von Jobst Landgrebe

Der Transhumanismus als Ideologie ist für alle Gesellschaften der Nordhemisphäre sehr wichtig, weil diese Idee seit dem Beginn der sogenannten COVID-Impfkampagne Ende 2020 in die operative Massenumsetzung gegangen ist. Denn im Rahmen dieser als Primärprävention vermarkteten Kampagne wurden Milliarden von Menschen einer somatischen Gentherapie unterzogen. Diese ergänzt das menschliche Genom temporär um ein nichtmenschliches Gen. Dieses Gen, das Spike-Protein des Virus SARS-Cov-2, wird nach der Injektion der Nukleinsäuren in allen Zellen produziert, die von den Nukleinsäuren durch Transfektion genetisch modifiziert werden. Mit anderen Worten, wir haben gerade eben Milliarden von Menschen gentechnisch manipuliert, was viele Menschen in der Landwirtschaft unter dem Schlagwort ›Gentechnik‹ bei Tieren und Pflanzen ablehnen. Was hat das mit Transhumanismus zu tun?

Das Programm des Transhumanismus sieht vor, die natürlichen Grenzen menschlicher Biologie durch Technologie zu überwinden.

Vertreter des Transhumanismus wie Yuval Harari und Klaus Schwab vertreten die folgenden Ideen und glauben, dass wir den menschlichen Körper so optimieren können, dass die Erschaffung von Cyborgs möglich ist (damit meinen sie fiktive Organismen, in denen menschliche Organe und Technologie nahtlos miteinander verbunden sind):
– dass Eigenschaften wie menschliche Intelligenz durch Genom-Manipulation der Keimbahn gesteigert werden können,
– dass wir durch Einsatz von mRNA-Technologie bald in der Lage sind, ›Schaltkreise für Zellen zu schreiben und die Biologie vorhersehbar zu programmieren, so wie wir Software schreiben und Computer programmieren‹ (aus Joe Bidens Executive Order zu Biotechnologie vom 12.09.2022) – dass wir Krebserkrankungen bald durch Gentherapie oder sogar den Einsatz von Nanotechnologie heilen können,
– dass Maschinen bald Gedanken mit Hilfe von Detektoren elektro-magnetischer Wellen lesen können,
– dass es keinen freien Willen gibt, da der Geist bloß eine Ansammlung biochemischer Prozesse ist,
– dass wir bald digitale Unsterblichkeit erreichen, indem wir ›unseren Geist in die Cloud hochladen‹ (›Mind Uploading‹),
– dass ›Künstliche Intelligenz‹ (KI) Maschinen hervorbringen wird, die intelligenter als Menschen sind, und
– dass KI die meisten Menschen gesellschaftlich überflüssig machen wird, da Maschinen deren Arbeit übernehmen werden, oder
– dass die KI auch einen eigenen Willen entwickelt und die Menschheit beherrschen wird – Elon Musk spricht von ›AI overlords‹ –,
– dass wir bereits heute in der Lage sind, das biologische Geschlecht erwachsener Menschen genetisch neu zu programmieren, und
– dass der Mensch in der Lage ist, geophysikalische Eigenschaften der Erde vollständig zu modellieren, vorherzusagen und technisch zu manipulieren – und sich so eine Erde nach seinen Vorstellungen zu schaffen.
Das sind nur die wichtigsten transhumanistischen Vorstellungen.

Warum ist all dies unwissenschaftlich? Und warum glauben trotzdem so viele – auch intelligente Menschen wie der Milliardär Elon Musk – daran? Was sind die Wurzeln und Ziele dieser Bewegung? Wir werden diese Fragen in umgekehrter Reihenfolge beantworten.

Was sind die transhumanistischen Ziele?

Es gibt zwei Gruppen von Transhumanisten. Die erste Gruppe betrachtet den Transhumanismus als die ultimative Form der Selbstverwirklichung, die es angeblich ermöglicht, den biologischen Grenzen seines Körpers zu entfliehen – zumindest bestehe die Möglichkeit für diejenigen, die sich die extrem kostspielige vermeintliche Selbstoptimierung leisten können. Ein Transhumanist wie Martine Rothblatt, der einen männlichen Chromosomensatz (XY Karyotyp) besitzt, sich aber äußerlich zu einer Frau umgestalten ließ, glaubt, dass die Selbstdefinition des eigenen Geschlechts nur der erste Schritt auf dem Weg zur Heilung von Krebs sowie anderen tödlichen Krankheiten bis hin zur digitalen Unsterblichkeit sei. Mit diesem Ziel verknüpft, aber weniger prominent ist die Auffassung, dass der Transhumanismus die Idee umfassender Ergebnisgleichheit bei sozialen Prozessen hervorbringen wird. Sie steht in der Tradition des Ideals der französischen Aufklärung, die Gleichheit per Gesetz bewirken wollte. Dies steht im krassem Gegensatz zu dem Ideal protestantischer Aufklärung von der Gleichheit vor dem Gesetz, der Isonomie, die in Schottland formuliert wurde und sich dann bis zu Hegel, dem Kritiker und Endpunkt der deutschen Aufklärung, ausbreitete. Mit diesem ideologischen Aroma hat der Transhumanismus emanzipatorischen Charakter und knüpft ideengeschichtlich an den Abolitionismus, d.h. den Kampf gegen die Sklaverei im 19. Jahrhundert, oder die feministische Emanzipation, an. In seiner radikalen Ausprägung verfolgt der Feminismus die Idee, die beiden biologischen Geschlechter müssten in jeder Hinsicht als gleich angenommen werden. Diese Vorstellung ist mit der biologischen Natur des Menschen nicht vereinbar.

Anhänger der ersten Transhumanisten-Gruppe glauben daran, dass alle Menschen durch transhumanistische Technologie so veränderbar sind, dass Ergebnisgleichheit erreicht werden könne. Wir werden in den letzten zwei Abschnitten verstehen, dass sich keine dieser Hoffnungen erfüllen kann.

