Ulrich Siebgeber - ©LG
Ulrich Siebgeber
Vergessen hilft. Aber nicht wirklich.
 

 

Siebgebers Kolumne entstand in den späten Jahren der Merkel-Herrschaft, die geprägt wurden durch ein Klima des politischen Konformismus und der Zuspitzung gesellschaftlicher Differenzen nach dem Motto Wer nicht für mich ist, der ist gegen mich und muss aus der öffentlichen Debatte entfernt, zumindest unsanft an den Rand gedrängt werden. Gleichzeitig wurden politische Entscheidungen getroffen, deren Brisanz für jeden Einsichtigen offenlag und deren verheerende Auswirkungen das Land gegenwärtig nach und nach zu spüren beginnt.
Siebgebers Aufzeichnungen enden am 8. Mai 2020. Zusammengefasst und nach Themen geordnet lassen sie sich nachlesen in dem Buch Macht ohne Souverän. Die Demontage des Bürgers im Gesinnungsstaat, das 2019 erschien und nebenher das Pseudonym, besser, die literarische Maske des Autors aufdeckte. Im Land der Masken wirkt dergleichen Mummenschanz ohnehin wie aus der Zeit gefallen. Was nicht gegen ihn sprechen sollte.
Ulrich Schödlbauer

von Ulrich Siebgeber

Es ist nun, grob gesprochen, fünf Jahre her, dass ich die Universität verließ – etwas vorzeitig, denn ich hatte noch viel vor. Ich hielt einen Milieuwechsel für angemessen, denn da draußen, hatte man mir gesagt, spielt das wirkliche Leben, und wer sich ihm lange genug entzogen hat, der will es am Ende doch, auf welchen Wegen auch immer, kennenlernen, vielleicht sogar ein Stück gestalten.

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Ich stamme aus kleinbürgerlichem Milieu, bildungsfremd bis bildungshungrig, wie man damals sagte. Sicher habe ich an allen Fächern vorbeistudiert, die meinen Eltern vorgeschwebt haben mochten, als sie mich auf den Weg zum Abitur schickten. Warum? Weil ich mir keine andere Lebensform vorstellen wollte als die intellektuelle: Literatur, Philosophie, Kunst, in welcher Reihenfolge auch immer.

Ich habe die Universität, seit ich sie betrat, nicht mehr verlassen. Dafür gab es, neben lebenspraktischen, vor allem einen Grund: besagten intellektuellen. Wer Philosophie studiert, der begreift schnell, dass dieses Wissen nichts wert ist, solange es theoretisches Wissen bleibt, und dass die einzige philosophische Lebensform innerhalb unseres Wirtschaftssystems die akademische ist. Leider begreift er auch bald, dass Identität, wie überall im Leben, auch hier schwer oder überhaupt nicht zu erreichen ist. Der reale Philosophieprofessor führt ebenso wenig ein philosophisches wie der Literaturprofessor ein literarisches oder der Kunsthistoriker ein künstlerisches Leben.

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Sie werden mich fragen, warum ich diese Dinge vor Ihnen ausbreite. Die Frage ist berechtigt und ich fasse mich kurz. Ich betrachte die Jahrzehnte meines akademischen Lebens als Exil. Man geht ins Exil, weil die Disproportion der Gesinnung und der Verhältnisse einen dazu zwingt. Ein Intellektueller begreift schnell, dass er unter den Bedingungen des Feuilletons ein Feuilletonintellektueller, unter den Bedingungen eines öffentlich-rechtlichen Rundfunksystems ein öffentlich-rechtlicher und unter den Bedingungen des Politzirkus ein Linksintellektueller wird (ein ›Rechtsintellektueller‹ ist … Sie wissen schon…), aber in keinem Fall das, was den Intellektuellen, gern auch ›klassisch‹ genannt, auszeichnet: ein unabhängiger Geist.

