von Ulrich Siebgeber
Wann immer eine irreguläre Gewalttat oder eine Ballung endemischer Gewalt Zutritt zum öffentlichen Bewusstsein erlangt, prallen die Sprache der politischen Korrektheit und ihr Gegenbild, die öffentliche und private Hass- oder Wutrede, aufeinander. Zweifellos handelt es sich um ein Ritual, dessen wenig geheime Bedeutung darin besteht, ›das Schlimmste‹ zu verhüten: das Überspringen der Gewalt in die allgemeine Praxis oder in eine ›neue Dimension‹, wie es euphemisierend bei den Verantwortlichen heißt.
von Ulrich Siebgeber
... es kommen ja nicht nur Menschen, also Arme, Beine, Köpfe, Bedürfnisse, Arbeitsbegehrende, Konsumbegehrende, Versorgungsbegehrende, es kommen Gedanken, Träume, Überzeugungen, Orientierungen, Absichten, es kommen Sozialstrukturen, Abhängigkeiten, Dispositionen, es kommen Vorder- und Hintergedanken, Vorder- und Hintermänner, liebenswerte, verletzte, hilfsbedürftige Menschen, Vertrauenswürdige, Vertrauensunwürdige, Opfer, Täter, Drangsalierte und Drangsalierer, gegenwärtige, vergangene und zukünftige: das alles will öffentlich bedacht, es will besprochen sein. Wenn Willkommenskultur heißt: Keine Auffälligkeiten, denkt, was ihr wollt, solange ihr euch sorgsam verstellt, dann will das nicht viel heißen, dann rühren sich viele Arme und Beine umsonst, auch das will bedacht sein. Die Sprengsätze, die in Paris gezündet wurden, lassen sich nicht im Feuilleton entschärfen, sie lassen sich auch nicht durch beruhigende Statements wegreden, sie sind mitten in den Köpfen der angespannten Bevölkerung gezündet worden und dort explodiert. Auch das muss bedacht und beredet werden.
von Raymond Verdaguer / Ulrich Siebgeber
— Pegida, was? Putin-Versteher, was? Euro-Hasser, wie?
— Nee, Klimafreund. Ich bin Lokführer.
[= Naturgeschichte der politischen Ideen (13)]
Sämtliche Abbildungen mit freundlicher Genehmigung der Urheber. Front: ©2024 Lucius Garganelli, Serie G