von Heinz Theisen
Die Unterscheidung nach West-, Mittel- und Osteuropa ist zu Unrecht aus der Mode gekommen. Mit dem Einheitsbegriff ›Europa‹ werden aber vielfältige kulturhistorisch gewachsene und geografische Unterschiede verwischt.
Die stärkste unterschiedliche Prägung liegt heute darin, dass die ost- und mitteleuropäischen Länder jahrzehntelang von der kommunistischen Utopie beherrscht worden sind. Sie stehen daher utopischen Visionen weitaus ablehnender gegenüber als der nach einer langen Phase des Wohlstandes übermütig werdende Westen. Sie haben keinen Bedarf mehr, Realität und gesunden Menschenverstand wolkigen oder wokigen Phantasien zu opfern.
von Immo Sennewald
Wenn Menschen massenhaft Feindbilder übernehmen sollen, erreichen Propagandisten einer höheren Moral – egal welcher Religion oder sonstiger Ideologie – dies nur, indem sie einer hinreichend großen Zahl von Individuen Teilhabe an kollektiver Macht, an kollektivem Nutzen versprechen. Die Nazis gaben ihren Mitläufern zahllose Dienstränge und Ehrenzeichen, Kommunisten verhießen das Reich der leistungslosen Anspruchsberechtigung, das Paradies auf Erden statt im Jenseits. Zugleich zeigten sie ihren Anhängern, bei wem sie sich ihre Reichtümer, ihre Wohlfahrt holen konnten. Die Grundimpulse des Erlangens und Vermeidens wurden auf ›Mir nützt, was jenen schadet‹ fokussiert, denkende Individuen verknäuelten sich in besinnungslosem Feldgeschrei – wie die Schafe mit ›Vierbeiner gut – Zweibeiner schlecht‹ – auf Orwells animal farm oder in klammheimlicher Verschwörung zu gewaltbereiten Kollektiven. Es funktioniert immer und überall – zu besichtigen bei Putins Feldzug gegen die Ukraine, bei Extremisten jeglicher Couleur – und es funktioniert vor allem bei Kindern und Heranwachsenden.
von Lutz Götze
Seit einigen Wochen ist das neueste Sprachmodell von Open AI in Gestalt des ChatbotGPT4 auf dem Markt: Eine künstliche Intelligenz, die nicht nur – wie ihre Vorgänger – Texte erstellen soll, sondern auch Bilder. Die Hoffnungen der Befürworter der Künstlichen Intelligenz waren gewaltig: Ein Chatbot – also eine Maschine, mit der man sich unterhalten kann – könnte Tätigkeiten übernehmen, für die es keine Arbeitskräfte mehr gibt oder die den Menschen entlasten: Roboter in der Industrie und im Gesundheitswesen, Übersetzungen, Schreibarbeiten, Navigationen zu Land, zu Wasser und in der Luft. Aber eben auch Überwachungs- und Bespitzelungssysteme, keineswegs nur in China; obendrein militärische Aktionen (Drohnen). Der Mensch könnte sich, so die steile These, auf individuelle und kreative Tätigkeiten konzentrieren und die Mühsal alltäglicher Routinearbeit überwinden. Eine vollkommen neue Gesellschaft, frei von Fremdbestimmung und Sachzwängen, sei im Entstehen.
Sämtliche Abbildungen mit freundlicher Genehmigung der Urheber. Front: ©2024 Lucius Garganelli, Serie G