistrien ist ein militärstrategisch nicht uninteressantes, langgestrecktes Gebiet am östlichen Rand Moldawiens, zwischen der Ukraine und Moldawien gelegen. Eigenangaben zufolge mit 4.163 Quadratkilometern, »slightly smaller than Delaware; almost twice the size of Luxembourg«. Amtssprachen bzw. offizielle Sprachen in Transnistrien sind Russisch, Moldawisch (Moldawisches Rumänisch) und Ukrainisch. Trotz aller Sowjetnostalgie pflegt man in der Dnjestr-Republik PMR eine identitäts-fördernde, konstruktive Plurilingualität.
Hauptstadt: Tiraspol mit etwas unter 160.000 Einwohnern. Weitere größere Städte sind Bender, Rybnitsa, Dubossary, Grigoriopol, Kamenka und Slobozya. An Transnistrien angrenzende Länder und Grenzen zu Moldawien 411 km, zur Ukraine 405 km. Insgesamt 816 Kilometer Landesgrenzen. Ein Gebiet mit relativ starker Industrie- und Wirtschaftskraft: Stahlindustrie plus Export konventioneller Waffen, Textilindustrie, Möbelherstellung und Schuhindustrie, Wein und Spirituosen, Wasserkraft. Moldawisches Geld ist in Transnistrien ungültig, kann aber in Transnistrien getauscht werden. Währung: 1 Pridnestrowischer Rubel sind etwa 100 Kopeken. Nun zum staatsrechtlich relevanten Punkt:
Der Führung der Moldauischen Dnestr-Republik, ПМР (PMR) - dieses Akronym steht für Приднестровская Молдавская Республика (Pridnjestrovskaya Moldavskaya Respublika), genannt Transnistrien, Transdnjestrien, Transnestrien, Transdnistria - ist es gelungen, eigene staatliche und militärische Strukturen aufzubauen und zu etablieren. Die ПМР (PMR) existiert staatsrechtlich, ein staatsrechtliches Gebilde, bzw. ein eigener Staat, denn in ihm, in Transnistrien, wird Staatsmacht ausgeübt, was sicherlich das überzeugendste und für Anerkennungsbemühungen zielführende Kriterium sein dürfte.
Nach der Montevideo-Konvention vom 26. Dezember 1933, die von den USA erheblich mitbewirkt und ebenso mitunterzeichnet worden ist, gelten vier völkerrechtlich relevante Souveränitätskriterien eines Staates: »The state as a person of international law should possess the following qualifications: (a) a permanent population; (b) a defined territory; (c) government; and (d) capacity to enter into relations with the other states«. Der Staat als Subjekt des internationalen Rechts sollte folgende Eigenschaften besitzen: (a) eine ständige Bevölkerung; (b) ein definiertes Staatsgebiet/Territorium; (c) eine Regierung; und (d) die [legale] Fähigkeit, in Beziehung mit den anderen Staaten zu treten. Hinsichtlich dieser deklarativen Souveränitätstheorie existiert ein Staat unabhängig von seiner Anerkennung durch die anderen Staaten, was am Anfang des dritten Artikels dieser Montevideo-Konvention explizit festlegt wurde. Jeder Staat, unabhängig davon, ob er international akzeptiert ist oder nicht, hat das Recht auf Integrität und Verteidigung seines Territoriums, politischen Kontakt und innere Sicherheit. Und die Verfassung eines Staates gilt für alle seine Einwohner. Daraus resultiert für die Moldauische Dnestr-Republik, dass sie ohne durchgreifende Zweifel als ein Staat mit den staatsentsprechenden Attributen zu gelten hat, einschließlich eigener Währung. Bisweilen wird dieser Staat als »Separatistenrepublik Transnistrien« bezeichnet, im digitalisierten »CIA-Factbook« wird despektierlich und polemisch von einem illegalen Separatistenregime in Moldawiens Transnistria-Region gesprochen (»an illegal separatist regime in Moldova's Transnistria region«).
Was besagt internationale Nicht-Anerkennung innerhalb der GUS?
Das staatsrechtliche Gebilde bzw. Staatsgebilde der Moldauischen Dnestr-Republik bzw. Transnistrien betrachtet sich als Teil der GUS [Gemeinschaft Unabhängiger Staaten. Damit werden die meisten vormaligen Sowjetrepubliken ohne Estland, Lettland, Litauen und Georgien bezeichnet], womit sich eine formale Anerkennung zwar nicht völlig erübrigt, aber auch im GUS-Rahmen gar nicht zwingend erforderlich erscheint: denn die GUS-Staaten erkennen sich automatisch alle gegenseitig an. Mit publizistischer Polemik à la CIA-World-Factbook lässt sich dieses Staatsgebilde der Moldauischen Dnjestr-Republik bzw. Transnistrien offenkundig nicht wegdiskutieren.
