von Christoph Jünke
I.
Warum sollten sich Historiker, Sozialwissenschaftler und, vor allem, gewerkschaftlich Interessierte mit Leben und Werk von Viktor Agartz (1897-1964) auseinandersetzen? Nicht nur, aber vor allem weil Agartz einer der herausragendsten und umstrittensten Gestalten der deutschen Nachkriegszeit gewesen ist. Der bereits in den 1920ern aktive linke Sozialdemokrat gehört zu den wenigen Deutschen, die während des Nazi-Faschismus eine unbefleckte Weste ihr eigen nennen konnten. Er hat sich, soweit ihm dies möglich war, im antifaschistischen Widerstand innerhalb des Deutschen Reiches engagiert. Unmittelbar nach Krieg und Faschismus war er der neben Kurt Schumacher und Hans Böckler wohl wichtigste Funktionär und Vordenker von SPD, Gewerkschaften und Konsumgenossenschaftsbewegung, führend mitbeteiligt am ökonomischen und politischen Wiederaufbau des zerstörten Landes.
von Herbert Ammon
Der Pädagoge Micha Brumlik zielt mit seinem Essay auf um das von Erika Steinbach (CDU) und dem 2005 verstorbenen Peter Glotz (SPD) initiierte Zentrum gegen Vertreibungen. Anfangs gehörte er neben Persönlichkeiten wie György Konrad, Ralph Giordano und Alfred de Zayas zu den Befürwortern des Projekts. Er habe sich davon distanziert, als ihm »klar wurde, dass die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen nicht wirklich willens und in der Lage war, sich von ihrem nationalkonservativen und völkischen Umfeld zu lösen« (135). Ungeachtet des von den Initiatoren bekundeten Konzeptes vermutet Brumlik als »das heimliche Motiv vieler vielen (nicht aller) Betreiber der Zentrumsidee« eine »Konkurrenz mit dem Gedenken an die Opfer der Shoah« (117) und meint, jüdische Intellektuelle wie Ralph Giordano, Julius H. Schoeps und Michael Wolffsohn seien »von Steinbach letztlich düpiert worden« (125).
von Peter Brandt
Jan Myrdal hat in den 80er Jahren zu recht auf die doppelte Traditionslinie der nordeuropäischen Linksintellektuellen in Gestalt des urban–kosmopolitischen (dabei übrigens durchaus dänisch–nationalen) Geistes von Georg Brandes und der des Grundtvigianismus verwiesen. Ihm selbst sei in der Zusammenarbeit mit der dortigen Linken erst in West–Berlin die eigene Prägung durch Grundtvig bewusst geworden, als einer seiner Artikel übersetzt werden sollte. »Allmählich wurde aus ›folk‹ ... ›die Volksmassen‹, ›folklig‹ verschwand in Umschreibungen und aus ›folkets kultur‹ wurde etwas, was mit den Kulturbestrebungen der Volksmassen zu tun hatte« (Myrdal 1988, S. 53 f.).
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