
von Christoph Jünke
Im Frühling 1966 besuchte eine kleine Gruppe von SDS-Aktivisten, allen voran der spätere ›Rädelsführer‹ der APO-Revolte, Rudi Dutschke, die ungarische Hauptstadt Budapest, um sich mit dem in die Jahre gekommenen marxistischen Philosophen Georg Lukács politisch-intellektuell auszutauschen. Der radikale Berliner Student Dutschke hatte sich schon seit längerem mit dem schillernden Ungarn auseinandergesetzt und plante, ihn zum Thema seiner Doktorarbeit zu machen. Besonders interessiert zeigten sich Dutschke und GenossInnen an jenem jungen Lukács, der zu Beginn der 1920er Jahre, in Zeiten der Aktualität der Weltrevolution, die so genannte Offensivtheorie der internationalen Linken, den sofortigen und bündnispolitisch kompromisslosen Übergang zur revolutionären Aktion, theoretisch zu verallgemeinern suchte. Das Gespräch zwischen den Generationen verlief jedoch nicht ganz so, wie es sich mindestens die jungen SDSler erhofften. Lukács scheint sich von ihrem revolutionären Elan reichlich unbeeindruckt gezeigt zu haben.
von Herbert Ammon
Wie real ist die ›braune Gefahr‹, wie verbreitet sind rechtsextremistische Tendenzen unter Jugendlichen, was fasziniert an der Subkultur der Skinheads, an Nazi-Rock und martialischem ›Outfit‹? Wann immer von ›rechten‹ Gewalttaten zu berichten ist – da wird ein Obdachloser totgeprügelt, da wird ein Jugendlicher wegen seines ›linken‹ Aussehens zusammengeschlagen und in der Jauchegrube versenkt – sind die Medien mit Erklärungen schnell zur Hand: Schuld sei der nie überwundene Rechtsextremismus, der im Gefolge der Wiedervereinigung aufgelebt sei und vor allem im östlichen Deutschland seinen Nährboden gefunden habe. Werden ›Experten‹ zu Rate gezogen, so dient bezüglich der Ex-DDR als theoretisches Grundmodell vielfach noch der ›autoritäre Charakter‹ und die Faschismus-Skala, welche die westdeutschen 68er einst bei Th. W. Adorno u.a. erlernten und auf ihre Vätergeneration anwandten.
von Herbert Ammon
Der Pädagoge Micha Brumlik zielt mit seinem Essay auf um das von Erika Steinbach (CDU) und dem 2005 verstorbenen Peter Glotz (SPD) initiierte Zentrum gegen Vertreibungen. Anfangs gehörte er neben Persönlichkeiten wie György Konrad, Ralph Giordano und Alfred de Zayas zu den Befürwortern des Projekts. Er habe sich davon distanziert, als ihm »klar wurde, dass die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen nicht wirklich willens und in der Lage war, sich von ihrem nationalkonservativen und völkischen Umfeld zu lösen« (135). Ungeachtet des von den Initiatoren bekundeten Konzeptes vermutet Brumlik als »das heimliche Motiv vieler vielen (nicht aller) Betreiber der Zentrumsidee« eine »Konkurrenz mit dem Gedenken an die Opfer der Shoah« (117) und meint, jüdische Intellektuelle wie Ralph Giordano, Julius H. Schoeps und Michael Wolffsohn seien »von Steinbach letztlich düpiert worden« (125).
Sämtliche Abbildungen mit freundlicher Genehmigung der Urheber. Front: ©2024 Lucius Garganelli, Serie G