Bleibt die Frage: wieso konnte sich die Führung der Moldauischen Dnestr-Republik (Transnistrien) seit 1990/92 de facto staatsrechtlich etablieren? Eine Waffenstillstandsvereinbarung allein, auch wenn sie, wie in diesem Falle, von der Russischen Föderation mitunterzeichnet wurde, dürfte das wohl kaum exklusiv bewirkt haben. Waffenstillstandsvereinbarungen sind auch während der jüngsten jugoslawischen Bürgerkriege der 1990er Jahre mehrere getroffen worden, ohne dass sie Bestand gehabt hätten. Gewiss existiert in der Region Moldawien/Transnistrien keine externe Stabilisation Force (SFOR, Stabilisierungsstreitkräfte). Auch ein etwaiger Dayton-analoger Friedensvertrag mit zwei Entitäten samt spezifischer Demokratieklausel und Marktwirtschaftsfixierung existiert bis dato nicht in Bezug auf Transnistrien und ist vorläufig auch nicht in Sichtweite. Die oben genannte Quaestio finita, die konkret begrenzte, problemorientierte Frage - wieso konnte sich die Führung der Moldauischen Dnestr-Republik (Transnistrien) staatsrechtlich etablieren? - kann derzeit wohl nur vage beantwortet werden, weil gravierende Datenbelege, Indizien oder auch Essentials aus den Arcana der Ukraine, der USA, Großbritanniens, der Russischen Föderation, Frankreichs und Rumäniens, der Türkei und evtl. auch Moldawiens (als GUS-Mitglied) eben nicht öffentlich reproduzierbar und recherchierbar sind.
Ohne hinreichend verlässliche Bündnispartner, ohne Hilfe einer Großmacht, ohne NATO-Tolerierung und ohne ökonomische Perspektive ist die Republika Srpska Krajina (Republik Serbische Krajina mit Ostslawonien) grausam gescheitert. In den Jahren 1990 bis 1995 war sie von einer zunächst Serbisch Autonomen Provinz Krajina zu einem international nicht anerkannten De-Facto-Staat transmutiert bzw. sezessionistisch gegründet: als Reaktion auf die damals aktuelle Version der kroatischen Verfassung vom 22. Dezember 1990, (Text im kroatischen Amtsblatt Narodne Novine Nr. 56), wonach praktisch nur noch Kroaten als Staatsvolk gelten sollten.
Das Unabhängigkeitsreferendum der serbischen Bevölkerung in Kroatien erfolgte am 19. August 1991. Die Republika Srpska Krajina wurde nach wechselseitigen, völkerrechtswidrigen »ethnischen Säuberungen« sowohl von Kroaten als auch Serben, dem Rückzug von Verbänden der Jugoslawischen Volksarmee sowie diverser paramilitärischer Einheiten und der Anerkennung Kroatiens ab 1992 zuerst durch den Vatikan (!) und unmittelbar danach durch 12 Staaten der damaligen die durch den Vatikan und die damaligen EU-Staaten, letztlich durch die vom Westen aufgerüstete kroatische Armee und ihre Militäraktion Oluja (Sturm) im Sommer 1995 komplett eliminiert und die seit dem 16. Jahrhundert angestammten Gebiete der Krajina-Serben kroatisch homogenisiert, obgleich zeitweilig vier UNPROFOR-Schutzzonen (United Nations Protection Force) im Zusammenhang mit den serbischen Krajina-Gebieten samt formal 1.400 UNO-Soldaten existiert hatten. Es kam zu Kriegsverbrechen sowie zu Flucht und Vertreibung von annähernd 200.000 Serben, d.h., zum Exodus der Serben. Kroatien wurde politisch und logistisch von den USA, der NATO und einigen EU-Staaten unterstützt.
Seither ist vom Heimat- und Selbstbestimmungsrecht der überwiegend serbisch-orthodoxen Krajina-Serben nicht mehr die Rede, obzwar die Autonomie von Serben in Slawonien und der Krajina seit 1607 durch Kaiser Rudolf II. und 1660 von Leopold I. per Edikt anerkannt bzw. verfügt worden war. Wohl die erste Autonomiebestätigung durch Ferdinand I. datiert auf 1535. Die Serben waren als Flüchtlinge vor den Osmanen und nicht als Eroberer in die Vojna Krajina, die österreichisch-ungarische Militärgrenzregion gekommen und dort auf legitime Weise angesiedelt worden.