Die zweite Gruppe plant, den Transhumanismus als Mittel zur Machtausübung einzusetzen – ganz im Geiste von Aldous Huxleys Schöner neuer Welt, in der er die technische Entwicklung menschlicher Klassen von Alpha bis Epsilon in künstlichen Inkubatoren beschreibt, deren Angehörige durch das Zuchtverfahren geplante Eigenschaften erhalten. Aus Sicht dieser Gruppe sollen implantierte Sensoren oder molekulare Effektoren – z.B. zur rhythmischen Abgabe von Medikamenten in das Kreislaufsystem – sowie genetische Manipulation die physische Kontrolle und Veränderung der Individuen ermöglichen. Dadurch sollen die Massen steuerbar gemacht werden. Zusätzlich sollen durch die Entwicklung sogenannter intelligenter Roboter die meisten Menschen überflüssig gemacht werden, wie Yuval Harari es beschreibt. Ihm zufolge wird in der Zukunft nur eine kleine Elite von Supermenschen benötigt. Zudem nimmt er an, dass Technologie genutzt werden kann, um den Willen der Masse zu lenken und zu leiten.

Wir werden noch sehen, dass Technologie zwar eingesetzt werden kann, um Massen kulturell zu beeinflussen, dass es aber nicht möglich ist, sie durch Technologie psychisch und physisch vollkommen zu kontrollieren. Möglich sind allenfalls chronische Vergiftung und Suchterzeugung, Überwachung und Kontrolle oder Ablösung menschlicher Arbeitskraft durch Maschinen. Dies sind aber keine neuen Phänomene, sie begleiten uns seit der Urbanisierung der Menschheit.

Verbunden mit dem Transhumanismus als Herrschaftsideologie ist auch die Idee, das transhumanistische Narrativ zur Ausübung kultureller Macht zu nutzen, um Zukunftsängste zu erzeugen. Dies erleben wir etwa bei den Narrativen zum Klimawandel oder zu Pandemien. Das ist bislang auch die weitaus größte Auswirkung, die der Transhumanismus hat. Doch wird diese Wirkung nachlassen, wenn die Unrealisierbarkeit des transhumanistischen Projektes und sein unwissenschaftlicher Charakter erkannt werden und die kulturellen Voraussetzungen der grassierenden kollektiven Angst im Westen vergehen. Wie wir sehen, haben beide genannten Angstnarrative in den Entwicklungsländern kaum Nachhall, weil dort die kulturellen Voraussetzungen fehlen, die für uns charakteristisch sind.

Was sind die kulturellen Wurzeln des Transhumanismus?

Der Transhumanismus speist sich aus mehreren kulturellen Quellen: 1. Selbstverwirklichung, eine Idee, die ursprünglich in der italienischen Renaissance entwickelt, von Herder weiter ausgearbeitet und dann im Rahmen der Aufklärung popularisiert wurde. Sie ist als Massenideologie ab dem Ende des 19. Jahrhunderts zu einer Haltung hedonistischen Konsumismus verkommen,
1. Emanzipation im Geiste der französischen Aufklärung,
2. Cartesianismus und Neopositivismus,
3. postmoderner Anti-Rationalismus, und
4. Eugenik.
Wir werden jeden dieser Punkte der Reihe nach vorstellen.

Erstens: Selbstverwirklichung

Der Begriff der Selbstverwirklichung wurde ursprünglich von Giovanni Pico della Mirandola und anderen Philosophen der italienischen Renaissance entwickelt. Es war ein Programm der kulturellen Eliten, welches das volle Potenzial der Persönlichkeit auszuschöpfen trachtete und mit der Entdeckung des modernen Individuums aufkam. Das Individuum wurde in erster Linie als auf sich selbst bezogen angenommen mit der Aufgabe, die eigene Kultur, Wissen und Erlebnisse zu maximieren. Im 18. Jahrhundert entwickelte der deutsche evangelische Theologe Johann Gottfried Herder dieses Programm für jedermann weiter – allerdings so, dass es mit dem Christentum vereinbar war. Selbstverwirklichung sollte sich im Einklang mit der Freiheit des Christenmenschen vollziehen, der nach Luther ›freier Herr über alle Dinge und niemandem untertan‹ und gleichzeitig ›dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan‹ ist.

Im 19. Jahrhundert, als die Junghegelianer das moderne Individuum von Gott trennten, formulierte einer von ihnen, Max Stirner, in seinem Buch Der Einzige und sein Eigentum ein radikales Programm der Selbstverwirklichung. Er erklärte, dass jeder Mensch sein eigener Gott sei und seine eigene Einzigartigkeit besitze.

Die westliche Bourgeoisie entwickelte im Laufe des 19. Jahrhunderts ein romantisches Programm der Selbstverwirklichung, das zu einer umfassenden sozialen Bewegung der Oberschicht führte. Allerdings wurde ihr subjektivistischer Charakter bald offenkundig. Martin Heidegger, einer der Väter des zeitgenössischen Anti-Rationalismus, betrachtete diese Bewegung als eine Form des »Subjektivismus [...], auch den, der sich am gefährlichsten versteckt im Kult der Persönlichkeit«. Er sah auch eine Verbindung zum Globalismus, den er »Planetarismus« nennt. Er bemerkte, dass der »planetarische Imperialismus« – damit meinte er die US-geführte Globalisierung seit den 1930er Jahren im »in der Seinsvergessenheit versunkene[n] Subjektivismus« kulminiere. In einem ähnlichen Kontext bezeichnete er den westlichen Subjektivismus als »Herrschaft des Man« (M – a – n großgeschrieben), womit die Herrschaft eines standardisierten, seelenlosen Typus von neuem Mensch gemeint ist.

Michel Foucault, der heute meistzitierte Denker der Postmoderne, ist wie seine Hauptquellen Bataille, Marx und Heidegger meist keine wesentliche Quelle valider Erkenntnis. Treffend charakterisiert er diesen kulturellen Megatrend jedoch als »kalifornischen Selbstkult«. Später beschrieb Charles Taylor diese kulturelle Entwicklung in seinem Buch The Ethics of Authenticity über das Thema als »Pseudo-Authentizität«. All diese Philosophen haben begriffen, dass die Pseudo-Selbstverwirklichung nur eine Form des Konsumismus ist, bei der das trivialisierte Ideal der Selbstverwirklichung, nämlich die Verwirklichung des Potenzials einer Person zur Konsumhaltung verkommt. Es wird auf seine Auswahl von Gütern und Dienstleistungen reduziert, die von der westlichen Megamaschine produziert werden.

