Ernst Eichengrün - Aufnahme: ©EE
Ernst Eichengrün
Notizen zur deutschen Politik

 

Ernst Eichengrün, geb. 1934, war 1967-69 Bundessekretär der Jusos, von 1972 bis 1991 Leiter der Abteilung Politische Bildung im Gesamtdeutschen Institut, von 1982 bis 1991 dessen Vizepräsident.

Ob das Duell Merkel:Seehofer nun beendet oder nur vertagt ist, und wer es (vorläufig?) gewonnen hat, ist ebenso oft kommentiert worden wie die Frage, ob der erzielte Kompromiss in der Migrations-Frage nun effektiv werden kann. Warten wir’s ab!

Viele Medien, lüstern nach Zoff suchend und ihn dadurch weiter befeuernd, werden eh nicht so bald Ruhe geben. Wen es um Personen geht, um Spekulationen über ihre Ziele und Motive, dann kennen sie kein Halten mehr. Das war ja auch zu schön und soll so bald nicht aufhören. Da kann dann auch jeder picklige Volontär munter mithalten. Noch lange nach der Koalitionskrise suhlen sie sich wohlig in den Geschehnissen der letzten Wochen, gleichzeitig treuherzig beteuernd, sie sorgten sich ja nur um das Wohl der Demokratie.

Die ›Vierte Gewalt‹ sieht sich in der Auffassung bestätigt, dass sie tatsächlich die Erste Gewalt ist. So wird das Hauptproblem, nämlich die Migrationsfrage, leicht beiseite gedrängt. Das Signal, das den Rechtsextremen Wind aus den Segeln nehmen sollte, wird so zerredet.

Zuletzt konzentrierte sich erst mal alles auf die Transitzentren. Da tobten sich die Gutmenschen voll aus: Wehe, wehe, wenn da etwa ein armer Flüchtling für auch nur zwei Tage festgehalten wird. Dass es anders nicht geht, wird ignoriert. Dass man so wieder mal volle Pulle auf die böse Politik schießen kann, vielleicht auch, um so allen Zuwanderern zu freiem Eintritt zu verhelfen. Das hehre Prinzip der Humanität wird so in demagogisches Kleingeld umgemünzt.

Dazu passt auch, dass immer noch undifferenziert von ›Flüchtlingen‹ geredet wird, neuerdings sogar von ›Schutzbedürftigen‹. Und munter wird bei jedem Vorschlag so getan, als sei das Asylrecht in Gefahr. Sprache soll das Bewusstsein prägen. Das wird wohl niemals aufhören. Wir aber sollten damit aufhören, Leute, die so agieren, ernst zu nehmen. Was immer sie an Argumenten anbieten, die sind ohnehin nur ein Alibi für eine Politik der weit offenen Tür.

Wichtiger aber ist, dass die umstrittenen Maßnahmen ohnehin bei weitem nicht ausreichen. Bisher hieß es, die Transitzentren seien für alle anderswo Registrierten zuständig. Plötzlich nur noch für die, die im Ausland bereits ein förmliches Asylverfahren eröffnet hatten. (Neu, dass da ein Unterschied besteht). Und die Transferzentren noch nicht mal eingezäunt. Auch die bei der geplanten Schleierfahndung aufgegriffenen Illegalen sollen nicht mehr in diese Zentren kommen.

D.h.: Die nur Registrierten kommen gleich in die Ankerzentren, also die Masse der Ankommenden und Aufgegriffenen kann erst mal das übliche Verfahren durchlaufen – und das kann, selbst wenn es abgekürzt wird, dauern. Von einer Befolgung von Dublin III kann noch nicht mal mehr annäherungsweise die Rede sein.

Und selbst wenn die Zugewanderten dann kein Bleiberecht erhalten, so bleiben sie meist doch und verstärken das Heer der vielen Hunderttausende, die noch als Altfälle aus den letzten drei Jahren hier sind. Alles Leute, die wir unter bewusster Missachtung von Dublin III herein gelassen haben.

Genau diese Altlast mit ihren vielfältigen, lästigen Implikationen ist es aber, die die Einheimischen nachhaltig beunruhigt. Dazu kommen ja noch die Probleme mit der Integration noch früherer Zuwanderer. Ein paar Neuzugänge weniger werden diese Unruhe kaum dämpfen, wenn nicht weitere, und zwar härtere Maßnahmen folgen. Deshalb ist die rasche Umsetzung des Masterplans umso wichtiger. So sehr Frau Merkel sich auch in der Rolle der Allparteien-Kanzlerin sonnt, sollte Berlin nicht ängstlich vor etwaigen Einwänden und vorgeschobenen Argumenten der Dauer-Kritiker zurückschrecken, die obsessiv alles ablehnen, was die Zuwanderung reduziert. Die werden schon sehr bald ihr Dauerfeuer eröffnen; ihr Kampf gegen die Transitregelung war nur die Ouvertüre.

Aber auch der Masterplan wird noch nachfolgende Überlegungen und Regelungen brauchen. Z.B. zur Definition der Gründe, die zur Aberkennung des Asylstatus führen können. Und auch zu der Frage, ob es bei Ablehnung des Schutzstatus wirklich den vollen Rechtsweg geben muss. Und muss man es den Zuwanderer ermöglichen, nach Ablehnung des Asyls ersatzweise den Schutzstatus zu beantragen? (Das Bamf macht das schon automatisch).Soll man ihn nicht dazu zwingen, sich gleich zu Anfang für den einen oder anderen Weg zu entscheiden?

Und, und, und….

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