Arcanum politicum
Ungern wird in veröffentlichten Meinungsangeboten, im öffentlichen Spektrum ›souveräner‹ Staatspolitik, in den Internationaler Beziehungen, selten auch in den aufklärungsbewussten Kommunikations- und Politikwissenschaften vom Arkanum gesprochen. Obgleich es untrennbar zum politischen Staatsgeschäft gehört. Arcanum politicum bezeichnet jenen Anteil an Politik, der fürs Staatsvolk uneinsichtig, verborgen oder gut abgeschirmt bleibt, ein qualitativ nicht unerhebliches Quantum an ›Geheimpolitik‹, ›Arkanpolitik‹, auch Geheimdiplomatie bzw. Diplomatie und Politik außerhalb öffentlicher Kontrolle und veröffentlichter Datencluster; nicht etwa illegitim, sondern eher typisch und in vielen Fällen eine Erfolgs entscheidende bis notwendige Voraussetzung für diplomatische Effektivität. Im Falle von Transnistrien geht es auch und keineswegs unerheblich um Arkanpolitik. Mindestens zwei Großmächte, die USA und die Russische Föderation, scheinen darin involviert zu sein.
Zur Bedeutung von Arkanpolitik sei an den ersten der 14 Programm-Punkte Präsident Woodrow Wilsons aus seiner Rede vor beiden Häusern des nordamerikanischen US-Kongresses vom 8. Januar 1918 erinnert, worin Wilson auf die Abschaffung der Geheimdiplomatie zielte. Im Wortlaut: »Open covenants of peace, openly arrived at, after which there shall be no private international understandings of any kind but diplomacy shall proceed always frankly and in the public view.« Sinngemäß übersetzt: Offene und öffentlich ausgehandelte und abgeschlossene Friedensverträge, wonach keinerlei geheime internationale Abmachungen mehr bestehen bzw. zustande kommen sollen; denn die Diplomatie solle immer aufrichtig und unter den Augen der Öffentlichkeit betrieben werden. US-Präsident Woodrow Wilson erhielt 1919 den Friedensnobelpreis. Arkanpolitik und Arkandiplomatie existieren freilich weiter.
Kriegsoption?
Zwar hat die moldawische Regierung ihr Ziel einer Wiedervereinigung mit Rumänien vorerst aufgegeben, besitzt aber keinerlei Kontrolle über Transnistrien einschließlich der Region und Stadt Bender am Westufer des Dnjestr. Der historisch segmentierbare und identitätsstiftend herleitbare, militärische, interethnische und sprachenkontroverse Konflikt ruht seit dem 21. Juli 1992, ist jedoch keineswegs gelöst und birgt in sich ein entflammbares Konfliktpotenzial.
Weitere Indizien dazu: Am 18.11.2008 hat die NATO in Valencia/Spanien per Resolution Nummer 371 mit Punkt 11 Russland (die Russische Föderation) aufgefordert, die beim Istanbuler OSZE-Gipfel von 1999 eingegangenen Verpflichtungen einzuhalten und die in der [betreffenden] Region [Transnistrien] »illegal stationierten Truppen« zurückzuziehen. Im Wortlaut:
»11. URGES the government and the parliament of Russia:
a. to conduct Russia’s foreign affairs, particularly its relations with former Soviet Republics, in a manner that abides by the principles of the Charter of the United Nations, the
Statute of the Council of Europe, the Helsinki Final Act of 1975, the 1990 Paris Charter, and the 1999 Istanbul Charter for European Security, namely:
i) sovereign equality and respect for the rights inherent in sovereignty of other states, including their territorial integrity and the inviolability of their frontiers;
ii) non-intervention in the internal affairs of another sovereign state;
iii) refraining from the threat or use of force;
iv) peaceful settlement of disputes;
v) the principle ›… that no state, group of states or organisation … can consider any part of the OSCE area as its sphere of influence‹ (1999 Istanbul Charter for European Security);
b. to respect its commitments which were taken at the Istanbul OSCE Summit in 1999 and has to withdraw its illegal military presence from the Transdnestrian region of Moldova in the nearest future;
c. to reaffirm Russia’s commitments to partnership and co-operation with NATO and to support this with concrete action«.