Mit diesem Begriff beschreibt Lewis Mumford die auf Kapitalakkumulation und Machtausübung ausgerichtete Produktions- und Vergesellschaftungsweise des oligopolistisch organisierten Kapitalismus der USA, den er in den 1920er Jahren beobachtete. Dieser hat sich nach einem Rückschlag in den 1930er und 1940er Jahren in der Nachkriegszeit in globaler Form neu ausdifferenziert. In dieser Gesellschaft erreicht im Transhumanismus die Idee der Selbstverwirklichung ihren Höhepunkt. Transhumanisten sind der Überzeugung, dass wir unseren gesamten Körper und unsere geistige Existenz so vollständig umformen können, dass wir das Potenzial unserer Persönlichkeit maximieren. Rothblatt, der in Kalifornien lebt, ist ein perfektes Beispiel für diese Ideologie.

Zweitens: Emanzipation

Emanzipation ist eine Idee, die der französischen Aufklärung entspringt und ein Moment enthält, das der Aufklärung in protestantischen Ländern wie Großbritannien, den Niederlanden, den deutschsprachigen Ländern sowie Skandinavien fremd war: die Gleichheit des Ergebnisses des Vergesellschaftungsprozesses, die égalité. Die wesentlichen Ideen der protestantischen Aufklärung sind hingegen die Autonomie und Würde des Individuums, seine Freiheit und Rechte und die Gleichheit vor dem Gesetz. Diese führen zu einer Vorstellung von der bürgerlichen Gesellschaft, die auf diesen Ideen fußt, nämlich einem Staat, der die Herrschaft des Gesetzes und der Isonomie anerkennt, schützt und so demokratische Teilhabe ermöglicht.

In der französischen Tradition entstand auch der Gedanke, ein säkulares Paradies auf Erden zu erschaffen, in dem die soziale Gleichheit herrsche. Diese Idee wurde von Étienne-Gabriel Morelly in seinem 1755 erschienenen Werk Code de la Nature entfaltet, das als das erste kommunistische Manifest überhaupt gelten kann. Er propagiert darin die Errichtung eines Staates, der alles besitzt und Güter und Leistungen verteilt, so dass vollständige Gleichheit und soziale Gerechtigkeit hergestellt werden. Morellys Ideen beeinflussten Jean-Jacques Rousseau, der die volonté de tous (den ›Willen aller‹, eine demokratischen Teilhabe von unten im Kontext der Schottischen Aufklärung) von der volonté générale (dem ›Gemeinwillen›) unterschied. Der Gemeinwille geht zumindest in der weiteren ideengeschichtlichen Rezeption (Robespierre, Marx/Engels, Lenin, Stalin) von einer elitären Oligarchengruppe aus und soll durch Überwachung und Steuerung der Gesellschaft umgesetzt werden, um ein höheres Ziel, das die Oligarchen definieren, zu erreichen.

Der Begriff der Emanzipation, wonach Menschen von unterdrückenden Machtstrukturen befreit werden müssen, indem traditionelle Herrschaft beendet wird, war ungeheuer wirkmächtig in der Französischen Revolution, und später im Feminismus, aber auch in den antirassistischen Bewegungen. Die Idee der Emanzipation hat einen vollauf berechtigten Kern. Beim Abolitionismus – der Bewegung zur Abschaffung der Sklaverei – ist das offenkundig. Die Idee wird allerdings dann problematisch, wenn die angestrebte Befreiung sich mit dem Vorhaben verbindet, eine von Grund auf neue und bessere Gesellschaft mit neuen sozialen Normen zu entwerfen, wie es der französische Revolutionär François Noël Babeuf beabsichtigte. Es dauerte nicht lange, bis Edmund Burke und Georg Wilhelm Friedrich Hegel dies erkannten und darauf hinweisen, dass eine stabile Gesellschaft nur möglich sei, wenn sich soziale Normen spontan entwickeln und durch Sozialisation erlernt und befolgt werden.

Der Transhumanismus enthält die Vorstellung, dass technische Manipulation der menschlichen Natur uns von der Last unserer physischen Existenz befreien und unsterblich machen könne. Diese säkularisierte Eschatologie zielt auf die vollständige Abwesenheit von Beschränkungen, die uns durch die Natur oder die Gesellschaft auferlegt sind, ab. Die Gesellschaft ist jedoch das natürliche System des menschlichen Zusammenlebens, das sich aus der menschlichen Natur durch die Interaktion von Individuen in großen Gruppen entwickelt.

Die Befreiung von den Fesseln der Natur gehört zum Selbstverwirklichungsaspekt des Transhumanismus. Ebenso glauben Transhumanisten auch, es sei eine auf Technologie fußende soziale Emanzipation möglich. Diese Auffassung ist völlig losgelöst von einer realistischen Betrachtung menschlicher Anthropologie, da es menschliche Gesellschaften, in denen alle Menschen gleiche Ergebnisse erzielen, nicht geben kann.

Das letzte emanzipatorische Versprechen, das durch Technologie realisiert werden sollte, wurde in den 1990er Jahren propagiert: die Idee vom freien Internet, das die Menschheit vereine und neue Modelle der Teilhabe ermögliche. Heute hat sich das Internet zu einem Instrument entwickelt, das zu kommerzieller Datensammlung und -verwertung, Massenüberwachung, Propaganda, politischem Ausschluss und Zensur genutzt wird. Vom emanzipatorischen Gehalt ist nur noch an den Rändern des Internets etwas geblieben, und dieser Bereich wird heute oftmals im Rahmen einer Zusammenarbeit staatlicher Institutionen und privatwirtschaftlicher Akteure eingeschränkt und zensiert, wie der Skandal um die Zensur von Inhalten der Plattform Twitter zeigt.

