Aufnahme: ©rs

Das Einstein in der Kurfürstenstraße war das schönste und legendärste Caféhaus Wiener Prägung in Berlin. Man fand dort die tägliche Weltpresse ebenso wie Leute ›von Welt‹ (oder solche, die sich dafür halten): ›Monde‹ & ›Demi-Monde‹ reichlich, glücklich vereint. Dort auch sitzt der Flaneur, trifft sich mit Leuten, mit denen er beruflich zu tun hat, liest Zeitung, sieht schönen Frauen nach, unterhält sich über Ausstellungen, Theater etc. Die Kolumne des Berliner Philosophen Steffen Dietzsch, Bannkreis, versammelt – in loser Folge – die Resultate seines Flanierens: kleine Glossen, Artikel zur Sache. 

 

… neulich im Einstein

wurde mir wieder mal klar, dass gutgemeint das Gegenteil von gut ist. Da war in den Gazetten ein Bild von der Dresdner Frauenkirche zu sehen, die verdeckt war durch drei vor ihr aufgepflanzte Buswracks … Das waren keine Überreste eines – herkömmlichen – Verkehrsunfalls, auch kein – modernislamistischer – Anschlag auf die Unbedarftheit von Christenmenschen, – es war, wie ehedem lange die Ruine der Frauenkirche, gedacht als Mahnmal gegen Kriegsschrecken.

– Nur, das Gedachte hatte wenig zu tun mit dem Gezeigten: denn diese drei ehemaligen Verkehrsmittel präsentieren sich durch die erklärende Aussage ihres Installateurs als Elemente von Wehrtechnik. Und zwar als wehrtechnische Improvisation einer der am syrischen Bürgerkrieg beteiligten – dschihadistischen – Kampfverbände. Es sind schnell zu errichtende Blockaden gegen feindlichen Beschuss. Die helfen natürlich den gerade zernierten ›Eigenen‹, sind also – völlig legitime – Schutzmittel im Kampfgeschehen. – Nur ist es eben kein Artefakt, um den Krieg selber anzuklagen, sondern um ihn auszuhalten. Es wäre ungefähr so, als wenn die Dresdner vor der Frauenkirche die gute alte Acht-Acht [d.i. die FlaK 18/36/37] aufstellen würden, die ein Schrecken für die alliierten Bomber waren.

War es vielleicht gedacht als Kunstwerk? Dafür aber wäre es zu eindimensional, zu parteiisch, zu praktizistisch, zu wenig allgemein menschlich. Für ein Kunstwerk fehlt den Dingern das Entscheidende: das in ihnen geistig anwesende, gestalthaft Alternative zur Wirklichkeit. Das, was der Installateur uns hier zeigt, ist weniger ein Readymade als ein Fakemade – Aber die wären, wie wir heute (13.Febr. 2017) in der Süddeutschen lesen können, sowieso ›gar nicht auf Wirklichkeit ausgelegt‹. Nun, so einfach ist es auch wieder nicht: ein Fakemade, das diesen Namen verdient, muss ein robustes Täuschungspotential in sich bergen. Es darf nicht einfach keine Tatsache (Ding) sein, nichts Kontrafaktisches, das man schnell erkennt. Wie eben hier: man merkt die Absicht und man ist verstimmt.

Kurzum: die drei Dinger vor der Frauenkirche gehören, wenn überhaupt, an einen anderen Dresdner Ort: auf die andere Elbseite, in die Albertstadt, ins Militärhistorische Museum.