von Terry Eagleton

Vorbemerkung:

Dass der 11.9.2001 ins kollektive Alltagsbewusstsein eingegangen ist, hat vor allem auch mit seinen weltpolitischen Folgen zu tun. Der unmittelbar danach von der US-Administration offiziell ausgerufene und von den führenden Nationen der »Weltgemeinschaft« grundsätzlich unterstützte »Krieg gegen den Terror« hat sich in mehreren militärischen Interventionen, in lang anhaltenden Kriegen und einer zunehmenden Intensität terroristischer Anschläge manifestiert und sich auf diesem Wege Stück für Stück in die gesellschaftlichen Eingeweide

nicht nur der davon direkt betroffenen Länder eingefressen. Der Regierungsantritt des neuen US-amerikanischen Präsidenten Obama hat daran, trotz aller Reform»euphorie«, nichts geändert. Noch immer ist der »Krieg gegen den Terror« offizielle Politik und prägt die Grundfesten der weltpolitischen Lage ebenso wie die des neuen Deutschland. Und solange er dies tut, behalten kritische Auseinandersetzungen mit der Ideologie des »unbegrenzten Krieges« ihren vollen Aktualitätsgehalt. Der folgende Beitrag stammt von dem britischen Kulturkritiker Terry Eagleton und greift Gedanken auf, die dieser in seinem 2005 erschienenen Werk Holy Terror ausführlich behandelt hat. Der Beitrag erschien im September 2005 in der britischen Zeitschrift Red Pepper. Die deutsche Übersetzung von Hans-Günter Mull entnahmen wir (mit freundlicher Genehmigung) der Kölner Zeitschrift SoZ – Sozialistische Zeitung 11/2005. Christoph Jünke

Eine Menge von dem, was wir uns als traditionell vorstellen – der schottische Kilt bspw. – ist recht modern, und dies trifft auch für den Terrorismus zu. Natürlich sind sich Menschen seit Anbeginn der Zeit gegenseitig an die Gurgel gegangen. Aber der Terrorismus ist auch eine politische Idee, was nicht ganz dasselbe ist, wie seinen Nachbarn in die Luft zu jagen, weil sein TV-Gerät zu laut ist. Und diese Idee ist überraschenderweise jüngeren Datums.

Der Terror tritt, wie so viele andere Dinge in der modernen Welt, während der Französischen Revolution in Erscheinung. Der Terror der Jakobiner hat uns das Wort terroriste hinterlassen, und seine erste Übersetzung ins Englische als terrorist war wahrscheinlich das Werk von Großbritanniens mannhaftestem Gegner der Revolution, Edmund Burke.

Als Ire, dessen Verwandte in antikolonialen Kämpfen aktiv waren und als jemand, der als Kind eine Open-air-Schule im County Cork besucht hatte, wusste Burke einiges über Terror. Wenn das Wort ausgesprochen wurde, dachte er an die öffentlichen Hinrichtungen irischer Rebellen in Dublin Castle, nicht nur an die Guillotine. Aber er dachte auch an die Guillotine, denn für ihn war das, was die französischen Jakobiner vollführten, so ziemlich derselbe katastrophale Irrtum, der auch von den Briten in Irland, Indien und den nordamerikanischen Kolonien begangen wurde.

Burke wird auf der Linken gewöhnlich als ein schroffer alter Tory betrachtet, obgleich er in Wirklichkeit ein liberaler Whig war. Er sprach sich, trotz zorniger Proteste der Wähler seines Wahlkreises, mutig für die amerikanische Unabhängigkeit aus, und in einer spektakulären Sitzung im Unterhaus wandte er sich unbarmherzig gegen Warren Hastings, den Chef der East India Company und Vertreter des britischen Kolonialismus auf dem Subkontinent. Somit war Burke kein Feind des französischen Terrors in der Weise irgendeines alten Reaktionärs. Stattdessen sah er darin den katastrophalen Zusammenbruch politischer Hegemonie. Und er dachte, dass dies auch das Geheimnis des britischen Scheiterns in einigen der bedeutenderen Kolonien war.

