Ulrich Siebgeber - ©LG
Ulrich Siebgeber
Vergessen hilft. Aber nicht wirklich.
 

 

Siebgebers Kolumne entstand in den späten Jahren der Merkel-Herrschaft, die geprägt wurden durch ein Klima des politischen Konformismus und der Zuspitzung gesellschaftlicher Differenzen nach dem Motto Wer nicht für mich ist, der ist gegen mich und muss aus der öffentlichen Debatte entfernt, zumindest unsanft an den Rand gedrängt werden. Gleichzeitig wurden politische Entscheidungen getroffen, deren Brisanz für jeden Einsichtigen offenlag und deren verheerende Auswirkungen das Land gegenwärtig nach und nach zu spüren beginnt.
Siebgebers Aufzeichnungen enden am 8. Mai 2020. Zusammengefasst und nach Themen geordnet lassen sie sich nachlesen in dem Buch Macht ohne Souverän. Die Demontage des Bürgers im Gesinnungsstaat, das 2019 erschien und nebenher das Pseudonym, besser, die literarische Maske des Autors aufdeckte. Im Land der Masken wirkt dergleichen Mummenschanz ohnehin wie aus der Zeit gefallen. Was nicht gegen ihn sprechen sollte.
Ulrich Schödlbauer

Hätte ich einen Leibwächter, ich nähme ihn mit auf die Reise und zeigte ihm die Welt. Wien zum Beispiel wäre mir Welt genug, wenigstens für den Anfang. Wir gingen unverzüglich ins nächste Kaffeehaus und dort säße er schon, den Arm aufgestützt, und läse den Standard. Ich jedenfalls trau’ ihm das zu. Fragte man ihn nach seinem Beruf, so gäbe er vermutlich zur Antwort: Standards setzen. Franz Hörmann (von ihm will ich reden) hat das Standardmodell der Geldtheorie an den Nagel gehängt und verkauft ein anderes, wobei es ihm weniger auf die Theorie als auf die Praxis ankommt. Das geschah vor längerer Zeit und seither ist sein Modell Standard.

Hörmann will das Geldsystem nicht verschieden interpretieren, sondern verändern. Er ist überzeugt davon, dass eine solche Veränderung, richtig angegangen, die Gesellschaft von Grund auf verändern wird. Um das zu erreichen, gebraucht er mitunter Formulierungen mittlerer Drastik, die seine Kollegenschaft ärgern, weil sie ihnen längst tausendmal auf der Zunge lagen, bevor er ihnen damit die Zunge herausstreckte, um tausendmal heruntergeschluckt zu werden, zum Beispiel den Ausdruck ›Geldschöpfung aus der Luft‹ für den Umstand, dass Banken Geld durch Kreditvergabe erzeugen (und keineswegs, wie von der naiveren Kundschaft irrtümlich angenommen, bereits vorhandenes Geld weitergeben): ein Erregungswort, mit dem er prompt öffentliches Ärgernis – nicht erregte, sondern benannte, um seither, außer von seinen Getreuen, selbst dafür gehalten zu werden. Die Beschreibung wurde der Lehre integriert, der Kollege nicht.

Der Überbringer der schlechten Botschaft wird geköpft. (Hörmann) – Der Mechanismus, allzu bekannt, schmeichelt dem Boten und bringt ihn bisweilen in Gefahr. »Das Ende des Geldes«: Franz Hörmann ist pleite – so titelte der Standard am 13. Mai 2015 und machte damit publik, was in der Wiener Kollegenschaft längst als ausgemachte Tatsache kolportiert wurde. Ich werde die Empfindung nicht vergessen, mit der ich das Vorwort des 2011 von ihm zusammen mit Otmar Pregeter veröffentlichten Buches, auf dessen Titel der Standard so liebevoll anspielt, lesend in mich eindringen ließ. Es könnte sein, dass zu dem Zeitpunkt, da Sie dieses Werk in Händen halten, einiges bereits hoffnungslos veraltet ist, z.B. weil Spanien, Großbritannien oder gar die USA bankrott sind bzw. sie ihren Bankrott öffentlich eingestanden haben. In diesem Falle betrachten Sie die in diesem Buch enthaltenen Zeilen zum Beginn als historische Erklärung. Die am Ende befindlichen Ausführungen zu Gesellschaft nSG (Gesellschaft nach dem Schuldgeldsystem) werden dann eine Welt beschreiben, in der Sie sich bereits befinden.