Das Wort ›Geist‹ hat im Verlauf der deutschen Geschichte einen besonderen Klang erworben. Man hat es dann auch gegen Ende meiner akademischen Laufbahn aus dem Sprachschatz der Universitäten des Landes getilgt. Das war klug, wenngleich nicht klug genug. Leider entfiel damit, sagen wir, die Geschäftsgrundlage meines akademischen Daseins. Man braucht keinen Geist, wenn man eine Anstellung will. Man bereitet sich und seiner Umgebung unnötige Schwierigkeiten, wenn man ihn nach der Anstellung zeigt. Man ist an diesen Stätten der täglich neu geölten Routinen praktischerweise nicht vorhanden, wenn man es mit dem Zeigen übertreibt. Das klärt die Fronten und man bekommt, was man auch, aber nicht im Übermaß bräuchte, seine Ruhe.

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Man kann meine letzten fünf Jahre als den Versuch eines Alkoholikers betrachten, sich seine Abstinenz zu beweisen. Ich habe die Bücher meiner Kollegen in den hintersten Winkel meiner Bibliothek verfrachtet und wische gelegentlich den Staub von den Klassikern, um sie entsagungsvoll wieder ins Regal zurückzustellen. Sie meinen, ich habe mir das Lesen abgewöhnt und bin Strandbewohner geworden? Sie haben gut reden. Ich lese so viel wie eh und je. Das Internet macht es mir leicht. Ich lese die Zeitungen in größerer Breite denn je zuvor, ich konsumiere Blogs, ich freue mich wie ein Kind auf jeden neu entdeckten YouTube-Channel. Bloß die Öffentlich-Rechtlichen, sorry… Doch der Schock meines Lebens, der Augenöffner meiner post-akademischen Existenz wurden die sozialen Medien Facebook und Twitter.

Heute, habe ich mir sagen lassen, tummeln sich auf Facebook nur noch alte Leute. So ein rapider Alterungsprozess kann sich sehen lassen. Twitter hingegen… Seit Amerikas Donald Trump der düpierten Politiker-Kaste gezeigt hat, wie man mit diesem Instrument an den ›Leitmedien‹ vorbei Wahlen gewinnt und ein Land regiert, herrscht dort der Auftrieb aller Möchtegern-Regenten beider Hemisphären. Die Luft ist dünn und schneidig in diesen Höhen. Leider fehlen die Könner. Nur wenigen Menschen steht die Gabe der knappen, eleganten und treffsicheren Rede zur Verfügung. Der Rest keift, zischt, pöbelt und versteigt sich zu abstrusen Behauptungen – in welcher Reihenfolge auch immer. Die Leitmedien paraphrasieren, was die Politiker twittern, und verkaufen es als Nachrichten. Da das nicht reicht, taxieren sie, je nach Kommentarzahl und ‑art, eine Äußerung als ›vielbeachtet‹, wenn nicht gleich als ›umstritten‹. Twitter ist steril.

Facebook hingegen … das klassische, noch nicht zum Alte-Leute-Medium verkommene Facebook … ich kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Alles, worüber Generationen von Kommunikations- und Gesellschaftswissenschaftlern geforscht, Volkskundler gegrübelt, Historiker Hypothesen aufgestellt und Meinungsforscher die ausgekochtesten Umfragen zusammengestellt haben: Hier war sie, die Stimme des Volkes, der höheren Techniken des Lesens und Schreibens weitgehend unkundig, aber guten Mutes, diese unerheblichen Schwierigkeiten zu meistern und zu bekunden, was Sache ist… Ich kam aus dem Staunen nicht mehr heraus, vergaß die Abendmahlzeiten, fiel in Schlaf und wachte kurz vor Mitternacht wieder auf, um weiterzulesen… So etwas hatte ich niemals zuvor gesehen. Es war grandios.

Ich nehme an, auch Ihnen ist es so ergangen. Ich fasse mich deshalb erneut kurz. Wer die sozialen Medien angreift, vergreift sich an der Meinungs- und Redefreiheit der Menschen. Kommunikationsbarrieren sind Menschheitsbarrieren. Wer sie wegräumt, gehört zu den Pionieren der Menschheit. Es gibt eine Menschheit vor und nach der Erfindung der sozialen Medien. Jeder, der sich mit der Sache befasst, weiß das. Wir wissen jetzt, wie sich Menschen öffentlich ausdrücken, sofern sie nur Gelegenheit dazu bekommen. Was ist schon das Schwenken von Fahnen und Brüllen auf öffentlichen Plätzen, auch wenn das Fernsehen es in jeden Winkel der Republik überträgt, gegen das weltweite simultane Summen und Brummen der Facebook-Einwohnerschaft? Ein antiquarisches Schauspiel.

