von Herbert Ammon
Die ideengeschichtlich schillernde Konservative Revolution steht noch immer als Synonym für die Verirrungen des deutschen Geistes, für alles, was einst Kurt Sontheimer als »antidemokatisches Denken in der Weimarer Republik« indizierte. Kenner der Materie, von Armin Mohler bis zu Stefan Breuer und Rolf Peter Sieferle, haben dagegen längst gezeigt, dass die in den zwanziger Jahren in Deutschland eklatierende Bewußtseinskrise, das Unbehagen an positivistischem Fortschrittsglauben, die Kritik an Kapitalismus und industrieller Massengesellschaft, die Ablehnung der parlamentarischen Demokratie, kurz: die ideelle Revolte gegen das liberale System gesamteuropäische Dimensionen hatte.
von Christoph Jünke
Biografien waren einst den großen Männern der Geschichte vorbehalten und galten – je nachdem, welcher Weltanschauung man anhing – mal als die Krönung der geschichtswissenschaftlichen Kunst und mal als deren zu vernachlässigendes Hinterteil. Mit dem nachhaltigen Einbruch einer die strukturellen Klassengrenzen in Frage stellenden und auf allgemein menschliche Emanzipation zielenden Geschichtsschreibung ›von unten‹, und mit dem parallelen, sich damit gelegentlich überschneidenden, Aufstieg einer sich auf Strukturen konzentrierenden Geschichtsschreibung, kamen sie dann weitestgehend aus der Mode. Doch Moden ändern sich bekanntlich – und die Biografie ist mächtig en vogue Bei dem seit vielen Jahren vor sich gehenden Boom einer Rückkehr zur Biografie dürfte es sich aber weniger um einen schlichten Pendelschlag rückwärts handeln, als vielmehr um eine mindestens partielle Überwindung der beiden alten Dichotomien. Denn was eine Vielzahl dieser unterschiedlichsten Arbeiten auszeichnet, ist gerade ihre Verbindung von Sozial- und Individualgeschichte. Unverkennbar schlägt sich in ihnen die Tendenz nieder, Geschichte von der Strukturebene auf die Ebene realer Menschen und ihrer Rolle in der Geschichte herunter zu brechen – ein Ansinnen, das nachvollziehbar auch damit zusammenhängen dürfte, dass Menschen von einem solchen Blick Rückschlüsse erwarten über den eigenen Ort ›in der Geschichte‹ und die eigenen Möglichkeiten, ›Geschichte zu machen‹.
von Christoph Jünke
Wer sich um die Ursprünge des welthistorischen Dramas des 20. Jahrhunderts kümmert und im deutschen Nazi-Faschismus mehr zu erkennen sucht als die welthistorische Einzigartigkeit, die dieser auch gewesen ist, wird zurückgehen müssen auf die vorletzte Jahrhundertwende und den Blick wenden auf das deutsche Kaiserreich. In den fast fünf Jahrzehnten des so genannten Wilhelminismus reiften jene Verhältnisse, die sich in den Ersten Weltkrieg und die daran sich anschließende Epoche von Revolution und Konterrevolution eruptiv entluden.
Sämtliche Abbildungen mit freundlicher Genehmigung der Urheber. Front: ©2024 Lucius Garganelli, Serie G