Burke war einer starken Dosis Terror als solcher nicht abgeneigt. Im Gegenteil war er ehrlich genug zuzugeben, dass das Recht in gewissem Sinne selbst terroristisch ist und seiner Auffassung nach auch sein muss. Nur auf diese Weise würde es bei seinen Untertanen ein angemessenes Gefühl der Ehrfurcht erzwingen. Und ohne diese sanftmütige Ergebenheit würde in London, wie es in Paris geschehen war, die Hölle losbrechen. Somit war Terror seiner Meinung nach nicht bloß ein plötzlicher Ausbruch von Gewalt in einer ansonsten friedlichen Situation – es gab einen Anflug von Terror selbst bei Recht und Ordnung. Burke glaubte jedoch, mit der Erfahrung der britischen Brutalität in Irland, dass diese einschüchternde Macht des Rechts abgemildert werden müsse, sollte sie wirksam sein. Sie musste auch auf die Zuneigung der Menschen setzen, nicht nur auf ihre Furcht.

Dies sollte Antonio Gramsci später Hegemonie nennen. Burke verfügte wohl nicht über das Wort, aber er vertrat das Konzept. Er glaubte beispielsweise, dass es der anglo-irischen Herrschaft in seinem Heimatland niemals gelungen war, den Übergang von einer herrschenden zu einer hegemonialen Klasse zu vollziehen. Die irischen Kleinbauern fügten sich ihr in der Öffentlichkeit und warteten, dass die Nacht hereinbrach, sodass sie hinausziehen konnten, um dann das Eigentum ihrer Herren zu zerschlagen. Die herrschende Klasse hatte dagegen in Großbritannien, so Burke, über Jahrhunderte hinweg Praktiken und Gewohnheiten entwickelt, die ihr die Zuneigung ihrer Untertanen einbrachten. (Er dachte natürlich noch nicht an Peterloo.*) In Irland war dies beklagenswerterweise nicht gelungen. Und wenn die Hegemonie fehlt, ist man stattdessen gezwungen, terroristischen Zwang anzuwenden.

Burke betrachtete all dies in Begriffen von gender. Das Recht war männlich, aber die Hegemonie ein Weg, es zu feminisieren, es süßer und weicher zu machen. Damit der Zwang funktioniert, muss er sich in das verführerische Gewand einer Frau kleiden. Für Burke vollzieht das Recht eine Travestie. Aber es gibt immer eine hässliche Beule in seinen dekorativen Gewändern. In Burkes Augen sind Frauen schön, während Männer erhaben sind. Und die machtvollste Form der Autorität ist jene, die beides kombiniert. Wie die stereotype weibliche Verführerin muss uns das Recht in ein süßes Vergessen seines eigenen erhabenen Terrors einlullen. Wie Gott ist es mit bloßem Auge schrecklich anzuschauen. Aber wenn wir es durch den Schleier der Hegemonie betrachten, sind seine Edikte eher nach unserem Geschmack.

Burke war nicht nur einer der ersten Theoretiker der Hegemonie, sondern auch einer der ersten Theoretiker des Sadomasochismus. Diese beiden Dinge sind tatsächlich eng miteinander verwandt, was Antonio Gramsci vielleicht überrascht hätte. Wenn wir das Recht lieben, so weil wir in Burkes Augen Vergnügen dabei empfinden, wenn wir tyrannisiert und gedemütigt werden. Freud sollte ein Jahrhundert später fast dasselbe über unser Verhältnis zum Über-Ich sagen. Aber dieser Geschmack daran, beherrscht zu werden, geht für beide Denker nur so weit. Wenn das Recht seine verführerische Verkleidung ablegt und das volle Ausmaß seiner unschönen Macht offen legt – wenn es sozusagen zum Exhibitionisten statt zum Transvestiten wird –, finden wir es abstoßend und revoltieren dagegen. Der Terror bricht aus, wenn die Hegemonie zusammenbricht. Und dies geschah nach Burkes Auffassung zu seiner Zeit in Boston ebenso wie in Bombay.