Leider gibt es da ein Problem.

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Die Sprache der sozialen Medien ist schnell, klar und hart, nicht selten unverschämt und beleidigend. Trolle spielen ihr trügerisches Spiel wie im wirklichen Leben auch. NGOs und Geheimdienste können leicht eine Öffentlichkeit simulieren, die so nicht existiert, aber als solche wirkt. Staaten werden dadurch in Gefahr gebracht und reagieren entsprechend. So war der Stand, als ich in die medialen Fluten eintauchte. Ein knappes Jahr später war alles anders.

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Nein, das Internet hat die westliche Öffentlichkeit nicht zerrissen. Zerrissen wurde sie durch die Politik, genauer, durch eine Entscheidung, die weitgehend von der deutschen Regierung verantwortet wurde: die berühmte ›Grenzöffnung‹ vom September 2015. Wer sich erinnert, der weiß, dass schon dieses Wort von Anfang an erbittert bekämpft wurde, als gelte es, dem Satan der Menschenfeindlichkeit bereits an vorderster Stelle den Drudenfuß entgegen recken zu müssen: »Bis hierher und nicht weiter!« Es waren heftige Zeiten. Flüchtlinge und anderweitig-unterwegs-Seiende wurden zu ›Flüchtenden‹ umdeklariert, um die leidige Frage loszuwerden, wer als ›Flüchtling‹ eingestuft und entsprechend versorgt werden musste, und wer als Trittbrettfahrer und Gelegenheitsmigrant unterwegs war. Wer von ›Flüchtlingen‹ sprach, musste es sich gefallen lassen, als Menschenfeind am Pranger zu landen. Als schlimm galten die Wörter ›Migrant‹ und ›Asylant‹. Während der ›Asylant‹ sich bisher nicht wieder von diesem Schlag erholt hat, konnte der ›Migrant‹, im Hintergrund durch ein UN-Abkommen gepäppelt, sich erneut auf die Höhe des offiziellen Sprachgebrauchs schwingen. Wagen Sie es nicht, heute von ›Flüchtenden‹ zu reden. Sie gälten als … na sag schon … als bekloppt.

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Das Wort stammt nicht von mir. Ich habe es auch nicht in die Diskussion eingeführt. Aufmerksam darauf gemacht hat mich ein Freund aus dem politischen Raum. Ein Soziologe, den ich persönlich schätze, verwendet in seinen Aufsätzen das Wort ›bescheuert‹. Das fand ich einleuchtend, aber es traf nicht den Nagel auf den Kopf. Sie sind bekloppt. Fragen Sie mich nicht warum, aber ich weiß: Sie sind bekloppt. Ich meine das nicht persönlich, versuchen Sie nicht, mir durch Beleidigtsein auszuweichen: Beklopptheit ist eine Kategorie sozialer Kommunikation. Ich du er sie wir ihr sie alle sind bekloppt, ohne Ausnahme. Man könnte triumphierend erklären, den Bekloppten gehöre die Welt, aber das wäre nur eine neue Beklopptheit und würde den Kohl auch nicht fett machen.

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Ich habe jetzt fünf Jahre unter Bekloppten verbracht und langsam reift in mir die Erkenntnis: Es reicht. Dabei habe ich noch nicht erklärt, was es, aus meiner Perspektive betrachtet, mit dem Beklopptsein auf sich hat. Wie gesagt, ich habe das Wort weder erfunden noch unter die Leute gebracht. Es kugelt dort draußen herum und verlangt nach einer Definition. Mein Vorschlag: Beklopptheit ist der selbstverschuldete Verlust von Urteilskraft durch kollektiv forcierten Gebrauch und/oder Tabuisierung von Wörtern, die eine objektiv feststehende, aber durch Sprachpolitik überschriebene Bedeutung besitzen. Es sei jedem unbenommen, diese Definition für bekloppt zu erklären. Aber es ist nun einmal die meine und ich versuche sie zu erläutern.