Drittens: Cartesianismus und Neopositivismus

Der Cartesianismus hat viele Facetten. Der Aspekt, der hier für das Verständnis des Transhumanismus relevant ist, ist die Auffassung, dass Menschen die Welt systematisch beschreiben, verstehen und formen könnten, indem sie sich der Mathematik und der auf ihr basierenden Wissenschaften bedienten. René Descartes versteht die gesamte Welt als Mechanismus, der mathematisch abbildbar ist und so verständlich und formbar gemacht werden kann. Wesentliche Vertreter des Cartesianismus im 18. und frühren 19. Jahrhundert sind Joseph-Louis Lagrange, Julien Offray de La Mettrie und Pierre-Simon Laplace. Lagrange war ein mathematisches Genie und entwickelte eine außerordentlich elegante mathematische Formulierung der Newtonschen Gesetze. Wie die britischen Naturwissenschaftler Robert Boyle und Robert Hooke glaubte er, dass die Gesetze der Physik »von Gott in das Buch der Natur eingeschrieben« seien und nur auf unsere Entdeckung warteten, was die Aufgabe der Wissenschaft sei. La Mettrie, ein Zeitgenosse Lagranges, war ein entschiedener Materialist und betrachtete den Menschen als Maschine. Laplace, der eine Generation später wirkte, war der Ansicht, dass, wenn wir alle physikalischen Größen der Welt messen könnten, es uns möglich wäre, ein gigantisches System von Differentialgleichungen aufzustellen. In dieses könnten wir theoretisch alle Messwerte einzufügen, um so die Zukunft zu berechnen. Diese Auffassung wurde später als Laplacescher Dämon bezeichnet.

Wissenschaftler mit einer größeren Urteilskraft als die französischen Wissenschaftsutopisten erkannten dies als unmöglich. Kant sagte in der Kritik der Urteilskraft, die ein halbes Jahrhundert nach La Mettries Buch Der Mensch als Maschine erschien, folgendes:

»Es ist nämlich ganz gewiss, dass wir die organisierten Wesen und deren innere Möglichkeit nach bloß mechanischen Prinzipien der Natur nicht einmal zureichend kennenlernen, viel weniger uns erklären können; und zwar so gewiss, dass man bereits sagen kann, es ist für einen Menschen ungereimt, auch nur einen solchen Anschlag zu fassen, oder zu hoffen, dass noch etwa dereinst ein Newton aufstehen könne, der auch nur die Erzeugung eines Grashalms nach Naturgesetzen, die keine Absicht geordnet hat, begreiflich machen werde: sondern man muss diese Einsicht den Menschen schlechterdings absprechen.«

Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurde es in der Tat offensichtlich, dass Kant recht behalten sollte. Die klassische Physik, also Mechanik und Elektromagnetismus, stieß auf Probleme, die nicht in dem ursprünglich von Newton, Leibniz und Euler definierten theoretischen Rahmen gelöst werden konnten. Viele Philosophen begriffen frühzeitig, dass es unmöglich ist, die Natur so abzubilden und zu formen, wie es sich die Anhänger des Cartesianismus erhofften. Vermutlich war Giambattista Vico der erste, der dies bereits im 17. Jahrhundert erkannte, aber andere – von Herder bis Max Scheler, der den Cartesianismus für tot erklärte – folgten ihm.

Als durch die Entwicklung der Quantenmechanik erwiesen war, dass mathematische Modelle der Teilchen die gemessenen Phänomene nicht erklären können und nur zu stochastischen Abbildungen der Realität führen, gaben auch viele Physiker den Cartesianismus auf. Die Theorie komplexer Systeme, die sich aus der Thermodynamik und der Chaostheorie entwickelte, verdeutlichte jedem Physiker, dass unsere Modelle zwar hervorragend geeignet sind, um das Verhalten sehr eingegrenzter Systeme zu beschreiben und darauf gründende Technologie zu entwickeln. Allerdings wurde es den Physikern auch klar, dass wir nicht in der Lage sind, komplexe Systeme mathematisch abzubilden. So sagte Heisenberg einmal, wenn er in den Himmel käme, könne Gott ihm sicherlich die Relativität erklären, nicht aber die Turbulenz. Dies ist ein ubiquitäres, banales Phänomen, das beim Rühren in einem Teeglas genauso auftritt wie beim Wehen des Windes durch den Sand oder dem Fluss des Blutes in unseren Arterien. Wir können dieses Phänomen mathematisch nicht beschreiben. Diese Unmöglichkeit der vollständigen mathematischen Beschreibung komplexer Systeme gilt nicht nur für belebte Systeme wie den berühmten Grashalm des Genies aus Königsberg. Vielmehr können wir auch unbelebte komplexe Systeme wie das Wetter oder das Klima nur schlecht oder gar nicht mathematisch modellieren. Beispielsweise können wir den Aufbau einer Gewitterwolke, aus der sich ein Blitz löst, aufgrund der Ladungsdifferenz in etwa mit einem Kondensator vergleichen. Doch verstehen wir nicht, wie das Gewitter entsteht und genau abläuft, wir können es nicht vollständig mit Naturgesetzen beschreiben. Die Naturgesetze können die Wirklichkeit nur in idealen Situationen oder bei technischen Aufbauten und Geräten beschreiben und erklären. Noch viel schlechter ist es uns möglich, komplexe Systeme über die Zeit zu beschreiben, wie etwa die Entwicklung des Klimas.

Dies liegt daran, dass sie Eigenschaften haben, die sich nicht mathematisch abbilden lassen: Sie sind unter anderem evolutionär, was bedeutet, dass sie spontan nicht nur neue Eigenschaften, sondern auch neue Eigenschaftstypen und durch Wechselwirkungsüberlagerung auch neue Interaktionstypen herausbilden können. Sie sind nicht ergodisch, was bedeutet, dass man niemals Stichproben ziehen kann, mit deren Hilfe man die Verteilungen der Zustände, die sie hervorbringen, verlässlich abschätzen kann. Dies zeigen derart erzeugte Sprachmodelle wie ChatGPT sehr anschaulich. Sie sind getrieben, was bedeutet, dass sie von Energie durchflossen sind und diese auf chaotische Weise in andere Formen umwandeln – wie beispielsweise kinetische Energie in Wärme bei der Turbulenz. Diese und andere Eigenschaften kennen Physiker sehr genau, und an diesen Eigenschaften liegt es, dass uns allenfalls partielle Modelle komplexer Systeme möglich sind.

Doch obwohl der Cartesianismus aus der Perspektive der Philosophie und der mathematischen Physik tot ist, bleibt er als treibende Kraft unserer Kultur erhalten. Das wird daran deutlich, dass so viele Ingenieure, Unternehmer, Mediziner, Geisteswissenschaftler und Politiker weiterhin an den Cartesianismus glauben. Sie sind von dieser Idee überzeugt, da sie die Physik nicht oder nur unzureichend verstehen und durch die großen Erfolge geblendet sind, die die Physik und ihre Anwendungen in den letzten drei Jahrhunderten erringen konnten.

