von Herbert Ammon
I.
Hätte Kevin Kühnert nicht aus jungsozialistischer Überzeugung die Eigentumsfrage gestellt, den Kapitalismus als solchen als Grundübel der Gesellschaft benannt, der 1. Mai 2019 wäre ohne jegliche Aufregung verlaufen. Gegenüber Kühnerts Proklamationen verloren die Berliner Traditionsveranstaltungen – Klassenkämpfe im Teilbezirk Friedrichshain mit nur etwa 35 verletzten Polizisten, dazu ein fröhlicher Marsch auf die bourgeoise Hochburg Grunewald – an medialem Stellenwert.
von Lutz Götze
Das Phänomen ist nicht neu. Öffentlich-rechtliche Fernsehanstalten haben sich dem seichten Dünnbrettbohren der Privaten angepasst, ›Qualitätszeitungen‹ versuchen ihr Überleben durch Übernahme von Inhalten und, gelegentlich, falschen Nachrichten der Regenbogenpresse zu sichern. Die weltweite Verbreitung der asozialen Netze Facebook und Twitter hat das Geschwätz hoffähig gemacht und Verstand und Vernunft aus dem Gespräch der Menschen vertrieben. Daran hat sich die Mehrheit der Bevölkerung in wachsendem Maße gewöhnt, genauer: Sie selbst forciert diesen Verfall. Nicht einmal die Ankündigung von Facebook und Apple, demnächst weltweit die Verbreitung aller Nachrichten zu übernehmen, schreckt sie auf.
»Macht ohne Souverän«? Das macht neugierig. Ulrich Schödlbauer auf Stephane Hessels Spuren? 2010 »Empört euch!« und 2019 »Macht ohne Souverän«?
Selbstverständlich bedarf Schödlbauer keines Hessel, um die Dilemmata ritualisiert scheinender Demokratien zu beschreiben. Hessel erfand das Rad nicht neu und wähnte wie weiland Rosa Luxemburg nur seine politische Hemisphäre als Adressatenkreis des Aufrufs zum Aufstehen.
Sämtliche Abbildungen mit freundlicher Genehmigung der Urheber. Front: ©2024 Lucius Garganelli, Serie G