Auch der moldawische Interimspräsident Mihai Ghimpu hatte bei einem Treffen mit Russlands Präsident Dmitri Medwedew schon Anfang Oktober 2009 in Chisinau den »Abzug der Armee« gefordert. Nach ihm vorliegenden Angaben habe Ghimpu bei dem Treffen mit Medwedew lediglich Besorgnis darüber zum Ausdruck gebracht, dass sich der Abzug von russischem Armeevermögen aus der Republik etwas verlangsamt habe, so der amtliche Sprecher des russischen Außenministeriums, Andrej Nesterenko. Im übrigen solle der politische Schlüssel zu einem Kompromiss bei der Beilegung des Transnistrien-Konflikts von den Konfliktparteien selbst gefunden werden. Russland als Vermittler werde nicht nur dabei helfen, sondern auch die Erfüllung entsprechender Vereinbarungen garantieren.
Realpolitisch geht es in dieser schwarzmeernahen Region um erkleckliche Profite aus dem Waffenhandel und Export konventioneller Waffen, dem Menschenhandel, der staatsübergreifend organisierten Prostitution und aus dem Drogenschmuggel. UNICEF Österreich berichtete z.B. 2008 über Kinderhandel, Kinderprostitution und Kinderpornografie auch im Bezug zu Moldawien und Rumänien mit Benennung grenzübergreifender Gefährdungsindikatoren.
Zur Einschätzung der Moldauischen Dnestr-Republik ›Transnistrien‹ sollte man den Betrachtungsrahmen nicht zu eng ziehen. Die Problemlage Pridnjestrovie - Приднестровье (Pridnestrov'je) - gehört zum GUS-Schwarzmeer-Problemkranz, zum ukrainisch-russischen Risikoareal, worin allerdings auch das militärische Marine-Operationsfeld Schwarzmeer-Mittelmeer involviert erscheint. Im Mai 2008 feierte die legendäre russische Schwarzmeerflotte ihren 225. Jahrestag. Stationiert ist sie in Sewastopol. Die Ukraine wollte diese Untermieter nicht erst seit der Jahreswende 2013/14 gerne loswerden. Russland weigerte sich effektiv. Faktum: Die Russische Föderation hat derzeit den Großteil ihrer seit den frühen 1990er Jahren nuklear abgerüsteten Schwarzmeerflotte bzw. der Rotbanner-Schwarzmeerflotte (Черноморский Флот oder Tschernomorskij Flot) im ukrainischen Hafen Sewastopol/Севастополь, ihrem bisherigen Hauptstützpunkt stationiert. Der dies legitimierende zwanzigjährige russisch-ukrainische Vertrag (zweier GUS-Mitglieder) von 1997 wäre im Jahr 2017 ausgelaufen, wurde jedoch 2012 bis 2042/48 verlängert, samt nochmaliger Verlängerungsoption. Bedeutete: dieser russische Hauptstützpunkt hätte vor der Aufnahme bzw. Annexion bzw. Beitritt der Kim zur Russischen Föderation, bzw. Reintegration/Wiedereingliederung der Krim in die Russische Föderation oder Wiedervereinigung der Krim mit Russland (im März 2014) frühestens 2042/48 geräumt werden müssen. Jährlich, wohl noch 2013, brachte das der Ukraine bislang über 97 Millionen US-Dollar jährlich an Pacht, Grundstücksnutzung und Liegegebühren ein; Schätzungen rangierten dabei bis über 100 Millionen US-Dollar jährlich. Es geht hier nicht um Schreckensszenarien. Aber die damit verquickten Probleme sind seit dem Krim-Referendum vom 16. März 2014 für die Schwarzmeer-Areale nicht weniger schwierig und weitreichend geworden. Seit dem 18. März 2014 gehört die Krim faktisch und vertragsgemäß zur Russischen Föderation. Nicht zuletzt völkerrechtliche Krim-Aspekte werden in der zuzuordnenden Kontroverspublizistik engagiert, global und komplementär diskutiert.
