Dieses Buch war dringend notwendig. Es gibt seit den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts zahllose wissenschaftliche Studien, Meinungsumfragen, Berichte, Kommentare und politische Brandreden zur Gefahr des ›Rechtsextremismus‹ und verwandten ›Strömungen‹. Gegenwärtig hat man als kritischer Beobachter den Eindruck, als stünde eine Machtübernahme ›der Rechten‹ unmittelbar bevor, so intensiv wird im politischen Diskurs die Gefahr ›von rechts‹ und der deshalb vorrangige Kampf gegen ›rechts‹ beschworen. Die AfD wird als vermeintliche Speerspitze des ›Rechtsextremismus‹ von Regierung, Opposition und den sie tragenden Parteien ausgegrenzt, flankiert von zahlreichen NGOs, Gewerkschaften und Kirchen.
So gibt es im politischen Diskurs zu ›rechts‹ und ›links‹ einen dominierend »asymmetrischen« Blick auf den »Extremismus«, wie die Autoren, beide Politikwissenschaftler, nüchtern konstatieren. Klaus Schroeder ist Professor am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin und Leiter des ›Forschungsverbundes SED-Staat‹ und Monika Deutz-Schroeder ist in demselben Forschungsverbund tätig. Sie geben zahlreiche Beispiele für eine anhaltende Relativierung und Verharmlosung des Linksextremismus (S. 17ff.)
Was ist ›deutsch‹? Diese Frage treibt mich bis heute um. Neulich sah ich in der Buchhandlung am S-Bahnhof Friedrichstraße ein Buch, ich kaufte es und begann gleich zu lesen. Sehr spannend und gut geschrieben. Doch bald regten sich in mir Unwohlsein und ein Gefühl der Missbilligung, ja auch Kränkung. Waren bzw. sind wir Deutschen so? Das Buch hätte einen anderen Untertitel verdient: ›Eine Skandalchronik der Deutschen aus der Sicht von Dichtern und Denkern‹!
Den ›Deutschen‹ oder ›das Deutsche‹ stellt Fried unter ›Generalverdacht‹. Grell scheint die ›deutsche Sonderwegsthese‹ auf. Fried will das mit einer tour d’horizon durch die deutsche Geschichte belegen, orientiert an Poetik und Prosa deutscher ›Dichter und Denker‹. Von Walther von der Vogelweide bis zu Wolf Biermann, von Goethe, Schiller, Lessing, Kant bis zu Christa Wolf und Reiner Kunze. Er hat eine politische Agenda, sie bestimmt sein Erkenntnisinteresse und die selektive Auswahl der Dichter und Denker Stimmen. Er präsentiert ihre meist kritischen bis bösartigen Bemerkungen mit sehr gelehrten und beeindruckend detailreichen Exkursen. Geschichte wird zum Argument im politischen Diskurs. Das ist in Ordnung so, man muss es nur erkennen.
Das vorliegende Buch erzählt davon, »wie bolschewistische Hygienepolitiker und Experten unter Stalin ihren Kampf gegen Malaria und Pest als zivilisatorische Mission führten.« (Klappentext) Es basiert auf der Doktorarbeit des Autoren an der Philosophischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin und lässt sich einreihen in die Forschungliteratur, die von der sog. »archival revolution« profitiert (Raleigh 2002), mit der umfangreiches, bislang kaum zugängliches Quellenmaterial zugänglich wurde.
Thematisch greift Braun ein noch wenig behandeltes Forschungsthema auf. Nicht viele Beiträge befassten sich bislang mit der Bedeutung und Rolle medizinischer Vorsorge im sowjetischen Russland. Zu diesen zählen der von Frances Bernstein, Christopher Burton und Dan Healey herausgegebene Sammelband Soviet Medicine (2010) sowie die Habilitationsschrift von Igor Polianski Das Schweigen der Ärzte. Eine Kulturgeschichte der sowjetischen Medizin und ihrer Ethik (2015). Unter dem Titel Von Menschen und Mikroben entwirft Matthias Braun eine Zeitgeschichte der Vorsorge, die sich mit dem hygienepolitischen Übergang von Praktiken der Intervention und Krisenbewältigung hin zu Praktiken der Prävention interessiert. Daher blickt man gespannt auf das vorliegende Buch, das sich der Thematik aus einer politik- und sozialgeschichtlichen Perspektive nähert.
Sämtliche Abbildungen mit freundlicher Genehmigung der Urheber. Front: ©2024 Lucius Garganelli, Serie G