Eng verbunden mit dem Cartesianismus ist der Neopositivismus, dessen Grundlage der Positivismus ist. Dieses Gedankengebäude, das laut Max Scheler gar keine Philosophie, sondern eine Ideologie ist, wurde maßgeblich von Auguste Comte, der den Begriff prägte, entwickelt. Die Grundannahme des Positivismus ist, dass alle wahren Aussagen, die wissenschaftliche Erkenntnisse ausmachen, auf empirischen Daten basieren müssen, die durch unabhängige Beobachtungen und Experimente verifiziert werden können. Diese Vorstellung liegt in der englischen Tradition des Empirismus, der bis Aristoteles, Francis Bacon, John Locke und bis zur Schottischen Aufklärung zurückreicht. Der Empirismus wurde von David Hume im englischsprachigen Raum gewissermaßen kanonisiert. Als Quellen der Wissenschaft sind demnach nur Erfahrung und ihre Überprüfung durch sinnlichen Eindruck, Beobachtung oder Experiment zulässig. Daher gibt es weder eine valide religiöse noch metaphysische Erkenntnis. Der Positivismus ist eng verbunden mit der teleologischen Vorstellung notwendigen Fortschritts der Menschheit, einer säkularen (post-christlichen) Eschatologie. Comte glaubte, dass es eine zwangsläufige Bewegung hin zu einer wissenschaftlich fundierten Universalkultur gebe, die der Menschheit zu einer Überwindung der aktuellen trostlosen Zustände verhelfe. Er gründete die säkulare positivistische ›Religion der Menschlichkeit‹ (église positiviste) für ›positivistische Gesellschaften‹. Diese neue Religion sollte die vergemeinschaftende Funktion traditioneller Religionsausübung übernehmen.

Obwohl Scheler den Positivismus als Ideologie verwarf, wurden dessen Annahmen als logischer (bzw. Neo-) Positivismus in den 1920er Jahren vom Wiener Kreis neu belebt. Die Bewegung scheiterte zwar philosophisch, aber die Ideen des Positivismus überleben im Transhumanismus und dessen teleologischen Annahmen. Ein wesentliches Merkmal sowohl des Cartesianismus, als auch des Positivismus, das der Transhumanismus aufgreift, ist der Glaube daran, dass eine Veränderung der menschlichen Natur durch Technologie machbar sei, indem man mathematische Modelle benutzt.

Viertens: Eugenik

Die Ideen der Eugenik gehen auf Arthur de Gobineau und Herbert Spencer zurück. In den 1920er Jahren wurde die Eugenik in den Vereinigten Staaten und Großbritannien zu einer politischen Bewegung, an der sich zeitweise auch Geistesgrößen wie H.G. Wells und George Bernard Shaw beteiligten, die im Sinne des Lamarckismus eine beschleunigte kulturelle Evolution anstrebten. Sie erhofften sich, dass sich in einer Generation durch Bildung oder Indoktrination erlerntes kulturelles Wissen genetisch weitergeben ließe. Viele krudere Eugeniker, darunter auch Darwinisten, träumten von einer kontrollierten Zucht menschlicher Individuen zur Verbesserung der Bevölkerung. Im Mittelpunkt dieses Denkens steht die Annahme, dass Genome von Individuen einer Population (ihr genetisches Material) verbessert werden sollten, um so eine bessere genetische Qualität der Individuen und damit eine insgesamt bessere genetische Qualität der Population zu erreichen. Die Erfolge, die bei der landwirtschaftlichen Tier- und Pflanzenzucht erreicht werden konnten, befeuerten die Eugenik. Die Gesetze der monogenetischen Vererbung wurde erstmals von Gregor Mendel erkannt, jedoch schon seit Jahrtausenden systematisch zur Optimierung landwirtschaftlicher Lebensformen nutzbar gemacht. Auf den Menschen sind diese Einsichten selbst aus rein biologischer Sicht allerdings schlecht anwendbar. Da sogar einfache, grundlegende menschliche Merkmale wie etwa Körpergröße omnigenetische Vererbungsmuster aufweisen, indem nahezu das gesamte Genom für die Eigenschaft kodiert und nichts über die genetische Verursachung komplexerer Eigenschaften wie Intelligenz oder emotionale Stabilität bekannt ist, können eugenische Programme nicht einmal in der Theorie erfolgreich sein. Jede Bestrebung, eugenische Programme umzusetzen, wie es die Nazis in den 1940er Jahren betrieben haben, ist zutiefst inhuman und böse. Dennoch ist der Transhumanismus voller Phantasien, die Menschheit durch genetische Manipulation zu optimieren. Beispielsweise spielt der Transhumanist Nick Bostrom in seinem Buch Superintelligence in Unkenntnis der Genetik komplexer Eigenschaften die Züchtung hyperintelligenter Menschen durch.

Postmoderner Anti-Rationalismus

Der Transhumanismus enthält einen zutiefst anti-rationalen Aspekt. Postmoderne Protagonisten wie Jacques Derrida, Michel Foucault oder Judith Butler weisen die Auffassung zurück, dass es ein verlässliches Wissen über die Welt gibt. Wie ihre Vorläufer Pyrrhon von Elis oder Sextus Empiricus sind sie der Auffassung, dass es möglich sei, jede beliebige Aussage für wahr oder falsch zu halten, je nachdem welcher Interpretationskontext eingenommen werde. Sie halten die menschliche Sprache daher nicht für wahrheitsfähig, sondern Sprechakte für einen in vielen Schattierungen auftretenden Ausdruck der Machtausübung oder der Unterwerfung. Sprache wird ausschließlich im Kontext der Machtverhältnisse zwischen Menschen verstanden. Obwohl Sprache natürlich oftmals auch ein Ausdruck von Machtzusammenhängen ist, kann die Vorstellung, dies sei die Hauptfunktion der Sprache, nur als absurd angesehen werden. Sicherlich liegt der Ursprung der Entwicklung menschlicher Sprache als Handlungsweise in der Kooperation kleiner Gruppen. Wegen der postmodernen verengten Sicht der Sprache müssen jedoch alle Äußerungen aus einer Machtperspektive interpretiert werden.

