von Helmut Roewer
Die nachfolgende Besprechung enthält einen Abschnitt mit der Zusammenfassung des Buch-Inhalts, einen über das, was man in dem Buch nicht suchen sollte, und schließlich ein paar Schlussgedanken, die man nicht abwehren kann, wenn man sich noch einmal mit dieser Frau befasst.
Eins
Das Buch ist im Wesentlichen chronologisch geordnet, es enthält einen Abschnitt über den raschen politischen Aufstieg der M. seit dem Wendegeschehen in der Noch-DDR bis zum Beginn der Kanzlerschaft (1989-2005), einen weiteren in sich untergliederten Abschnitt über die Kanzlerjahre und sodann einen knappen Ausklang.
Die Aufstiegsjahre der M. sind gekennzeichnet durch den Wechsel von persönlicher Unauffälligkeit und Rücksichtslosigkeit, vor allem jenen gegenüber, die eigentlich Weggefährten gewesen sein sollten, jetzt aber auf dem Weg nach oben im Wege stehen. In diesem Zeitabschnitt geht es weniger um die große Politik als um Machtkampf in der CDU. Notwendiger Weise fällt dabei der eine oder andere Blick der Autorin auf die sog. CDU-Granden, für deren Ausmalen sie nicht sonderlich viel Druckerschwärze verbraucht, sondern dem Leser ein fahles Gesamtbild vermittelt, auf dem sich bedeutungslose Männlein hin und her bewegen. Auf ihrem Weg nach oben stürzt Merkel schließlich den abgewirtschafteten Helmut Kohl und verbannt die Riege der Kronprinzen auf die Sperrsitze im Parterre. Ihr Weg nach oben führt hierbei zielgenau über das Amt des Generalsekretärs zur Parteispitze und von da nach ein, zwei durchdachten Volten zur auf Anhieb erfolgreichen Kanzlerkandidatur.
Die Kanzlerjahre bilden zu recht den Hauptteil der Biographie. Sie sind im Buch in die vier Kabinette gegliedert, denen M. als Kanzlerin vorstand. Einer der Schwerpunkte, die durch die Autorin gesetzt werden, gilt der Betrachtung der jeweiligen Koalitionäre, deren M. sich bedient, denn die CDU bleibt während ihrer gesamten Herrschaftszeit von jeglicher absoluten Mehrheit weit entfernt. Was hier zu lesen ist, verdient Interesse, denn aus der CDU-Vorsitzenden wird Schritt um Schritt die beste Kanzlerin, welche die SPD je hatte, respektive die Grünen je hatten, wobei Letztere nicht ein einziges Mal formal an den Merkel-Kabinetten beteiligt waren. Der einzige Versuch, das vor ihrem letzten Kabinett (2017-21) zu ändern, scheitert am Ausstieg der FDP aus den Koalitionsgesprächen.
Die CDU ist in den M.-Jahren auf einen Akklamations- und Karrierebeschaffungs-Verein reduziert worden. Sie wurde, wie die gängige Floskel lautet, inhaltlich entkernt. Lengsfeld schildert, dass dies vorsätzlich geschah, und sie nennt Namen derer, die bei diesem Tun kalt entsorgt wurden, weil sie sich dem zu widersetzen drohten. Die CDU als herrschende Kraft weit unter die 30 Prozent gedrückt zu haben, ist M.s Werk. Die Partei war und ist ihr fremd, manche bezweifeln sogar, ob sie eigentlich Erwägungen dieser Art sollten allerdings nicht davon ablenken, wo Lengsfeld den Akzent ihrer Schilderung sieht. Es sind die in die Chronologie eingefügten Cluster der politischen Fehlentscheidungen der M.-Herrschaft. Der Reihe nach: Der Ausstieg aus der deutschen Finanzhoheit, die Zertrümmerung der Bundeswehr, der Ausstieg aus der Atom-Industrie mit dem Rattenschwanz der Zerstörung einer geordneten Energieversorgung und des Industriestandorts Deutschland sowie schließlich die unbeschränkte Grenzöffnung mit all den Folgen, die aufzuzählen ich mir hier erspare. Und schlussendlich, fast hätte ich es zu erwähnen vergessen: das Corona-Desaster, in welchem M. das gesamte Volk für ihr unseliges, durch nichts zu begründendes Tun in Haftung nahm.