Angenommen, Sie geben sich Mühe, in kleiner oder größerer Runde einen nicht ganz elementaren Sachverhalt zu beschreiben und jemand unterbricht sie wiederholt mit dem Ausruf, Sie verbreiteten »Fake News«, dann wird Sie der Verdacht beschleichen, dass dieser Mensch es mit seinen Unterbrechungen nicht ganz redlich meint und eine politische Agenda abarbeitet. Sie könnten ihn natürlich fragen, welche ›Falschmeldungen‹ er wohl in Ihren Ausführungen zu erkennen glaube. Sie können es auch lassen. Natürlich wissen Sie im voraus, dass seine Lippen sich allenfalls zu einem »Hä?« krümmen würden. Sie kennen auch den Grund dafür: »Fake News« ist für diesen Menschen die Botschaft einer bestimmten politischen Richtung, die er aus vollem Herzen ablehnt und die er hinter Ihren Worten vermutet. Das Wort ›Falschmeldung‹ sagt ihm in diesem Augenblick nichts. Höchstens könnten Sie ein gepresstes »Lüge Lüge Lüge« aus ihm herausquetschen. Aber wer will das schon.

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Es gibt andere, leidenschaftlichere Ausdrücke in der Szene, an denen Sie den Test wiederholen könnten. Gingen Sie ihnen nach und bildeten Sie Reihen aus Ihnen, dann wären Sie schon ganz nah an den Techniken, mit deren Hilfe Computerprogramme aus dem Wust öffentlicher Äußerungen bedeutender und unbedeutender Zeitgenossen ein Profil herausfiltern, das nach dem einfachen Prinzip funktioniert: Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen. Nach diesem Prinzip funktioniert seit jenem Sommer ’15 die Öffentlichkeit der sozialen Medien und die sogenannten Leitmedien … tun es ihnen nicht nach, sie exerzieren es ihnen vor, weil es ihre einzige Möglichkeit darstellt, im Zeitalter der Netze Meinungsführerschaft zu behaupten.

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Der SPD, dieser, glaubt man den Umfragen, Kleinpartei, die sich noch immer als Kleine-Leute-Partei versteht, obwohl sie noch weniger von den Belangen der kleinen Leuten versteht als diese selbst, blieb es vorbehalten, aus jenem Spiel eine politische Strategie abzuleiten, den sogenannten ›Kampf gegen Rechts‹. Rechts ist alles, was rechts von der SPD steht und deshalb bekämpft werden muss. Entsprechend steht alles, was links von der SPD steht, links und damit im richtigen Feld. Dieser umwerfenden Logik folgend gibt es für die SPD links von ihr keine Gegner mehr, gegen die für die eigene Sache zu kämpfen sich lohnen würde. Die Grenze zwischen internen und externen Meinungsverschiedenheiten verwischt sich und schwindet rapide. Folge: die SPD ist, nach links hin, keine eigenständige Partei mehr. Nach rechts hingegen… Denken wir nach. Das rechte Spektrum mit seinen Gegnerschaften, nicht zu vergessen der scharfen Trennlinie zwischen verfassungskonformen und verfassungsfeindlichen Kräften, ist, der binären Kampflogik folgend, nur noch eins: rechts. Der Feind steht rechts – soll heißen: im politischen Feld stehen sich aus der Sicht der Sozialdemokraten zwei feindliche Formationen gegenüber und sonst nichts.

Verrückt?

Nein, bekloppt, denn es folgt der Logik der Überschreibung, die dazu führt, dass ganz normale Mitbürger, Leute wie Sie und ich, mit den einfachsten Realunterscheidungen ›nichts mehr anfangen‹ können und mit diesem »Rechts, Rechts«-Geblöke selbst die Lesungen eines Schriftstellers sprengen, der irgendwann entdeckt hat, dass unter seinem schicken Intellektuellen-Wams das Herz eines ganz normalen konservativ-liberalen Spießers schlägt. Und da der ganz normale konservativ-liberale Spießer, angenommen, er ist Funktionsträger der einzig wahren Regierungspartei, durch das Geblöke gewaltig verunsichert wird (wer lässt sich schon gern in die rechte Ecke stellen?), fängt er ebenfalls an, ›gegen Rechts‹ zu keilen: bekloppt, was sonst?

