Das Gedenkjahr 2018 – 50 Jahre ›1968‹ – ist abgefeiert, anno 2019 stehen für Politik und Feuilletons die Themen Revolution 1918/19, Weimar, vielleicht auch Versailles, sodann Kriegsbeginn 1939, Zwei-Staatengründung 1949, auf dem Programm. Vorweg: Für die um Klima- und Weltrettung besorgte grün- und postdeutsche sowie die multi-ethnische Jugend sind derlei Daten und Namen inzwischen ohne Belang. Auch das von längst ergrauten Alt-Achtundsechzigern einst zur moralischen Selbstbestätigung erfundene Diktum, ›1968‹ habe die eigentliche demokratische Zweitgründung der Bundesrepublik stattgefunden, dürfte nur noch bei Lesern der taz oder der Zeit ankommen. Heute geht’s um Klimarettung, um Kulturbereicherung durch ›Zuwanderung‹ sowie um die – in den Augen aller Wohlmeinenden und/oder Naiven nur imaginäre – Furcht vor dem Vordringen des Islam.
Starker Tobak. 2017 beschrieb ich in Peter Wensierskis Die unheimliche Leichtigkeit der Revolution: Wie eine Gruppe junger Leipziger die Rebellion in der DDR wagte den friedlich basierten unerhörten Mut junger Leute gegen eine Diktatur. Knapp zwei Jahre später tu ich mir mit »Die RAF hat euch lieb« von Bettina Röhl die gewaltbasierte Feig- und Hinterhältigkeit junger Leute gegen eine Demokratie an. Welch schwere Kost.
von Holger Czitrich-Stahl
Weshalb registrieren wir in den ›neuen Bundesländern‹ zwei- bis dreimal so viele rechtsradikale bzw. neonazistische Straf- und Gewalttaten als in der ›alten‹ Bundesrepublik? Was macht eine offenbar größere Anzahl von Menschen aufnahmebereiter für antisemitische, antimigrantische und xenophobe Propaganda? Gibt es strukturelle Ursachen innerhalb der Entwicklung der DDR, gerade in ihrem letzten Jahrzehnt?
Sämtliche Abbildungen mit freundlicher Genehmigung der Urheber. Front: ©2023 Monika Estermann: Lascaux