von Wolfgang Schütze
Sehr geehrter Herr Fenske,
Sie werden sich vielleicht nicht erinnern: In einem Leserbrief, abgedruckt in der Leipziger Volkszeitung (LVZ) am 6. Oktober 1989 unter der Überschrift »Werktätige des Bezirkes fordern: Staatsfeindlichkeit nicht länger dulden« verlangte ein Kampfgruppen-Kommandeur, dessen Name mit ›Günter Lutz‹ angegeben wurde, im Namen der Hundertschaft ›Hans Geiffert‹, notfalls auch mit Waffengewalt gegen Demonstranten vorzugehen.
Zum Glück kam es nicht dazu, unter anderem deshalb, weil der friedliche Widerstand des Volkes inzwischen so mächtig geworden war, dass die noch Herrschenden kein Blutbad a la Tieanmen-Platz persönlich verantworten wollten. Dennoch gilt der Abdruck dieses Leserbriefs als Beleg für den willfährigen Gebrauch von Massenmedien in der DDR als »kollektiver Organisator, Propagandist und Agitator«, als einer der moralischen und journalistischen Tiefpunkte der LVZ.
von Boris Blaha
Als am Abend des 24. September 2017 die Wählerstimmen erst hochgerechnet und später ausgezählt worden waren, hatte die Spitzenkandidatin der Union, Frau Dr. Angela Merkel, das schlechteste CDU-Bundestagswahlergebnis seit vierundsechzig Jahren erzielt. Lediglich bei der allerersten, unter erheblich erschwerten Bedingungen stattgefundenen Wahl von 1949 war das Ergebnis noch schlechter gewesen. Das Urteil der Wähler war unmissverständlich, aber Frau Dr. Merkel wollte und konnte es nicht verstehen.
von Markus C. Kerber
Zum Zorn über die Unterlassungen im Zusammenhang mit dem seit 2015 kaschiert insolventen Finanzdienstleister Wirecard gesellt sich das Unverständnis darüber, dass besagtes, mittlerweile insolvent gemeldetes Unternehmen immer noch zum DAX, also jenem deutschen Börsenindex, der für höchste Bonität und größte Sicherheit gegenüber Anlegern in Aktien bürgt, gehört. Ein spätkarnevalistischer Scherz?
Spät, viel zu spät regt sich nun die Politik. Die Vorsitzende des Finanzausschusses im Deutschen Bundestag will wissen, wann, wer, was wusste und warum nicht früher gehandelt wurde. Dass im Falle Wirecard zuvörderst die zuständige Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young zu Selbstzweifeln ob ihrer Prüfungsmethode Anlass hat, ist so offenkundig, dass man sich fragt, warum über die Haftung von Wirtschaftsprüfern für erkennbar falsche Testate erst heute diskutiert wird. Indessen geht die organisierte Verantwortungslosigkeit und die organisierte gegenseitige Schuldzuweisung bislang weiter.
Sämtliche Abbildungen mit freundlicher Genehmigung der Urheber. Front: ©2024 Lucius Garganelli, Serie G