Dieser vom Kulturmarxismus informierte Antirationalismus lehnt die klassischen abendländischen Wahrheitsbegriffe der Korrespondenz und Konsistenz ab. Wahr ist nicht mehr eine Aussage, die mit den Tatsachen der Wirklichkeit übereinstimmt, wie bei Aristoteles und Kant. Eine Theorie ist nicht mehr wahr, wenn ihre Einzelaussagen in diesem Sinne wahr und zusätzlich untereinander widerspruchsfrei sind. Sondern wahr ist nach Habermas und seinen postmodernen Kollegen, was Konsens der Diskursteilnehmer ist. Dies ist das implizite Wahrheitsmodell der Münsteraner Wiedertäufer, der volonté générale bei Rousseau, der Jakobiner, der Bolschewisten, der Nationalsozialisten und der heutigen postmodernen Westmarxisten.

Aus ihrem Antirationalismus und dem Streben nach interindividueller Ergebnisgleichheit sozialer Prozesse ergibt sich ihr Programm. Es besteht unter anderem in folgenden Ideen und politischen Forderungen:

1. Das biologische Geschlecht zu überwinden und durch das soziale Geschlecht zu ersetzen, das frei gewählt werden könne. Dabei wird nicht nur die biologische Realität der geschlechtlichen Fortpflanzung negiert, die in der Evolution durch die meiotische Rekombination der Elterngenome einen gewaltigen Sprung an evolutionärer Flexibilität und Funktionalität ermöglicht hat. Sondern es wird vor allem auch die soziale Funktion der Geschlechter bei der Vergemeinschaftung und Vergesellschaftung negiert.

2. Rassen zu überwinden durch die Erklärung, sie existierten nicht, was dazu führt, dass genetische Unterschiede zwischen den menschlichen Rassen viel stärker wirksam werden und viel schlechter durch gesellschaftliche Maßnahmen ausgeglichen werden können – mit anderen Worten, genetische Vor- und Nachteile viel stärker zu einer Ausdifferenzierung und Hierarchisierung der Gesellschaft beitragen, also dem Ziel der Emanzipation entgegenwirken.

3. Kulturelle Identitäten und soziale Normen zu überwinden durch die Behauptung, sie seien bloß Strukturen der Unterdrückung. Stattdessen sollen rational erdachte Normen beschrieben und sozial implementiert werden. Wie Schiller, Burke, Hegel und viele andere Kritiker der Aufklärung schon um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert erkannten, führt die Unterdrückung etablierter sozialer Normen und archaischer Verhaltensmuster nicht etwa zu einer besseren Welt, wie sich das französischen Aufklärer erträumt hatten, sondern zu Gewalt und Chaos. Ein wichtiges Beispiel dafür ist die Tendenz westlicher Gesellschaften, den fundamentalen Unterschied zwischen eigen und fremd zu negieren.

4. Die Gleichsetzung der Wertigkeit von Mensch und Tier. Während es seit Beginn der historischen Existenz vor 5000 Jahren immer klar war, dass der Mensch sich in Maßen der Schöpfung zur Erfüllung seiner Bedürfnisse bedienen kann, erleben wir seit Mitte der 1970er Jahren mit dem Erscheinen von Peter Singers Buch Animal Liberation eine Pseudoemanzipation der Tiere zu Lasten des Menschen, die beispielsweise in den USA jüngst zu einer fatalen Abschaffung der Tierversuchspflicht bei der Arzneimittelentwicklung geführt hat. Doch können Tiere gar nicht emanzipiert werden, da sie keine Rechtssubjekte sind. Dies ist für den Antirationalismus nicht relevant.
Alle diese Kennzeichen des postmodernen Anti-Rationalismus haben den emanzipatorischen Flügel des Transhumanismus stark beeinflusst.

Die Irrationalität des Transhumanismus

Der Transhumanismus ist anti-rational, weil er von der Anwendung wissenschaftlicher Methoden auf Systeme phantasiert, die durch mathematische Physik, Chemie oder Biologie nicht so abbildbar sind, wie die Transhumanisten es sich vorstellen. Wir wollen uns nun den Kernphantasien der Transhumanisten zuwenden und mit der Eugenik beginnen.

Wir können unser Geist-Körper-Kontinuum nicht neu programmieren. Denn wir können nicht abbilden, wie die phänotypischen Eigenschaften, die wir verändern möchten, von unserem Genom, aber auch vom nicht-genetischen Zellmaterial, das wir von Blastozysten sowie der embryonalen und fötalen Entwicklung ererben, hervorgebracht werden. Denn wie oben aufgezeigt entziehen sich diese hochkomplexen Zusammenhänge, an denen in jeder einzelnen unserer 100 Billionen (10hoch14) Zellen hunderttausende verschiedene Moleküle beteiligt sind. In der Medizin gibt es zwar viele Beispiele für Technologien, die erfolgreich körperliche Eigenschaften verändern. Doch richten sich diese nur auf Teilsysteme oder mechanische Aspekte des Körpers. Orthopädie, Chirurgie und Anästhesie, die auf einfachen Prinzipien beruhen, beherrschen wir bei groben oder mittelgradigen Schäden schon sehr gut, weitere Fortschritte bei der Prothetik sind sehr gut absehbar. Doch je komplexer das Krankheitsgeschehen wird, desto weniger können wir es verstehen oder therapeutisch beeinflussen. In der Onkologie, Immuntherapie oder Psychiatrie arbeiten wir lediglich mir heuristischen Verfahren, die nur bei einem Teil der Patienten wirksam sind. Warum und wie sie wirken, verstehen wir nur teilweise oder gar nicht. Heilung, für die wir das komplexe Geist-Körper-Kontinuum als Ganzes verstehen und abbilden müssten, um es zu manipulieren, steht uns meist nicht zur Verfügung. Das ist der Grund, warum es weder eine Heilung für bösartige solide Karzinome (Krebs), noch für Schizophrenie oder Alzheimer-Krankheit gibt. Wir können nicht einmal ein Genom manipulieren, um die Körpergröße zu erhöhen, obwohl dies für grundlegende Eigenschaften bei Tieren durch Züchtung möglich ist. Schon Ambroise Paré, einer der Erfinder der modernen Chirurgie, ordnete daher Mitte des 16. Jahrhunderts der Medizin die folgenden Funktionen zu: Manchmal heilen, oft lindern, immer trösten.