Auf seine Weise erkannte Burke damals, was zuzugeben kaum ein westlicher Politiker heute den Mut hat: dass die einzige Lösung gegen Terror Gerechtigkeit ist. Das soll keinesfalls heißen, dass er diese schreckliche Macht gebilligt hätte, durch die unschuldige Männer und Frauen buchstäblich ihren Kopf verloren. Im Gegenteil, er war Großbritanniens wortgewandtester Kritiker dessen, was jenseits des Kanals ausbrach. Burkes Äußerungen über den Terror waren nicht heuchlerisch, wie sehr er ihn auch verabscheute. Er war kühn genug anzuerkennen, dass er in gewisser Weise einen Teil des Alltagslebens bildete – so wie für Freud die grausame, rachsüchtige Macht des Über-Ichs und die einschüchternde Kraft des Todestriebs Bestandteile dessen sind, was er Psychopathologie des Alltagslebens nannte. Der Terror ist tatsächlich ein entsetzliches, außerordentliches, moralisch obszönes Ereignis. Aber in einem gewissen Sinne ist er uns auch so nahe wie das Atmen. Nur indem wir uns diesem Phänomen stellen, anstatt es zu verdrängen, können wir hoffen, es zu überwinden.

Wenn der Terror als politisches Konzept zuerst in Frankreich Wurzeln schlug, so ergibt sich daraus unmittelbar eine entscheidende Tatsache. Der Terror begann als Staatsterror, und in dieser Form wurde er auch in der Folgezeit typischerweise angewandt. Der Terror der Jakobiner war kein Schlag einer abgeschlossenen Clique von Fanatikern gegen den Staat, sondern der Schlag einer abgeschlossenen Clique von Fanatikern, die als der Staat bekannt waren. Der Terror hat einen einwandfrei bürgerlichen Stammbaum.

Burke war klug genug, um zu sehen, dass eine Form von Terror am Ursprung der meisten Staaten liegt. Die meisten Staaten entstehen durch Invasion, Okkupation, Usurpation, Revolution usw. Gesetz und Ordnung sind weder auf gesetzlichem noch ordentlichem Weg in die Welt getreten. Dies ist eine weitere Dimension, in der Terror und Alltagsleben – gesellschaftliches Leben – aneinander gebunden sind: ohne den Terror der Vergangenheit keine Gesellschaft der Gegenwart. Das Verstörende an der Französischen Revolution bestand darin, dass sie diese Wahrheit schmerzlich sichtbar gemacht hat. Da dies ein Staat in seinen heftigen Geburtswehen war, zerriss er den Schleier über dieser ursprünglichen Gewalt – was auch für die meisten anderen Staaten galt, aber der größte Teil von ihnen (Großbritannien bspw.) hatte es über die Jahrhunderte geschafft, sich rein zu waschen. Das aus dieser Sicht Entsetzliche am Jakobinerterror war nicht bloß seine blutrünstige Wildheit, sondern die Tatsache, dass er die ideologische Katze aus dem Sack ließ. Und dies ist gewiss einer der Gründe dafür, dass er Westminster einen Schrecken einjagte.

Bürgerliche Gesellschaften sind besonders schamhaft in Bezug auf die Gewalt, durch die sie begründet wurden. Aus diesem Grund haben sich die bürgerlichen Klassen mehr als jede andere gesellschaftliche Formation auf Frieden, Stabilität und Sicherheit festgelegt. Ohne einen solchen Rahmen kann der Kapitalismus nicht funktionieren. Somit sind sie erpicht darauf, den Übergang von Banditen zu Bankiers zu vollziehen. Und wie ein Hippie, der sich an einer juristischen Fakultät bewirbt, müssen sie ihre anrüchige Vergangenheit hinter sich lassen. Sie müssen sie ins politische Unbewusste verbannen, und die Erbsünde unterdrücken, die sie zur Welt brachte. Staaten, die dafür zu roh und zu frisch sind – Israel und Nordirland bspw. – werden wahrscheinlich eine schwere Zeit haben. Sie werden kaum als solch natürliche, unvermeidliche, altehrwürdige Phänomene durchgehen wie Dennis Skinner** oder das Oberhaus.

Doch sich von der Gewalt rein zu waschen, die den Staat begründet hat, ist keine leichte Aufgabe. Denn diese wilde Macht lebt in der Gegenwart fort – und zwar in der Form der Souveränität selbst. Der Terror hört jetzt auf, anarchisch zu sein, und wird »sublimiert«, wie Freud es formuliert hätte, in diese majestätische, einschüchternde Macht, die als Recht und Ordnung bekannt ist. Wie für Freud das Über-Ich und das Es (die chaotischen Kräfte des Unbewussten) auf vertrautem Fuße miteinander stehen, so beziehen paradoxerweise Terror und soziale Ordnung ihre Lebenskräfte voneinander. Der Terror hört auf, gesetzlos zu sein, und wird legitim. Er findet nicht mehr auf dem Kopfsteinpflaster von Paris statt, sondern zieht sich aus der öffentlichen Wahrnehmung in die Gefängnisse und Folterlager geachteter und etablierter Regime zurück.