Der in die Mitte der 1990er Jahre zurückreichende und seit Winter 2005/2006 akute und zwischenzeitlich mehrfach nicht nur rituell aktualisierte Streit um die Preiserhöhung russischen Gases an die Ukraine auf Marktpreisniveau, hat auch die Option auf eine Erhöhung der Pacht und Liegegebühren für die russische Rotbanner-Schwarzmeerflottein in die öffentliche Diskussion lanciert. Neuer Marinestützpunkt der russischen Schwarzmeerflotte wird Noworossijsk in der Region Krasnodar. Am 17. Dezember 2013 haben sich die Präsidenten der Russischen Föderation und der Ukraine, Wladimir Putin und Viktor Janukowitsch, in Moskau vertraglich geeinigt, den Preis für russisches Gas für die Ukraine um 33 Prozent auf 268,5 US-Dollar pro 1.000 Kubikmeter zu reduzieren. Zudem erklärte sich Russland bereit, ukrainische Eurobonds im Gesamtwert von 15 Milliarden Dollar zu kaufen. Nach Einschätzung des damaligen ukrainischen Energieministers Eduard Stawizki sollte die Ukraine dadurch ab 2014 mehr als 7 Milliarden US-Dollar jährlich einsparen. Welche Bindungswirkungen aus jenem Deal resultieren, ist jedoch ebenso offen wie umstritten.
Mehrheitlich wird die autonome, jedoch der Ukraine zugehörige Krim von Russen bewohnt. Rund 60 % (58,5 %) der annähernd 2 Millionen Einwohner (1,967 Mill.) sind Russen bzw. russischer Abstammung, etwa ein Viertel nur sind Ukrainer; hinzu kommen u.a. ca. 12 % Krimtataren. Die erst 1954 von Chruschtschew verschenkte, bzw. der damaligen ukrainischen Sowjetrepublik zugeschlagenen Krim wurde kontinuierlich von prorussischen Parteien regiert. Die Stadt Sewastopol, Hauptstadt der Autonomen Krim-Republik, war bis vor dem 11. März 2014, bis vor der Unabhängigkeitserklärung des Krim-Parlaments, direkt der ukrainischen Regierung unterstellt, also wie die ukrainische Hauptstadt Kiew. D.h., Sewastopol unterstand nicht unmittelbar dem Parlament der Autonomen Krim-Republik. Daran dürfte sich auch im russisch-föderalen Design nicht viel ändern. In Sewastopol sind etwa drei Viertel der rund 380.000 Einwohner Russen. Bisherige Amtssprache in Sewastopol war aber paradoxerweise Ukrainisch; die tatsächliche Kommunikationssprache jedoch Russisch. Die Option für Russisch als legitimierter und kommunikationspragmatisch notwendiger zweiter Amtssprache steht nach wie vor positiv für die gesamte Ukraine, allen aktuellen Irritationen zum Trotz. Eine der Minderheitensprachen auf der Krim ist übrigens auch Deutsch, bedingt durch süddeutsche und schweizer Auswanderer vor 200 Jahren nach Zürichtal/Solote Pole (ukrainisch: Золоте Поле; russisch: Золотое Поле/Solotoje Pole, krimtatarisch: Caylav Saray).
Moldawien mit Transnistrien im CIA-World-Factbook
Zu Moldawiens wirtschaftspolitischem Status Quo und »Moldova's break-away Transnistria region, which remains under OSCE supervision« äußert sich das CIA-Factbook in den vergangenen Jahren drastisch: »… Economic reforms have been slow because of corruption and strong political forces backing government controls. Nevertheless, the government's primary goal of EU integration has resulted in some market-oriented progress. The granting of EU trade preferences and increased exports to Russia will encourage higher growth rates, but the agreements are unlikely to serve as a panacea, given the extent to which export success depends on higher quality standards and other factors... Moldova`s economic future remains vulnerable to political uncertainty, weak administrative capacity, vested bureaucratic interests, higher fuel prices, poor agricultural weather, and the skepticism of foreign investors as well as the presence of an illegal separatist regime in Moldova's Transnistria region« (2013). Und zum Stichwort ›illicit drugs‹ wird notiert: »limited cultivation of opium poppy and cannabis, mostly for CIS consumption; transshipment point for illicit drugs from Southwest Asia via Central Asia to Russia, Western Europe, and possibly the US; widespread crime and underground economic activity« (so notiert 2012).
Transnistrische Beitrittslust zur Russischen Föderation seit 2006
Nachbarstaatlich, nationalstaatlich und GUS-zwischenstaatlich ist gravierendes Konfliktpotenzial avisierbar und lokalisierbar: zwischen Moldawien und der Dnjestr-Republik Transnistrien PMR [Образование ПМР: Приднестровской Молдавской Республики], der Ukraine, der Russischen Föderation sowie ggf. auch Rumänien. Für Transnistrien zeichnen sich wohl nur zwei Lösungsmöglichkeiten ab: Entweder die internationale Anerkennung Transnistriens als unabhängiger Staat; das will Tiraspol durchsetzen. Chisinau bzw. Moldawien hingegen versucht die transnistrische Seite zu einem formalen oder zumindest titularischen Autonomierecht bzw. Autonomiestatus im Rahmen eines einheitlichen Staates zu bewegen.
