von Milutin Michael Nickl
Dem Andenken des amerikanischen Pluralisten und Rhetorikers Richard McKeon (26.4.1900 - 31.3.1985) gewidmet. Er hat viel zur architektonisch-konstruktiven, systemgestaltenden Erneuerung der Rhetorik beigetragen. Intention, Selbstverständnis und Leistungen der Rhetorik stellen sich grundsätzlich als sprechtätig-vermittelte Wissensformen mit partikularisiertem und partikularisierendem Charakter dar, z.B. als »productive architectonic art« (McKeon 1971). Weder die populärwissenschaftlich-utilitaristische, noch die in mitteleuropäischen Szenarien dominierenden literarischen, philologischen oder ›kritischen‹ Rhetoriken werden diesem Grundcharakter der Rhetorik zureichend gerecht. ›Eklektisch‹ gilt wohl meist als Schimpfwort. ›Eklektisch‹ lässt sich jedoch ebenso gut konstruktivistisch-produktiv und systembildend auffassen und anwenden. In diesem Kontext werden zwei strittige Exempla generiert und kommentiert: »Journalistik als Medienrhetorik« und »hard science oder traditionelle Rhetorik?«
von Suitbert Oberreiter
Es ist schon ein wenig schauderhaft, meine ich, was man da mit der schillernden Bischöfin Kässmann aufführte, bis sie sich durch ihren Rücktritt der allgemeinen Hatz entzog. Die Argumente zu ihrer Entfernung, die dabei vorgebracht worden sind, können nichts weniger als scheinheilig gelten; stichhaltig oder überzeugend sind sie für mich jedenfalls nicht. Der Aufruhr war ja gerade so stark, als wäre die Frau mit der Kirchenkasse unterm Arm davongegangen. Und man hat sich dabei der Kleinbürgerlichkeit der Massen aufs Schamloseste bedient und die Dorfmentalität aus Wilhelm Buschs Max und Moritz für ein paar Tage wieder aufleben lassen. »Kein Kavaliersdelikt!« stand da zu lesen. Offensichtlich haben das irgendwelche Polit-Marionetten und Tintenknechte einer deutschen Abart des Berlusconi-artigen ›Denkgenies‹ inszeniert, was dort abgegangen ist. Und da wir in Deutschland eine jahrhundertealte Erfahrung mit der Leibeigenschaft haben, nimmt sich das so aus, als müsse man kleine Bauernopfer bringen, damit die Syphilis der Neuen Grafen und Degenerationsfürsten sich ungestört ausbreiten könne. Der Fall spielt wohl in die – zugegebenermaßen etwas brisantere Fälle enthaltende, aber doch – Schublade von kleinen Denkwürdigkeiten unseres Zeitalters, wie »Entlasse eine Mitarbeiterin der Firma, die sich ein Lachsbrötchen selbst verabreicht hat, aber lasse den ungeschoren, der sich mit 5 Milliarden Euro aus dem Staub macht – und finde das noch in Ordnung.«
Von Paul Mersmann der Jüngere - Grabbeau. Museum im Netz http://www.grabbeau.de, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=11186370
Als wir vor Jahr und Tag die Arbeiten des Paul Mersmann zu entdecken begannen (es waren nicht zwölf an der Zahl und etliche waren nichts weniger als herkulisch, andere dagegen unbedingt), da wussten wir nicht, auf welche Schätze wir stoßen sollten, wir ahnten es nicht einmal. Sie ruhten gut verwahrt in privaten Sammlungen, in Villen, aber auch an öffentlichen Orten, darunter so belebten wie dem Wiesbadener Bahnhofsvorplatz oder einer Marburger Mensa. Nein, sie erweckten nicht den Eindruck, als habe sie niemand bemerkt. Eher wirkten sie, als habe es niemand für nötig befunden, eigens auf sie hinzuweisen, da sie so vollständig für sich selbst sprechen, dass sich die Aufgabe eigentlich von selbst erledigt. Andererseits hatten wir nicht den Eindruck, zu früh zu kommen: schon haben sich erste Spuren der Ignoranz auf sie gelegt, Vorboten der Zerstörung durch Achtlosigkeit, möglich gemacht durch eine unfassbare Gleichgültigkeit der Kunstwelt und – inzwischen muss man auch das sagen – der Kunstwissenschaft, die lieber den Rosenkranz stattgehabter Erfolge herunterbetet, als dass sie sich zu Urteilen über die zeitgenössische Kunst herausfordern ließe.
Sämtliche Abbildungen mit freundlicher Genehmigung der Urheber. Front: ©2024 Lucius Garganelli, Serie G