von Peter Brandt
Hermann Weber ist – nicht anders als seine Frau Gerda, mit der er über ein halbes Jahrhundert in Liebe und geistiger Eintracht verbunden ist – eine Ausnahmeerscheinung, die aus einer anderen Epoche in die Gegenwart hineinragt. Weber, der im Jahr 2008 achtzig Jahre alt wird, macht sich in seinem jüngsten Buch fast leitmotivisch die bange Frage Heinrich Brandlers (1881-1967, 1921-1923 Vorsitzender der KPD, seit 1928 mit August Thalheimer führende Gestalt der kommunistischen Dissidentengruppe KPD-Opposition) zueigen: »Bin ich verrückt, oder ist die Welt verrückt?« Es mag Hermann und Gerda Weber eine Genugtuung sein, dass nach den Exzessen des Imperialismus und der Weltanschauungsdiktaturen im 20. Jahrhundert sowie der globalen Entgrenzung des Marktkapitalismus an der Wende zum 21. Jahrhundert auch unter Jüngeren die Stimmen wieder zunehmen, die darauf abheben, es sei höchste Zeit, die verrückte Welt gerade zu rücken. Denn die Webers verstehen sich nach wie vor als demokratische Sozialisten in der Tradition der Arbeiterbewegung einschließlich ihres marxistischen Strangs.
von Peter Brandt
Edelbert Richter ist ein bemerkenswerter Mann. Ich kenne ihn seit den späten 80er Jahren (schon davor war er mir ein Begriff) und stehe seit den mittleren 90er Jahren mit ihm in regelmäßigem Diskussionskontakt. Promovierter Theologe aus Thüringen, entsprechend geisteswissenschaftlich gebildet und geübt in der Textinterpretation, in der Honecker-Ära Oppositioneller demokratisch-sozialistischer Ausrichtung mit besonderem Gespür für die potentielle Brisanz der offenen ›deutschen Frage‹, Mitbegründer des »Demokratischen Aufbruchs«, bei deren Schwenk zu Helmut Kohls »Allianz für Deutschland« mit Schorlemmer und anderen Übertritt zur Sozialdemokratie, dort Europa-, dann Bundestagsabgeordneter, 2007 Wechsel zur Linkspartei. Dabei ist Edelbert Richters politische Position im Wesentlichen unverändert geblieben.
von Ingo Schmidt
Dank staatlicher Beihilfen hat das große Geld die Wirtschaftskrise gut überstanden. Im Vertrauen auf weitere Hilfen steigen Börsenkurse und Renditeerwartungen auch ohne einen Wirtschaftsaufschwung, der diese Anstiege rechtfertigen könnte, wieder an. Gleichzeitig werden einer Reihe von EU-Ländern, insbesondere Griechenland, eine drohende Staatspleite angedichtet und Sparprogramme aufgezwungen. Die Botschaft ist klar: Wer nichts – oder nicht viel – hat, dem wird auch nichts gegeben. Dies gilt zwischen reichen und ärmeren Ländern ebenso wie zwischen den Reichen und Armen in einzelnen Ländern. Wer sich von einer ›harten Linie‹ gegenüber Griechenland allerdings die Sicherung von Arbeitsplätzen und Sozialsystemen in Deutschland verspricht, dürfte enttäuscht werden. Beschäftigungs- und Sozialabbau haben in der Vergangenheit jene Wettbewerbsfähigkeit geschaffen, vor der die griechische Wirtschaft nun in die Knie gegangen ist. Trotzdem konnte auch der Exportweltmeister Deutschland der Krise nicht entgehen. Beschäftigte, die hierzulande noch um Arbeitsplatz und Sozialversicherung bangen, sind vom organisierten Vermögensbesitz bereits als die Griechen von morgen ausersehen.
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