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Im kulturellen Feld beginnt die Beklopptheit dort, wo die distinkten Differenzen zwischen den um Anerkennung streitenden Gruppen verschwimmen und durch Kampfparolen überschrieben werden. Ein schönes Beispiel dafür bietet die im Greta-Thunberg-Umkreis kursierende Rede vom ›Klimafeminismus‹, die kämpferische Zusammenlegung feministischer mit Klimarettungs-Aktivitäten per Wortmagie. Wer glaubt, das eine habe mit dem anderen nichts zu tun, der hat die Logik der Sprach-Emotionalisierung zum Zweck der Diskurshoheit nicht durchschaut oder er lehnt sie – horribile dictu – ab. Am Ende glaubt er auch noch, jemand könne schwul sein, ohne die Linke zu wählen.

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Der Fisch stinkt vom Kopf. Sobald das politische Feld sich in zwei scheinhomogene feindliche Blöcke zerlegt (oder von einer Seite zerlegen lässt), folgt das kulturelle Feld nach. Die Folgen lassen sich – wo sonst? – in den sozialen Medien Tag für Tag verfolgen: Von der bürokratisch verordneten Gendersprache in Kommunen und Universitäten bis zum Klimafetischismus von Leuten, denen jeder wissenschaftliche Gedanke fremd ist, aber der Weltuntergang jeden Tag näher rückt, klinkt sich alles, was Gehör finden möchte und nach Wichtigkeit verlangt, in den Kampf gegen Rechts ein und wehrt sich erbittert gegen die damit zwangsläufig einhergehende Klassifikation durch die Anderen. Da der Großteil der dabei entstehenden Oppositionen konstruiert, man kann auch sagen, an den Haaren herbeigezogen ist, muss, wie unter Kriegern üblich, die Erbitterung für den Sachverhalt einstehen. Der Streit um des Kaisers Bart kennt viele Verlierer, aber keine Gewinner. Der größte Verlust liegt in der Zeit: Es schmerzt, ein Land im Aufruhr um Schimären zu sehen, während die knappe Zeit verrinnt, die es bräuchte, um seine Verhältnisse zu ordnen.

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Der »Kampf gegen Rechts« war und ist der unredliche Versuch einer Partei, die in der Regierungsverantwortung versagt hat, aus der Verlegenheit der anderen Regierungspartei, die ihrer damaligen Chefin noch immer die Treue hält und daher das Fehlhandeln weiterhin leugnet oder als Schnee von gestern mit immer neuen Zukunftsvorhaben vom Tisch wischen möchte, Gewinn zu schlagen. Bedauerlicherweise bringt es die Logik des Kampfes mit sich, dass der zusammenfabulierte Feind sukzessive ins eigene Denken Einzug hält und es damit aushöhlt, bis die binäre Konstellation von einem bestimmten Zeitpunkt an bloß noch in der eigenen Einbildung existiert. So bekloppt scheint die normale Bevölkerung, wie sie einem jenseits der Hochdruck-Szene der sozialen Medien gegenübertritt, denn doch nicht zu sein, dass sie das nicht bemerkte und auf ihre eigene leise Art mit Vertrauens- und Stimmenentzug reagierte.

Wohin mit der Kultur? Auch hier gibt die Beklopptheit willig Auskunft: in die babylonische Gefangenschaft einer zusehends autoritärer und wirrer agierenden Politik. Kehre den Satz: Die Kultur gibt die Sprache und die Politik bedient sich ihrer um und du erhältst den ›Kehricht‹, der zu sein der Wissenssoziologe Karl Mannheim den Intellektuellen seiner Zeit, nicht ohne grimmige Resignation, einst bescheinigte.

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Fünf Jahre unter Bekloppten sind eine lange Zeit. Ich sehne mich nach Büchern, nach wirklichen Menschen, nach philosophischen Problemen. – Gute Nacht, Leute, schlagt euch nicht zu früh die Schädel ein, ihr könntet sie noch brauchen. Und sei es nur zum Weiterkloppen.