von Christoph Jünke
I.
Warum sollten sich Historiker, Sozialwissenschaftler und, vor allem, gewerkschaftlich Interessierte mit Leben und Werk von Viktor Agartz (1897-1964) auseinandersetzen? Nicht nur, aber vor allem weil Agartz einer der herausragendsten und umstrittensten Gestalten der deutschen Nachkriegszeit gewesen ist. Der bereits in den 1920ern aktive linke Sozialdemokrat gehört zu den wenigen Deutschen, die während des Nazi-Faschismus eine unbefleckte Weste ihr eigen nennen konnten. Er hat sich, soweit ihm dies möglich war, im antifaschistischen Widerstand innerhalb des Deutschen Reiches engagiert. Unmittelbar nach Krieg und Faschismus war er der neben Kurt Schumacher und Hans Böckler wohl wichtigste Funktionär und Vordenker von SPD, Gewerkschaften und Konsumgenossenschaftsbewegung, führend mitbeteiligt am ökonomischen und politischen Wiederaufbau des zerstörten Landes.
von Christoph Jünke
Rudi Dutschke, der am 7. März diesen Jahres gerade mal 70 Jahre alt geworden wäre und doch schon seit 30 Jahren tot ist, gilt als Aktivist, als Praktiker der Revolte, seine Theorie dagegen als wenig systematisch, als eklektizistisch gar. Entsprechend beschäftigt man sich zumeist mit der Person und hält dessen Ideen für vernachlässigbar. Doch ob als existentialistisch beeinflusster Student im Berlin der beginnenden 1960er Jahre oder als antiautoritärer, revolutionär-sozialistischer Agitator des SDS und der APO, ob als aufrechter Einzelkämpfer im dänischen Exil Mitte oder als grün-alternativer Stratege am Ende der 1970er Jahre, immer ging es Dutschke mit der Erneuerung radikal-sozialistischer Politik auch um die Erneuerung ihrer theoretischen Grundlagen, denn eine »tiefe Auseinandersetzung mit der geschichtlich-gesellschaftlichen Wirklichkeit der Gegenwart kann und darf«, wie er 1968 schrieb, »nicht von den bisherigen Resultaten der revolutionären Theorie abstrahieren«.
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