So oder so wäre zumindest ein Problem in der Schwarzmeerregion lösbar. Allerdings will sich die abtrünnige Republik Transnistrien am liebsten der Russischen Föderation anschließen, wie die Zeitung Wedomosti berichtet (v. 18.3.2014). Danach hat der Vorsitzende des transnistrischen Obersten Rats (des dortigen Parlaments) Michail Burla, ein Aufnahme- bzw. Beitrittsgesuch an den Vorsitzenden der russischen Staatsduma (dem Parlamentsunterhaus) Sergej Naryschkin, geschickt. Damit reagierte Transnistrien auf den von der russischen Parlamentspartei Gerechtes Russland vorgelegten Gesetzentwurf über eine erleichterte Aufnahme neuer Territorien in die Russische Föderation. Gemäß diesem Gesetzentwurf können andere beitrittswillige und sich bereits als unabhängig erklärt habende Regionen (bzw. unabhängige staatsrechtliche Gebilde) auch ohne Zustimmung der jeweiligen nationalstaatlich zuständigen Zentralregierung des jeweils beitrittswilligen Landes an die Russische Föderation angegliedert bzw. aufgenommen werden. Und zwar dann, falls im jeweiligen Herkunftsland keine »effiziente und legitime Regierung eine Staatsmacht ausübt und die Einwohner solcher beitrittswilliger Territorien bei einem Referendum entsprechend für den Beitritt zur Russischen Föderation gestimmt haben, oder die (repräsentativen) Behörden der jeweiligen Region sich mit einem Beitrittsbegehren/Beitrittsappell an die Russische Föderation gewandt haben«. Freilich ermöglichte solch ein gesetzliches Procedere zwar den Beitritt der Autonomen und Unabhängigen Krim, nicht aber den Beitritt Transnistriens zu Russland. Was der transnistrische Parlamentschef Burla selber einräumte, wie Ria Novosti berichtete. Denn die moldawische Staatsregierung sei ja unstrittigerweise legitim gewählt worden. Darüber hinaus müsste Transnistrien eine Volksabstimmung nach moldawischem Recht organisieren, während die abtrünnige Teilrepublik Transnistrien bereits ihre eigenen, allerdings mit der Russischen Föderation schon weitgehend kompatiblen Gesetze hat.
Einfluss und Sicherheitsinteressen Russlands sind im GUS-Raum wie im Schwarzmeer-Areal evident. Weniger eindeutig klassifizierbar und dechiffrierbar sind nur partiell publik gemachte, eher cachierte, jedenfalls verschlüsselte Großmachtinteressen der USA. Kaum auszudenken, was passieren könnte, wenn eines dieser regional avisierten, keineswegs exklusiv pluriethnischen Probleme militärisch angegangen, destabilisiert und militärisch eskalierend gelöst werden sollte. Ohne Einsicht in Optionsanalysen und Optionsprüfungsergebnisse der US-Regierung, auch in entsprechende Sicherheitsdossiers der Russen, Briten, Franzosen, Polen und ohne manifestierte Einschätzungen weiterer Staaten und Regionalmächte sind Problementwicklungen der Schwarzmeerregion wohl so gut wie unvorhersagbar. Öffentlich nicht transparente, eher arkanpolitisch relevante, ›friedenspolitisch‹, militärpolitisch oder politikstrategische, evtl. auch intervenierende Gründe, schwerwiegende Begründungsgänge, entsprechende Schutzbehauptungen und Schutzmachtinteressen dürften, wenn erforderlich, ziemlich rasch beizubringen sein.
Vergnüglicher einzuschätzen ist wohl eine Städtepartnerschaft zwischen der sächsischen Kleinstadt Eilenburg (in Zusammenarbeit mit dem dortigen »Lions Club«) mit der transnistrischen Hauptstadt Tiraspol seit 13.10.2002; allem Anschein nach wird sie jedoch nicht mehr ›offiziell‹ gepflegt, gewissermaßen nur noch auf Vereinsebene
(vgl. auch Thomas Gerlach, Café Tiraspol. Aus Eilenburg und Tiraspol, in: taz online, v. 9.4.2005).