Aber es gibt noch eine weitere Form, in der der Terror in kapitalistischen Gesellschaften fortbesteht. Burke meinte, dass der marktwirtschaftliche Wettbewerb selbst, mit seinem unerbittlichen Kampf um Vorherrschaft, ein Strang revolutionärer Gewalt war, der den Staat begründete und dabei noch in ihm verbleibt. Ohne diese männlich-aggressiven Energien, so dachte er, würde sich das Leben auf allerschlimmste Weise feminisieren. Wir würden ganz einfach in Apathie und Trägheit versinken. Wir würden übermäßig schön werden anstatt kraftvoll erhaben.

Es ist klar, dass es kein moralisches Gleichheitszeichen gibt zwischen der Explosion eines voll besetzten Busses und dem Hinausdrängen eines Konkurrenten vom Markt. Die Crux ist, dass die kapitalistische Gesellschaft selbst, wie Marx nie müde wurde zu betonen, die revolutionärste Formation der Geschichte ist. Sie ist unaufhörlich dabei zu agitieren, zu verändern, zu zerschlagen, aufzulösen und Neues zu erfinden – und dies alles als Teil des alltäglichen Lebens. Somit ist es eine objektive Lehre, dass Unruhe und Alltagsleben im Kapitalismus keine geschlossenen Erzählungen bilden: zuerst die revolutionäre Unruhe, die zur Staatsgründung führt, dann die gesetzte Ruhe des Alltagslebens. Im Gegenteil sind beide zutiefst miteinander verknüpft. Dies bedeutet auch, dass es stets eine furchtbare Instabilität im Herzen solcher politischer Stabilität gibt, die ihre Feinde ausnutzen können.

Edmund Burkes Zeitgenosse, der Philosoph Hegel, hat genau dies gesehen. Auch er war Zeuge der Geburt der neuen bürgerlichen Ordnung in Frankreich. Und auch er nahm etwas Erschreckendes in ihrem Kern wahr. Den Namen, den er diesem Terror gab, lautete absolute Freiheit – oder, wie er es auch nannte, die »Freiheit der Leere«. Die bürgerliche Gesellschaft träumte von einer Freiheit, die so rein und absolut ist, dass sie keine Grenzen oder Beschränkungen tolerieren kann. Diese Freiheit musste sich in einer beschränkten, aus lebendigen Kreaturen bestehenden Welt zwangsläufig als eine Form von Terror präsentieren. Schließlich wurde diese reine Freiheit ein Hindernis für sich selbst und endete folglich damit, sich selbst zu verschlingen, wie es beim Terror der Jakobiner der Fall war. Am Ende waren die Karren, die auf dem Weg zur Guillotine rollten, mit den Revolutionären selbst gefüllt.

Die absolute Freiheit frisst sich selbst auf. Doch ihre Gewalt dringt heute, wie zu Hegels Zeit, in das Alltagsleben der kapitalistischen Gesellschaften ein. Absolute Freiheit bedeutet negative Freiheit: eine Freiheit von jeder Beschränkung, die Grenzen nur als Barrieren der Humanität, nicht als ihren konstitutiven Bestandteil betrachtet. Die Welt ist nicht durch abgebrühte Zyniker gefährdet, die darauf bestehen, dass nichts möglich ist, sondern durch naive Idealisten, für die alles machbar ist. Viele von ihnen sind als (US-)Amerikaner bekannt. Als die alten Griechen auf diese Art der blasphemischen Übertreibung trafen, nannten sie sie »Hybris« und schauten ängstlich zum Himmel. Und vom Himmel ist auch die tragische Bestrafung gekommen.

