von Hans von Storch
Im Frühjahr 2019 gab es in Deutschland ein starkes Defizit an Niederschlag und erste Zeichen einer ernsthaften Dürre traten hervor. Im öffentlichen Diskurs wurde dies als weiterer Hinweis auf den Klimawandel gedeutet und damit abgehakt. Die Frage nach dem Umgang mit dieser Dürre, also der Anpassung, wurde medial nicht gestellt.
Das zurückliegende Frühjahr war ungewöhnlich, und der Deutsche Wetterdienst stellte fest: »Der April 2020 war in Deutschland sehr mild, extrem trocken und der sonnenscheinreichste April seit 1951 … In großen Teilen Deutschlands hat es in den ersten drei Aprilwochen nicht geregnet. Damit setzte sich eine seit März andauernde sehr trockene Witterungsphase fort. Erst ab dem 28.4. schwächte sich diese Situation durch flächendeckend intensive Niederschläge ab… Aufgrund der feuchten Witterung im Februar und der ersten Märzhälfte waren die Böden bis März im Deutschlandmittel gut mit Wasser gefüllt und die Bodenfeuchteverhältnisse waren in den oberen 60 cm im Normalbereich. Der frühe Beginn der Vegetationsperiode hatte zur Folge, dass der Wasserbedarf der Pflanzen im März und April 2020 im Vergleich zu den Vorjahren erhöht war. Fast zeitgleich mit dem Beginn der Vegetationsperiode setzte eine trockene Witterungsphase ein, die von Mitte März bis Ende April andauerte. Die sonnenscheinreiche Witterung, sehr trockene Luft und zeitweise auch frischer bis starker Wind führten zu relativ hohe Verdunstungsraten. Der Wasserbedarf der Pflanzen war in diesem Zeitraum also deutlich höher als die Niederschlagsmenge und musste aus dem im Boden gespeicherten Wasser gedeckt werden. Eine Folge: Vielerorts war der potentielle Wasserbedarf der Vegetation im genannten Zeitraum deutlich größer als die Wassermenge, die durch den Bodenwasserspeicher in der durchwurzelten Bodenzone zur Verfügung gestellt werden konnte.« Zur Erklärung wird auf eine besondere Konfiguration der Großwetterlagen verwiesen, wobei in der DWD-Presseerklärung offenbleibt, inwieweit diese vom Klimawandel betroffen ist.
Vor allem Forst- und Landwirtschaft stehen vor der Frage, wie damit umzugehen ist. Wenn es ein singuläres Extremereignis wie etwa im Jahre 1473 wäre, dann hieße es, auf das nächste Jahr zu hoffen, wenn es aber Ausdruck des Klimawandels wäre, dann muss man sich darauf einstellen, dass es so bleibt oder vielleicht sogar noch schlimmer wird.
In dem Beitrag Dürre Gewissheiten im Salonkolumnisten werden einige einschlägige mediale Einschätzungen aufgeführt – ZDF heute vermeldete am 25. April: »Deutschland steht wohl vor seinem dritten Dürre-Sommer in Folge!« … Der Co-Vorsitzende der Grünen im Bundestag, Anton Hofreiter, verkündete: »Wir sehen das ja gerade an der April-Dürre: Die Klimakrise geht nicht weg, nur weil ein Virus da ist.« Der EU-Abgeordnete Martin Häusling bestätigte bei Twitter: »Ja, das ist der Klimawandel« und Renate Künast behauptete: »Deutschland steht wohl vor seinem dritten Dürresommer in Folge! Förster und Bauern sind alarmiert, Experten sprechen von klaren Zeichen des Klimawandels.«
In den Medien ist die Frage entschieden – es ist der Klimawandel: die Dürre sei Ausdruck, ja Beweis für den Klimawandel und unterstreiche erneut die Notwendigkeit des energischen Klimaschutzes. Die Klimaforschung findet dagegen, dass die geringe Niederschlagsmenge zwar selten aber nicht jenseits aller Erfahrungswerte liegt, die Häufung trockener Frühjahre seit mehreren Jahren jedoch auffällig sei. Aber diese Änderung passt nicht so recht zu den Szenarien, die uns Klimamodelle ankündigen als sichere Folge der andauernden Freisetzungen von Treibhausgasen. Im Regionalen Klimaatlas für Deutschland findet man »Nach dem aktuellen Stand der Forschung ist die Änderung des Niederschlags bis Ende des 21. Jahrhunderts (2071-2100) im Frühling im Vergleich zu heute (1961-1990) unklar. Einige Modelle zeigen eine Zu-, andere eine Abnahme. Die Spannbreite dieser Änderung kann zwischen –14% und +39% liegen. Innerhalb dieser Spannbreite sind alle Änderungen aus heutiger Sicht plausibel.« Auch für 2011-2040 ist die Streuung der Erwartung ähnlich, mit möglichen Änderungen zwischen –12% und 23%. Es gibt mehr und stärkere Szenarien, die auf einen Anstieg der Niederschläge verweisen, und weniger und schwäche Szenarien, die eine Minderung der Szenarien erwarten lassen. Dürre könnte also konsistent mit den Erwartungen der Klimamodelle sein, könnte aber auch im Widerspruch stehen. Man weiß es nicht.
