
Klimaschutz ist nicht alles
Die durch Corona erzwungene Pause der Klima-Proteste und -Aufgeregtheit bietet die Chance, rationaler über das Thema zu reden. Und es ins Verhältnis zu anderen zentralen globalen Fragen zu rücken.
Gastbeitrag von Ludwig Greven
Nach dieser Pandemie, so ein gerne verwendetes Topos, wird nichts mehr so sein, wie es vorher war. Abgesehen davon, dass viele Menschen genau darauf hoffen, gilt es auch in anderer Hinsicht als der gemeinten. Denn konnte man bis zum Ausbruch des Virus zumindest in den veröffentlichten Meinungen in den klassischen und neuen Medien hierzulande den Eindruck gewinnen, dass es nichts Wichtigeres gebe als das Verhindern einer angeblich unmittelbar bevorstehenden Klimakatastrophe, hat die globale Gesundheitskrise die Wertigkeiten drastisch verschoben. Für die gesamte Menschheit ging und geht es jetzt tatsächlich um das unmittelbare Überleben, um ihre wirtschaftliche und soziale Existenz, um eine nicht zu leugnende reale Bedrohung. Und um ihre Freiheiten. Anderes rückt da erst einmal in den Hintergrund.
Raubtierkapitalismus par excellence
von Lutz Götze
Die Nebel lichten sich. Die ubiquitär ob ihrer chaotischen Impfstoff-Ankaufstrategie gescholtene EU-Kommission samt deutschem Gesundheitsminister Spahn scheint, vorerst, nicht mehr das Ziel der Kritik zu sein. Investigative Journalisten von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung haben herausgefunden, wie es sich wirklich zugetragen hat: Brüssel, Berlin und andere EU-Länder haben im Sommer 2020 nicht sofort Dosen in großem Stil eingekauft, weil die Herstellerfirmen BionTech/Pfizer astronomische Preise verlangt hatten: 54,08 Euro pro Dosis. Offenbar dachten die Erzeuger, sie könnten sich eine goldene Nase verdienen: Basierend auf ihrer Monopolstellung, waren sie überzeugt, wenn sie erst einmal den weltweit größten Abnehmer, die Europäische Union, mit diesem Preis erpresst hätten, würden US-Amerika und weitere ›wohlhabende‹ Länder klaglos nachziehen. An Drittwelt-und Schwellenländer war ohnehin nicht gedacht.
Ungelegene Gedenktage
von Johannes R. Kandel
In der Grundschule in den fünfziger Jahren hatten wir einen Klassenlehrer, der Geschichte und Deutsch unterrichtete. Er hatte den Zweiten Weltkrieg als junger Soldat überlebt und war dann ins pädagogische Fach gewechselt. Er war ein guter Lehrer und wenn er mitunter Geschichten aus dem Krieg erzählte, dann waren wir mucksmäuschenstill, weil es erschreckend aber spannend zugleich war. Am Ende des Unterrichts ließ er oft seine Geige erklingen und gab eine Vertonung von Schillers berühmten Versen aus dem Wilhelm Tell zum Besten:
Begeistert sangen wir mit. Unsere Eltern, denen wir das erzählten, haben sich nie beschwert. Das wäre heute völlig undenkbar, ein solcher Lehrer hätte sogleich die Elternschaft, das Lehrerkollegium und die Schulbehörde auf dem Hals: Rüge, Entlassung, Schmähung in den öffentlich-rechtlichen und sozialen Medien.
Patriotismus, geschweige denn Nationalismus, sind mega-out in unserer multikulturellen, kosmopolitischen Gesellschaft der offenen Grenzen und des postmodernen Dekonstruktivismus.
Die Stunde der Demokratie
von Ulrich Schödlbauer
Wenn Albträume wahr werden, nehmen sie die Gestalt politischer Führer an. Warum ist das so? Politik entspringt den Abgründen der menschlichen Existenz. Sie ist – im Kern, versteht sich – Überlebenskunst. Und da die Überlebensstrategie der meisten Leute sich darin erschöpft, sich an die Röcke und Hosenbeine anderer Leute zu klammern, besitzt auch Politik diese zwei Seiten – eine der klammernden Masse zugewandte, die ihr signalisiert, alles wird gut, und eine zweite, auf der Politiker vor allem an sich selbst und ihr Fortkommen denken. Was sie auf dieser abgewandten Seite alles denken, das wissen ihre Geldgeber vielleicht am genauesten, oder, wenn sie auf eigene Rechnung unterwegs sind, ihre Träume, nicht zuletzt ihre Albträume.
Zum Struktur-, Klima- und Wasserwandel in den deutschen Braunkohlerevieren
Gastbeitrag von Uwe Grünewald
Deutschland stellt sich mit großer Vehemenz das Ziel, bis zum Jahr 2038 vollständig aus der Braunkohleverstromung auszusteigen. Dazu gibt es vielfältige gesellschaftliche Diskussionen, staatliche Gesetzesinitiativen und finanzielle Regelungen. Vollkommen unterbelichtet scheinen dagegen die enormen wasserwirtschaftlichen Herausforderungen, die damit verknüpft sind, zu sein. Diese sind in den verschiedenen Revieren und Regionen zwar sehr unterschiedlich. Mit großem Besorgnis stellen aber Wissens- und Erfahrungsträger in den Revieren fest, dass die vielfältigen Aspekte der damit im Zusammenhang stehenden Vorsorge- und Nachsorgemaßnahmen (einschließlich der finanziellen Vorsorge) entweder gar nicht oder vollständig unzureichend in die bundes- und landespolitischen, partei- und regionalpolitischen sowie medialen Darstellungen eingehen. Die folgenden Ausführungen versuchen, aus der Sicht eines über mehrere Jahrzehnte vor allem in der Region Lausitz tätigen Fachwissenschaftlers und Hochschullehrers für Hydrologie und Wasserwirtschaft im Sinne eines ausgewogenen Risikomanagements (Risikoanalyse: Was kann passieren?; Risikobewertung: Was darf nicht passieren bzw. welche Sicherheit zu welchem Preis?; Risikoumgang: Wie kann mit dem Restrisiko bestmöglich umgegangen werden?; Risikokommunikation: Bestmögliche Vermittlung an die Öffentlichkeit) zur Aufhellung und Problembewältigung beizutragen.
Sämtliche Abbildungen mit freundlicher Genehmigung der Urheber. Die frei verwendeten Motive stammen von Monika Estermann, Renate Solbach und Ulrich Schödlbauer.