Die anderen Phantasien des Transhumanismus sind ebenso naiv und absurd wie die eugenischen Erwartungen. Wir können keine Cyborgs erzeugen, da wir keine wirklich effektiven Schnittstellen zu unserem sensorischen System bauen können. Denn die Modelle der neuronalen Systeme, die wir haben, sind viel zu oberflächlich und unvollständig dafür. Das Problem ist, dass wir die Übersetzung der verschiedenen Arten von Energie, die unsere zahlreichen sensorischen Zellen erreichen, in neuronale Signale nicht genau verstehen. Obwohl das verbesserungsfähig ist, werden wir niemals in der Lage sein, mehr zu erreichen, als die afferenten Neuronen zu nutzen, die sich bereits in unserem Nervensystem befinden. Wollen wir beispielsweise, dass ein Mensch Infrarotstrahlung wahrnehmen kann, müssen wir die verschiedenen Arten des radioaktiven Zerfalls mit einem geeigneten Detektor messen und das Messergebnis dann visuell, akustisch oder taktil (beispielsweise durch Vibration) vermitteln.

Warum ist das so? Dies liegt daran, dass die sensorische Einheit von den peripheren sensorischen Zellen bis zu den Endpunkten der neuronalen Verarbeitung ein fest verdrahtetes, geschlossenes biologisches System bildet, das wir nicht ändern können: Die ersten Zellen der Wahrnehmungskette verwandeln eine Form von Energie wie Licht, Schall oder Druck in ein elektrisches Signal. Sie ist mit peripheren oder direkt mit zentralen Neuronen verschaltet, die das hochkomplexe Signal zum Gehirn weitertragen. Dort wird es nach einem evolutionär optimierten neurophysiologischen Muster verarbeitet. Dieses Muster wird vererbt und während der Embryonalentwicklung angelegt. Es wird dann durch sinnliche Wahrnehmung in den ersten Lebensjahren herausgebildet und ausgeprägt. Wir können es nicht verändern, sondern allenfalls nutzen. Wir können beispielsweise eine Brille entwickeln, die das Vorhandensein von Radioaktivität wahrnimmt und dann in ein Lichtsignal übersetzt, das in unser normales Sehvermögen integriert wird. Wir können aber unser Nervensystem nicht um ein neuronales Subsystem ergänzen, das auf die Verarbeitung von Radioaktivität spezialisiert ist. Daher können wir auch keine Brain Chips entwickeln, die unser Gehirn ergänzen. Das Gehirn und auf den Maxwellschen Gleichungen und der Quantenphysik basierende Schaltkreise sind im Wesentlichen inkompatibel. Die heute verfügbaren Neuroimplantate wie beispielsweise Kochlearimplantate können den akustischen Nerv zielführend stimulieren und werden auch weiter verbessert werden. Wir können auch Ausfälle der Basalganglien partiell durch Stimulation kompensieren, doch tiefer können wir nicht in die Physiologie des Gehirns eingreifen, weil wir sie nicht verstehen.

Ein Blick in ein aktuelles Lehrbuch der Neurowissenschaft ist in diesem Kontext sehr aufschlussreich. Es enthält fast keine mathematischen Modelle. Damit sind die Beschränkungen für technische Entwicklungen geklärt: Wir können nur technisch entwickeln, wenn wir über entsprechende mathematische Modelle verfügen, die uns erlauben, die Merkmale einer Technologie zu berechnen – obwohl die Ingenieurswissenschaft natürlich auch eine heuristische Wissenschaft ist. Aber sie basiert immer auf wissenschaftlichen Modellen. Auch wenn wir Prothesen bauen können, die grob mit dem motorischen Nervensystem verbunden werden können, so werden wir niemals in der Lage sein, die sensomotorischen Verschaltungen, die unsere bewussten und unbewussten Bewegungen steuern, in einem Detailgrad zu modellieren, der ausreicht, um Cyborgs zu bauen. Das ist auch gar nicht notwendig, da wir bereits über Schnittstellen verfügen, mit denen wir Hochpräzisions-Instrumente lenken können wie etwa Quantensensoren oder riesige Maschinen wie den Hadronenbeschleuniger oder die ISS.

Das soll nicht heißen, dass es keinen weiteren technischen Fortschritt geben wird. Aber unsere Fähigkeit, Menschen zu verändern, ist durch die Komplexität des Geist-Körper-Kontinuums begrenzt. Dies ist das komplizierteste individuelle komplexe System, das es gibt. Das gilt auch für das menschliche Denken und den Geist. Die transhumanistische Vorstellung, dass es mit Quantensensoren und KI bald möglich sei, Gedanken zu lesen, ist unsinnig. Bestimmt werden wir einst in der Lage sein , einige der Signale, die während des physiologischen Prozesses auftreten, den wir als Denken in Sätzen wahrnehmen, mit höherer zeitlicher und räumlicher Auflösung zu messen. Doch auch dann werden wir immer noch nicht verstehen können, wie die 100 Milliarden Zellen im Gehirn das Bewusstsein oder gar die propositionalen Gedanken hervorbringen kodieren. Das ist ein Prozess, in dem die beteiligten Zellen jeweils hunderttausende verschiedener Moleküle verwenden. Das gilt auch für nuancierte Emotionen, akustische, olfaktorische oder visuelle Erinnerungen und all die anderen komplexen Formen innerer Erfahrung, die wir besitzen.

Außerdem sind die transhumanistischen Träume von digitaler Unsterblichkeit unwissenschaftlich. Das Geist-Körper-Kontinuum ist eine Einheit. Wir verstehen die Prozesse überhaupt nicht, die wir als Bewusstsein oder innere Erfahrung erleben. Es ist nicht möglich, sie so umfassend abzubilden, wie es nötig wäre, um diese Prozesse auf einer Turing-Maschine zu emulieren – also einem Computer oder einem Quantencomputer der Zukunft. Denn auch ein Quantencomputer ist eine Turing-Maschine, die zwar viele Problemklassen schneller berechnen kann als ein konventioneller Rechner mit Logikgattern, doch auch sie können keine Problemklassen berechnen, die eine Turing-Maschine nicht ausrechnen kann. Und sie können als logische Systeme, die auf der uns möglichen Mathematik beruhen, auch keine komplexen System simulieren oder emulieren.