Die Medien wissen es offenbar besser, und die Klimamodelle machen etwas falsch.
Aber nehmen wir mal an, die Medien hätten Recht – wie ist dann der Ruf nach Aktion zu verstehen? Dass die Freisetzung von Treibhausgasen zu mindern ist, um den Klimawandel akzeptablen Grenzen zu halten, ist beschlossene Sache.
Aber der Klimawandel, etwa gemessen in der Änderung der global gemittelten Lufttemperatur, kann recht gut spezifiziert werden als proportional zur Summe alle Emissionen von CO2 & Co seit Ende des 19. Jahrhunderts. Man spricht vom ›Budgetansatz‹. Solange man also nicht CO2 aus der Atmosphäre entfernt, geht der Klimawandel nicht zurück. Er entwickelt sich nur langsamer. Im Falle der Dürre also geht die vorgeblich durch den Klimawandel bewirkte zusätzliche Neigung zu Dürre nicht etwa zurück, sondern nimmt ›nur‹ weniger stark zu. (Nebenbei bemerkt ist dies der Grund warum die stark geminderten Emissionen als Folge des Corona-Lockdowns nicht zum ›Stoppen‹ des Klimawandels führen, nur zu einem auf längere Sicht unerheblichen Stottern, wenn nicht ein struktureller Wandel eingeleitet wird.)
Die Forst- und Landwirtschaft in den betreffenden Gebieten hätten also für den Umgang mit der Dürre keine direkten Vorteile durch eine verschärfte Klimaschutzpolitik. Das bedeutet nicht, dass diese nicht erforderlich ist, um den Klimawandel in Schach zu halten, aber die ›gute alte Zeit‹ kommt auch bei Erreichen des Pariser Ziels eines geminderten Klimawandels von nur 1.5 Grad nicht wieder. (Abgesehen davon, dass dies Ziel von kaum einem Klimawissenschaftler für erreichbar gehalten wird.)
Hier müsste jetzt die ›andere‹ Komponente der Klimapolitik ins Spiel kommen, die Anpassung. Nicht, weil sie die Verfolgung des Pariser Ziels obsolet machen würde, sondern weil die betroffenen Land- und Forstwirte Hilfe brauchen, um die Dürren überstehen zu können. Anpassung hieße hier vor allem: andere Arten, andere Bewirtschaftung. Und für diesen Zweck betreibt die Bundesregierung eine eigenes »Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen« – das Julius-Kühn-Institut. Aber dies Institut kommt im Diskurs über Klimawandel und den Umgang damit medial nicht vor. Weil ›Anpassung‹ ein Wort ist, das klimabewegte Meinungsmacher nicht benutzen; es lenkt ab, heißt es, von der Hauptaufgabe der Minderung der Emissionen. Jemand, der der Anpassung das Wort redet, ist Klimawandelverharmloser. Also bliebt das Thema in den Hinterzimmern bei Praktikern, die versuchen zu helfen, mit den konkreten unvermiedenen Folgen des Klimawandels umzugehen.
Tatsächlich ist ›Anpassung‹ eine unvermeidbare Konsequenz aus dem menschgemachten Klimawandel. Denn dieser ist ja schon da, auch wenn er sich weiter ausbildet. Der Teil der Veränderungen, der schon eingetreten ist, wird nicht wieder verschwinden, und muss – wie oben ausgeführt – mit Anpassung begegnet werden. Was in öffentlichen Diskurs zu dem Paradoxon führt, dass alles Mögliche Klimawandel bedingt ist – also prinzipiell nicht rückgängig gemacht werden kann –, aber dennoch nicht durch Anpassung versucht wird, in seinen Folgen zu mindern. Was wohl ein Hinweis ist, dass es mit dem ›Hören auf die Wissenschaft‹ nicht allzu weit her ist.
Anpassung und Vermeidung sind kein Gegensatzpaar, es geht nicht um Anpassung oder um Vermeidung, wie gerne insinuiert wird, sondern es geht darum, beide Ansätze zu nutzen – den Klimawandel soweit zu mindern wie machbar, und den Umgang mit dem nichtvermiedenen Klimawandel zu ermöglichen.