Beim Sozialismus geht es nicht darum, die Sterne vom Himmel zu holen, sondern uns an unsere Zerbrechlichkeit und Sterblichkeit zu erinnern, also daran, dass wir einander brauchen. Im Gegensatz dazu betrachtet die absolute Freiheit die Welt als fügsames Material, das in jeder beliebigen Weise behandelt werden kann. Deshalb ist die Postmoderne, oder einige ihrer Aspekte, ihre jüngste Erbin. Bei all ihrer Gier nach Konsum ist diese kompromisslose Freiheit eine virulent antimaterialistische Kraft. Denn es ist die Materie, die uns widersteht, und die absolute Freiheit ist gegenüber solchem Widerstand so unduldsam wie die USA gegenüber dem Widerstand im Irak. Die Welt wird zu bloßem Rohmaterial, das man sich zurechtschneiden kann. Michael Jacksons Nase ist die Ikone dieser Freiheit. Wenn zu solchem Rohmaterial ganze Völker und Nationen werden, handelt es sich um eine Form tödlichen Terrors.

Zumeist wird dieses verheerende Ungeheuer namens absolute Freiheit sicher in einem Käfig gehalten. Es wird von Gesetzen, Verfahrensregeln, Verpflichtungen, den Rechten anderer in Zaum gehalten. Doch der Traum, das einzige Individuum auf der Welt zu sein (womit diese Art der Freiheit schließlich verbunden ist), schwindet nie ganz angesichts des Narzissmus der menschlichen Spezies. Von Zeit zu Zeit bricht dieser Wahnsinn, der im Zentrum der gewöhnlichen bürgerlichen Gesellschaft lauert, daher von neuem aus. Es ist wie bei einem Irren, der seinem Wärter entwischt, um sich auszutoben. So sah Burke die Jakobiner, die im schwarzen Loch ihrer eigenen erhabenen Negativität verschwunden sind.

Mit sich für alle Ewigkeit allein zu sein ist ein traditionelles Bild der Hölle. Doch erstaunlicherweise ist es dieser höllische Zustand, von dem die neokonservativen Fanatiker im Weißen Haus am meisten hingerissen sind. Natürlich nicht für sich selbst, sondern für ihre Nation. Ihre Vision vom Paradies ist eine Welt, die nur die USA enthält, wenngleich dies für manch andere die Vorstellung der Hölle ist.

Es gibt jedoch ein Problem, das sie, wie die Jakobiner, nicht lösen können. Wenn man am Ende jeden Widerstand zerschlagen und unterworfen hat, wer wird dann übrig bleiben, um einem zu sagen, wer man ist? Denn dies lässt sich in der Isolation nicht herausfinden. Identität ist verbunden mit dem Anderssein. Und wenn man das Anderssein nicht tolerieren kann, beginnt nach und nach das eigene Gefühl des Selbst zu implodieren. Man weiß am Ende nichts mehr, zumindest über sich.

Die Nation mit ihren Militärbasen auf jedem Kontinent ist nicht zufällig die in Geografie unwissendste, wenn sie bspw. Malawi für eine Disney-Figur hält. Wie die Jakobiner nach Meinung von Edmund Burke ist sie von einem Übermaß ihres eigenen Lichts geblendet. Schließlich ist es ihre eigene triumphale Technologie, die hilft, sie zu demütigen, wenn ihre Feinde sich dieser Technologie bemächtigen und sie gegen sie wenden. Wie der Kontrahent eines geschickten Judokämpfers ist sie in ihrer eigenen linkischen Kraft verfangen. Dies und nicht ihre Schwäche ist ihr verhängnisvoller Mangel. Und dieser Prozess, bei dem man durch die eigene rohe Kraft zu Boden gezogen wird, vollzieht sich gegenwärtig im Irak.

* Massaker von Peterloo« wurde die brutale Auflösung einer radikalen Versammlung für Parlamentsreform am 16.8.1819 auf dem St.Peter‘s Field in Manchester genannt. Kavalleristen mit gezogenem Säbel trieben 60.000 unbewaffnete Personen, darunter viele Frauen und Kinder, auseinander. Es gab 11 Tote und etwa 500 Verletzte. Für Radikale und Reformer wurde »Peterloo« (ironisch für Waterloo) zum Symbol der Gefühllosigkeit der Tories.]

** Dennis Skinner ist ein »Urgestein« der Labour-Linken und war lange Zeit Abgeordneter im britischen Unterhaus.]