Schriftsteller wie Harari, die von der heute verfügbaren Technologie extrapolieren, um Errungenschaften transhumanistischer Technologie vorherzusagen, verstehen nicht, wie Erkenntnisse der Physik zustande gekommen sind und in den vergangenen 300 Jahren in Technologie übersetzt wurden. Sie verstehen die Grenzen der Physik und Ingenieurswissenschaften einfach nicht. Sie haben auch keine Ahnung von Biologie und deren massiver Begrenztheit. Anders ausgedrückt, ihre Vorhersagen zeigen, dass sie überhaupt kein Verständnis von Wissenschaft haben. Daher sollten uns diese Visionen auch keine Angst einjagen: sie sind bloße Phantasien. Transhumanismus ist nichts anderes als Neo-Lyssenkoismus, eine ideologische Pseudo-Wissenschaft. Lyssenko war ein sowjetischer Wissenschaftler, der eine Form des Lamarckismus vertrat. Seine wissenschaftlichen Kollegen in der UdSSR erkannten, dass er falsch lag, doch wurden sie unterdrückt und teilweise sogar inhaftiert, weil Lyssenko sich zum Günstling Stalins emporgearbeitet hatte. Lyssenkos Ideen scheiterten, nachdem seine Ideologie der Wissenschaft großen Schaden zugefügt hatte.

Auch heute erleben wir wieder eine Unterdrückung politisch unliebsamer wissenschaftlicher Ansichten, wenn auch nicht im Stil und Ausmaß der Sowjetunion unter Stalin. Dennoch gibt es einen gefährlichen Aspekt des Transhumanismus, der eine ebenso furchtbare Gefahr darstellt wie diejenige, die von der Ideologie totalitärer Systeme ausging.

Die Gefahren und das Scheitern des Transhumanismus

Solange der Transhumanismus nur eine von der Realität losgelöste Ideologie war, wurde ihm kaum Beachtung geschenkt. Die erste einschneidende Anwendung, mit der der Transhumanismus verbunden werden konnte, war der operative und hormonelle Eingriff in die äußere Erscheinung von Patienten mit transsexueller Persönlichkeitsstörung mit normalem gonosomalen Karyotyp (XX oder XY). Selbstverständlich ändern diese Eingriffe nicht die fundamentale Biologie der behandelten Person. Die Methode wird aber fälschlicherweise als ›Geschlechtsumwandlung‹ bezeichnet. Das ist nicht richtig, da nicht das Geschlecht, sondern nur die äußere Erscheinung verändert wird. Als das Verfahren in den 1960er Jahren eingeführt wurde, schien es frühen Transhumanisten, dass noch viel mehr möglich sei.

Heute werden sogenannte Geschlechtsumwandlungsverfahren an Minderjährigen eingesetzt, ohne sich ausreichend Zeit für die Diagnose einer transsexuellen Persönlichkeitsstörung zu nehmen. Diese ist selbstverständlich eine valide Indikation für solche Behandlungen. Doch die Abgabe von GnRH-Modulatoren an Kinder, um den Beginn der Adoleszenz zu blockieren, und die Durchführung von Operationen an Minderjährigen mit normalem gonosomalen Karyotyp, zeigen die Gefahr und den Nihilismus der transhumanistischen Ideologie. Der Schaden, der den Kindern zugefügt wird, ist schrecklich. Und wenn einst die kulturelle Lage, die dieses Vorgehen ermöglichte und verursachte, vorüber ist, werden die westlichen Gesellschaften darum ringen wie mit diesen Taten gesetzlich und kulturell umzugehen ist.

Ein anderes Beispiel für die Gefährlichkeit des Transhumanismus ist die COVID-Impfkampagne. Die Behandlung besteht aus der Injektion genetisch modifizierter Nukleinsäuren, entweder als modifizierte RNA, die in Lipid-Nanopartikeln enthalten ist, oder als Adenovirus-basierte komplementäre DNA. Dabei wird eine temporäre gentechnische Veränderungen der Zellen des Impflings vorgenommen, die mit erheblichen Risiken und Nebenwirkungen einhergeht, während nie ein Nutzen in prospektiven, randomisierten Doppelblind-Studien mit adäquaten Endpunkten nachgewiesen wurde.

Die Bereitschaft, Milliarden von Menschen gentechnisch zu verändern, ist ganz eindeutig mit dem Transhumanismus verbunden – es entspricht der Idee der totalen technischen Kontrolle über das Leben.

Politiker und Führungskräfte im Gesundheitswesen, die diese Programme unterstützen, glauben offenkundig an die transhumanistische Agenda. Das geht aus aktuellen Publikationen der US-Regierung hervor. Die am 12. September 2022 von der Biden-Administration erlassene Executive Order zur Biotechnologie besagt:

Wir müssen Technologien und Verfahren zur Genmanipulation entwickeln, um Schaltkreise für Zellen zu schreiben und die Biologie vorhersehbar zu programmieren, so wie wir Software schreiben und Computer programmieren; [wir müssen] die Macht biologischer Daten freischalten, auch durch Computing-Tools und Künstliche Intelligenz; und [wir müssen] die Wissenschaft der Scale-up-Produktion voranbringen und gleichzeitig die Hürden für die Kommerzialisierung abbauen, so dass innovative Technologien und Produkte schneller auf den Markt kommen.

Biologische Systeme als deterministische elektrische Schaltkreise darzustellen, die wie Computer programmiert werden können, ist außerordentlich charakteristisch für den Transhumanismus. Das Zitat veranschaulicht all die Merkmale der oben beschriebenen Ideologie. Nun hat der US Kongress sogar die Tierversuchspflicht vor der Erprobung von Pharmaka im Menschen aufgehoben. Somit können Biopharma-Unternehmen sich nun gegen die FDA, die diese Aufhebung ablehnt, vor Gericht nach US -Gesetzeslage die Durchführung von Humanexperimenten ohne vorherige Tierversuche erklagen. Bei Umsetzung würde dies zu einem massiven Anstieg der Todesfälle und Verkrüppelungen bei klinischen Studien führen. Diese Gesetzgebung ist ganz klar Ausdruck des Transhumanismus.

Der Transhumanismus ist zum Scheitern verurteilt, weil seine Ideen nicht umgesetzt werden können – sie sind technisch nicht machbar und werden den Realitätstest nicht bestehen. Die COVID-Impfkampagne oder die Abschaffung der Tierversuchspflicht veranschaulichen dies deutlich. Doch es kann gut sein, dass erst noch mehr Schaden entstehen muss, ehe dieses Scheitern für die Gesellschaft in ihrer Gesamtheit offenkundig wird und wir uns vom Transhumanismus verabschieden.

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