von Felicitas Söhner

Unsere Gesellschaft wird älter und steht vor der Frage, den gesellschaftlichen Folgen des demografischen Wandels zu begegnen; gleichzeitig wird kaum ein sozialer Prozess so disparat diskutiert. Fragen der unterschiedlichen generationalen Prägung und damit zusammenhängendes Konfliktpotential beschäftigen die Forschung nicht zuletzt seit dem Demografiebericht der Bundesregierung (2011) und gelten nach wie vor als aktuell. Wie sich diese Prozesse in der Arbeitswelt auswirken, betrachtet Tobias R. K. Heller im Rahmen seiner Soziologiestudien anhand der Situation in institutionalisierten Organisationen und Unternehmen. Heller geht von drei zentralen Elementen aus, die institutionalisierte Organisationen auszeichnen: eine spezifische Zweckorientierung, eine geregelte Arbeitsteilung sowie eine klare Abgrenzung innerhalb und außerhalb der Organisation. Die Transformation der Arbeitswelt versteht er als einen multifaktoriellen Prozess.

Als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Soziologie der Technischen Universität Dresden befasst er sich insbesondere mit Aspekten der Arbeits- und Organisationssoziologie, Wissenssoziologie, Digitalisierung und Kultursoziologie. Betreut wurde die Arbeit von Dr. Peter Fischer, der sich mit wissenssoziologischen Fragen beschäftigt, und von Prof. Michael Hofmann; dessen Forschungen sich insbesondere sozialstrukturellen und kultursoziologischen Aspekten widmen.

Der betrachtete Beitrag nähert sich der Thematik in fünf Schritten. Zu Beginn unterzieht der Autor die einzelnen in der Literatur beschriebenen Generationen in Deutschland samt den ihnen zugeschriebenen Eigenschaften, Einstellungsmerkmalen und Verhaltenstendenzen einer näheren Betrachtung (bis S. 24) Im nächsten Kapitel wird analysiert, ob die verschiedenen Generationskonstrukte mit dem Konzept ›Generation‹ von Karl Mannheim vereinbar sind und inwieweit sie einer empirischen Überprüfung standhalten (bis S. 39). Diese empirische Überprüfung erfolgt in Form einer Längsschnittuntersuchung von Einstellungen der Nachkriegskohorten unter Kontrolle von Alters- und Periodeneffekten. Der folgende Part behandelt generationelle Positionen und Wertewelten in der Arbeitswelt (bis S. 51). Im fünften Kapitel beschäftigt sich Heller mit der Transformation der Arbeitswelt (bis S. 78). Es werden die Entwicklung der Arbeitswelt in Deutschland in den vergangenen 70 Jahren und die damit einhergehende Veränderung vom Idealbild der Arbeit beschrieben. Das letzte Kapitel vor dem Fazit zieht einen Vergleich zwischen dem Generationenbild und der Milieutheorie (bis S. 91). Hier wird ein Alternativkonzept in Form von zwei milieutheoretischen Aufsätzen vorgestellt, dessen Anwendbarkeit noch zu prüfen ist.

Um den Rahmen einer Buchbesprechung nicht zu sprengen, werden im Folgenden exemplarisch spannende Gedankengänge mit Bezug auf Gesellschafts- und Sozialwissenschaft herausgegriffen.

Heller konstatiert, dass die Ursachen für die vermeintlich intergenerativen Spannungsfelder nicht in den jeweiligen Generationen zu finden sind. Vielmehr seien die vorhandenen Spannungsfelder das Ergebnis eines anhaltenden Transformationsprozesses innerhalb der Arbeitswelt und daraus resultierenden Wertekonflikten. Der Autor betrachtet mögliche Ursachen für die Transformation und zeigt systematisch auf, welche Veränderungen das Idealbild von Arbeit und deren Struktur beeinflusst haben.

Der Verfasser arbeitet heraus, dass sich jede Generation durch ein individuelles Set von Eigenschaften, Einstellungsmerkmalen und Verhaltenstendenzen auszeichnet. In diesem Zusammenhang bemerkt Heller, dass manche Zuschreibungen teilweise identisch, teilweise aber auch widersprüchlich seien. Anhand welcher Kriterien eine klare Differenzierung vorgenommen werden könne, wäre noch zu untersuchen.

Im Zusammenhang des Generationskonzepts stellt der Verfasser die Frage, mit welchen Modellen sich unterschiedliche Perspektiven und die daraus entstehenden Konfliktfelder beschreiben und erklären lassen. Einen möglichen Ansatz findet Heller in der Studie Arbeiten 4.0 Wertewelten des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, die sich mit der Entwicklung der Arbeitswelt in Deutschland und dem Idealbild von Arbeit beschäftigt.

Die Betrachtung von Wertewelten in der Arbeitswelt macht deutlich, dass sich die generationellen Zuschreibungen anhand einer Werteweltstudie in den verschiedenen Ausprägungen der jeweiligen Wertewelt nachvollziehen lassen. Der Autor macht deutlich, inwiefern sich die postulierten intergenerationellen Unterschiede zwar nicht empirisch belegen, doch mittels Alters- und Periodeneffekte weitestgehend erklären lassen.

Der Autor bemerkt, dass die ständige kollektive Neuorientierung von Gesellschaft und Arbeitswelt ein nicht zu unterschätzendes Moment der Unsicherheit berge und einfache Erklärungen für komplexe Sachverhalte viel zu oft unhinterfragt übernommen würden. Basierend auf aktuellen Studien zeigt Heller auf, dass die Einstellungsmerkmale der Alterskohorten der Nachkriegsgesellschaft relativ stabil geblieben sind. Der Autor interpretiert die präskriptive Natur fachlicher Ratgeberliteratur im Sinne einer selbst erfüllenden Prophezeiung hinsichtlich einer strukturellen Gestaltung von Unternehmen und der Anpassung des Verhaltens nachkommender Arbeitnehmer.

In Anlehnung an Sylvia Kade konstatiert der Autor die Existenz von Vertrauensvorbehalten zwischen Vertretern unterschiedlicher Generationen, was Wertkonflikte und Innovationsblockaden auslösen könnte. Daraus resultierende Anerkennungskämpfe führten zu Abschließungstendenzen zwischen den Alterskohorten und der Ablehnung differenter Wertemuster. Als Lösungsansatz für einen daraus resultierenden drohenden Verlust an Erfahrungswissen besonders im Bereich des Wissensmanagements empfiehlt Heller altersgemischte Teams, deren Ziel ein systematischer Wissens- und Kompetenztransfer sowie die Anerkennung jüngerer und älterer Arbeitnehmender ist.

Heller gelingt es, in seiner Werteweltstudie aufzuzeigen, dass die Spannungsfelder innerhalb institutionalisierter Organisationen weniger vom Alter der AkteurInnen, als vielmehr vom inkorporierten Werteapparat des jeweiligen Individuums abhängen. Der Verfasser formuliert den normativen Anspruch an Führungskräfte, ihre Mitarbeitenden nicht nur als Leistungstragende, sondern auch als Menschen mit Sorgen und Hoffnungen wahrzunehmen und die Werte Respekt, Wertschätzung und Anerkennung der eigenen Potentiale und Bedürfnisse ins Zentrum des Umgangs zu stellen.

Zwar scheint die Rezension einer Diplomarbeit ungewöhnlich, doch lässt sich diese begründen mit der Frage des fortschreitenden demografischen Wandels, dem nach wie vor besondere Aufmerksamkeit zu zollen ist, aber auch mit einem vielversprechenden analytischen Zugang, der das Potential zukünftiger Beiträge Hellers verdeutlicht.