von Friedrich Förster
Es gibt für alle Fehlentwicklungen und drohenden Katastrophen auf der Welt, durch die zunehmende Verbreitung der sozialen Netzwerke inzwischen nahezu in jedem Winkel, zeitnahe Alarmmeldungen und Maßnahmen, sich dieser anzunehmen. Wir wissen, wissenschaftlich gestützt, von Prozessen auf dem ganzen Globus und können diese mit empirisch und statistisch abgesicherten Daten darstellen, darüber diskutieren, uns eine Meinung bilden und schließlich an einer Lösung arbeiten.
Andererseits gibt es Fehlentwicklungen auch in unserem Land, die bekannt sind und trotz besseren Wissens nicht angegangen werden. Eine dieser Fehlentwicklungen ist eine sich verschärfende, dramatische demografische Schieflage, die man Katastrophe nennen kann. Dieser Misstand ist über Jahrzehnte erforscht, in Studien erfasst, statistisch ausgewertet und interpretiert, amtlich bestätigt sowie mit zahllosen Quellen belegt. Leider scheinen sich jedoch weder Bundespolitik noch Wirtschaft darum zu sorgen, und Teile der Wissenschaft präsentieren die Problemlösung noch vor der eigentlichen Analyse.
von Ulrich Schödlbauer
Zum ersten Mal, soweit ich zurückdenke, bin ich aus einem Levitationstraum erwacht. Offenbar befand ich mich auf einer Gerüst-Plattform von der Art, wie sie Maurer benützen (undeutlich glaube ich mich zu erinnern, dass es an der Berliner Mauer eine Besucherplattform gab, von der aus man als West-Tourist, ebenso gleichgültig wie misstrauisch von einem DDR-Grenzposten aus nächster Nähe beäugt, in den Ostteil der Stadt blicken konnte), und plötzlich war die Plattform weg. Ich stand dort noch eine Weile in der Luft herum, unschlüssig, wie die Situation zu Ende gebracht werden könne. Irgendwann hatte ich wieder Boden unter den Füßen und bemerkte ein gewisses journalistisches Interesse an meinem Fall. »Sieh an«, dachte ich, »es gibt sie also noch, die Westpresse.« Und zweifelnd kehrte ich in die andere Wirklichkeit aus Reichstagstreppensturm und Reichsbürgerflaggenparade zurück.
von Philipp Bender
Falls es etwas in diesem Land gibt, das tatsächlich bunt und vielfältig ist, ohne dass es hierfür der gebetsmühlenartigen Beschwörung eines Buntheits-Vielfalts-Kitsches bedarf, dann ist es unsere Sprache. Immer wieder stößt man selbst als belesener Zeitgenosse auf Begriffe, Wendungen und Slogans, deren Bedeutung sich nicht ohne Weiteres erfassen lässt. Gehört man zu denjenigen Sprachkonsumenten, die nicht zum Heer der unkritischen Allesfresser zählen, dann hält man bei einer solchen neuen Begegnung inne, wird vielleicht neugierig und sodann motiviert, sich semantisches Neuland zu erschließen. Oder sollte ich besser sagen: zu erobern?
So erging es mir mit dem häufig anzutreffenden Ausdruck ›Whataboutism‹ bzw. seinem übleren, weil typisch teutonisch eingedeutschten Bruder ›Whataboutismus‹. Diese hatten – zumal offensichtlich von fremdsprachlicher Zunge stammend – bis vor Kurzem in meinem Wortschatz noch nicht Fuß gefasst. Vor allem im Internet kommen die Meinungsstarken offenbar nicht mehr ohne ihn aus, sei es in der Rolle des staatsalimentierten Qualitätsschreibers oder des bewegten Kommentators in den sogenannten ›Sozialen Medien‹. Wie beinahe alles, was sich als unverständlicher Anglizismus präsentiert, hat sich ›Whataboutism‹ besonders rasch in den Herzen und Köpfen der postmodernen Globalismus-Jünger breit gemacht. Gemeint sind diejenigen aufgeklärten Gewinnertypen, die die Enge national-sprachlicher Container hinter sich gelassen haben und für die die Forderung nach begrifflicher Klarheit so spießig wirkt, wie Opas Jägerzaun.
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