Man muss nicht Ökonom sein, um sich von solchen Äußerungen infizieren zu lassen. Womöglich darf man kein Ökonom sein, um ihr Erregungspotenzial überhaupt zu erfassen. Dabei ging es in jener turbulenten Zeit keineswegs mehr darum, nicht die Pferde scheu zu machen, sie scheuten längst und das geschwätzige Schweigen der Ökonomenzunft während der Krise galt bereits als öffentliches Ärgernis. Dass es anders kam als von Hörmann/Pregeter in den Erwartungsraum gestellt, wird von Hörmann heute damit damit erklärt, dass er die Bereitschaft der Akteure, sich über die Regeln einer soliden Haushaltsführung und Finanzpolitik hinwegzusetzen, massiv unterschätzt habe. Hörmann ist Spezialist für Buchführung und das Wort ›Bankrott‹ besitzt für ihn erkennbar mehr Gewicht als für die Welt der Finanzjongleure.

Bankrott sind für ihn nicht die Staaten, die sich dem Schuldgeldsystem verschrieben haben, bankrott ist für ihn das System, das jedermann zwingt, seine Mitmenschen zu betrügen, um Schulden zu bezahlen, die durch bloße Buchungsvorgänge geschaffen werden und nie wirklich zurückgezahlt werden können. Eine Reihe kleinerer Änderungen im Buchungssystem, gestützt auf die Möglichkeiten des www, so seine Überzeugung, und der Taumel am Abgrund, den Zusammenbruch des Weltfinanzsystems vor Augen, wäre vorüber. Vorüber wäre auch die Zeit des Wirtschaftens gegeneinander und die Menschen fänden Zeit, sich ihrer eigentlichen Bestimmung, der Pflege von Geist und Harmonie hinzugeben. So denkt er und hat bereits die Riege der Spötter gegen sich.

Den privaten Reichtum will er nicht abschaffen, die Reichen von ihren Neurosen befreien möchte er schon. Zu diesem Zweck hat er sich persönlich vom alten System verabschiedet und wirbt für ein Projekt namens iMoney (›Informationsgeld‹). Natürlich wirkt so jemand nicht bescheiden im Hintergrund. Sein ›Fall‹ hat Gerichte beschäftigt, weil ihm eine dubiose Studentenzeitung die Schelle ›Holocaust-Leugner‹ umhängen wollte. Es hat nicht geklappt, aber in Verruf bringen kann man jemanden schon, indem man, wie der Standard, augenzwinkernd die immer gleichen Formulierungen in die Welt setzt: Für negative Schlagzeilen sorgten fragwürdige Aussagen zu Judentum und Gaskammern, für welche er dann auch vorübergehend von der Wirtschaftsuniversität suspendiert wurde. ›Vorübergehend‹ – warum? Weil ein Gericht befand, dass an den Anschuldigungen nichts dran war. Doch diese Botschaft ist im Krieg der Medien wohl von minderer Bedeutung.

Die Welt wäre nicht die Welt und Franz Hörmann nicht Franz Hörmann, wäre für ihn nicht eine Frage des Geldes, was Mitmenschen gern auf anderen Begriffskonten verbuchen. Auf Renate Solbachs 2011 in Iablis gestellte Frage Geld- und Machtsystem hängen zusammen? antwortete er: Nur solange die Bevölkerung an Geld glaubt. Denn dadurch, dass wir Geld empirisch gar nicht beweisen können, dass es nur funktioniert, solange wir daran glauben, ist es ja eine Religion. Und dadurch, dass wir es gesetzlich verwenden müssen, ist es eine Staatsreligion. Dadurch, dass die Leute das nicht wissen, ist es eine geheime Staatsreligion. Also: Unser Geldsystem ist eine geheime Staatsreligion, was auch ganz gut die ganzen Geheimbünde erklärt, die im Hintergrund mit ihren abartigen Vorstellungen agieren. Es ist eine geheime Staatsreligion, mit der die Bevölkerung versklavt wird. Und das hat einfach aufzuhören.
Wer so redet, hat nicht nur Freunde. –

Ich kam nach Wien und es brannte die Hofburg. Ich möchte mich des Zusammentreffens nicht rühmen. Es war nur so, dass vom Hotel aus, in dem ich abzusteigen gedachte, der Brand ganz ausgezeichnet zu beobachten war. Man musste nur ein paar Schritte vor die Tür setzen. Im Hotel stieß ich auf einen Concierge, der bewegungslos auf den Fernseher blickte, wo ein Journalist den Brand auf wienerische Art kommentierte. Meine Versicherung, vor der Tür sei das Züngeln der Flammen deutlich erkennbar, wehrte er lächelnd ab. Warum vor die Tür gehen, schien er zu fragen, wenn ich alles im Kasten habe? Franz Hörmann wartet ab. Zwischendurch hält er Vorträge und wirkt im Projekt. Ähnlich scheint er sich jene außerirdischen Intelligenzen zu denken, die den Kontakt mit der Menschheit ablehnen, solange das Schuldsystem sie in Kriegen gegeneinander treibt. Die Menschheit braucht Märchen, scheint er zu denken, da haben wir eins und es passt schon.

Kolumnen

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