Lengsfeld lässt keinen Zweifel aufkommen: All das war das Werk der Angela M. Persönlich ihr Werk. Sie schildert M. als intelligente, kalt planende Person, die sich sehr wohl über die Folgen ihres Tuns im Klaren war. Dieser Teil von Lengsfelds Ausführungen wird gestützt von etlichen nunmehr greifbaren Gegenstimmen, die es sehr wohl auch gab, die aber beiseite gefegt wurden, als die Entscheidungen anstanden. Dieses Beiseitefegen war nicht nur Machtwahn, sondern die bewusste und gewollte Beseitigung des demokratischen Rechtsstaats. Rechtsbruch als Herrschaftsmethode. Wir behalten das für die weitere Erörterung im Hinterkopf, denn die Folgen dieses Tuns halten heute noch an, und sie haben Schule gemacht.
Zwei
Die Autorin und die von ihr Portraitierte sind Zeitgenossen, vielleicht sogar Weggenossen. Sie kennen einander seit dem wilden DDR-Jahr 1989/90. Beide stiegen in die große Politik ein, liefen auf engem Raum einander immer wieder über den Weg, die Autorin schließlich nach Wechsel der Parteizugehörigkeit als Bundestagsabgeordnete der CDU.
Bei solcher Vita der Autorin hätte man vielleicht eher auf Anekdotisches als das streng Distanzierte des tatsächlichen Textes spekuliert. Doch nichts vom Ich-und-du findet man im Buch. Oder doch besser: fast nichts davon, so dass die raren Ausnahmen umso stärker ins Auge stechen. Beispiel:
Bei einem Bundestagswahlkampf weigerte sich die Portraitierte, auf Plakaten gemeinsam mit den örtlichen Wahlkreiskandidaten abgebildet zu werden. Lengsfeld hielt sich nicht an solche Befehle aus der Parteizentrale und plakatierte auf eigene Kappe eine Fotomontage der beiden Dekolletierten. Das Plakat ging als Busen-Wahlkampf in die Geschichte der Wahlwerbung ein. Noch heute überkommt mich leises Befremden bei der Vorstellung, dass M. sich in diesem Aufzug in der eleganten neuen Oper zu Oslo zeigte. Ich liege deshalb vermutlich nicht falsch, im Verhältnis der Damen einen Hang zur Boshaftigkeit anzunehmen.
Dieser Schlenker sollte aber nicht davon ablenken, dass das übrige Buch persönlich gefärbte Bemerkungen eher meidet. Auch spielen Herkunft, Elternhaus, mögliche Hinterleute, Vorlieben, Ehen und alles sonstige Persönliche praktisch keine Rolle. Ganz im Gegenteil, Lengsfeld richtet den Fokus allein auf die Politikerin, ihre einschlägigen Entscheidungen und ihren Hang zum Solo. Hierbei ist es die Kälte des Tons, den Lengsfeld anschlägt, der überraschen mag. Sie lässt keinen Zweifel aufkommen, dass M. trotz besseren Wissens einen Rechtsbruch nach dem anderen in Kauf nahm und beging, um ihre persönliche Macht voranzutreiben und zu sichern.
Drei
Damit sind wir bei der Frage angelangt: Was sagt uns dieses Buch zum Jetzt-Zeitpunkt? Es ist ein Plädoyer, bei den anstehenden Bundestagswahl-Entscheidungen zu bedenken, wer denn a) Deutschland in die heutige Misere hineingeführt hat, b) wer ihr dabei blind und gehorsam folgte und c) wer heute wilde Versprechungen vom Gegenteil macht. a) die Unheilstifterin war M., und die Personen b) und c) sind dieselben. Das ist die Botschaft des Buches auf einen simplen Nenner gebracht, so wie ich es lese: es handelt hier sich um eine Riege von Männern und Frauen, denen Deutschland und das Wohl seines Volkes völlig schnuppe ist.