von Lutz Götze
Am Anfang des Abendlandes stand der Rausch, das Dionysisch-Maßlose, das Bacchanale, die mordenden Bakchen, der Massenterror gegen Andersrassige und Andersgläubige. Doch die Antike lebte in Mittelalter und Neuzeit fort: Denunziationen beim Heiligen Offizium, Hexenverbrennungen, Scheiterhaufen, Pogrome. Die Hoffnung, dass dem Apollinisch-Klaren und Maßvollen in der europäischen Aufklärung ein jüngerer Bruder erwachse, erwies sich alsbald als trügerisch. In der Dialektik der Aufklärung hatten Theodor W. Adorno und Max Horkheimer bereits 1944 – mitten im bis dato furchtbarsten Krieg der Weltgeschichte – die These aufgestellt, bereits in den griechischen Mythen – Prometheus, Ikarus, Kronos, Atriden, Kassandra und Medea – hätten Hass und Gewalt die Zivilisation zerstört. Hybris und wahnhafte Gottesebenbürtigkeit des Menschen hätten nachdenkliches und verantwortungsvoll-solidarisches Handeln verdrängt oder gar von Anfang an verhindert. Die Vernunftbegabtheit der Gesellschaft sei sehr frühzeitig an ihre Grenzen gestoßen und habe das Janusköpfige der Aufklärung – hier Vernunft und Verantwortung, dort zerstörerische Gewalt unter dem Diktat eines Fortschrittswahns – offenbart: -›Seit je hat Aufklärung…das Ziel verfolgt, von den Menschen die Furcht zu nehmen und sie als Herren einzusetzen. Aber die vollends aufgeklärte Erde strahlt im Zeichen triumphalen Unheils.‹
Einige Bemerkungen zum Twitter-Krieg
von Helmut Roewer
Zur Zeit kauft Mainstream-Hätschelkind Elon Musk die Nachrichtenplattform Twitter. Plötzlich kann ihn keiner mehr leiden. Umsturz – und sei es der Meinungen – hat mich immer schon beschäftigt. Hier sind die Einzelheiten.
Ob jemand twittert oder in Hamburg fällt ‘ne Schaufel um, ist für mich und sicher viele Leser von ähnlicher Bedeutung, nämlich keiner. Mein Interesse am zur Zeit stattfindenden Verkauf der Nachrichtenplattform Twitter an den südafrikanischen Tausendsassa Elon Musk speist sich aus anderen Quellen: Warum wird hier so plötzlich das Hohelied der Meinungsfreiheit angestimmt? Und das auch noch durch zwei miteinander unvereinbare Behauptungen: Wiederherstellung gegen Bewahrung der Meinungsfreiheit. Ja, was denn nun? Oder anders gefragt: Was ist hier eigentlich so Empörendes geschehen, dass alle Billig-und-gerecht-Denkenden so urplötzlich ein wildes Katzenkonzert gegen ihren einstigen Liebling anstimmen?
von Steffen Meltzer
Es ist vollbracht, Bundeskanzler Scholz hat dem Drängen nachgegeben, Deutschland wird schwere Waffen in die Ukraine liefern. Die Begründungen sind vielfältig: Putin führe einen Krieg gegen den Westen und unsere Freiheit müsse auch an der ukrainisch-russischen Grenze verteidigt werden. Ich las, die Verbrechen der Sowjetunion gegenüber der Ukraine dürften sich nicht wiederholen. In der Stalinzeit gab es einen Massenmord mit sieben Millionen ukrainischen Toten, die durch eine künstlich herbeigeführte Hungersnot verursacht wurden. Diesen kommunistischen Terror gab es nicht nur gegenüber den Ukrainern. Putin mit Stalin oder Hitler zu vergleichen, ist jedoch für mich keine ernsthafte Diskussionsbasis, um den damaligen Völkermord ›legitim‹ mit dem gegenwärtigen Konflikt zu vergleichen. Propaganda erlebe ich derzeit auf allen Seiten. Die Wahrheit ist das erste Opfer eines jeden Krieges. Keine zwei Meinungen sollte es über folgende Feststellung geben: Putin führt einen völkerrechtswidrigen Krieg, Russland hat die Ukraine überfallen.
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