Ernst Eichengrün - Aufnahme: ©EE
Ernst Eichengrün
Notizen zur deutschen Politik

 

Ernst Eichengrün, geb. 1934, war 1967-69 Bundessekretär der Jusos, von 1972 bis 1991 Leiter der Abteilung Politische Bildung im Gesamtdeutschen Institut, von 1982 bis 1991 dessen Vizepräsident.

Ach, dieser Trump! Die Liste der Wörter, die ihn zutreffend beschreiben können, ist längst erschöpft. Bis auf dieses vielleicht: Der hemmungslose Wilhelm II. wurde seinerzeit von den Engländern als »fabulous monster« beschrieben.

Aber die zum Ritual gewordene Beschimpfung führt auch nicht weiter. Für uns bleibt die Erkenntnis: Wir müssen irgendwie mit ihm klarkommen. denn wir sind weiterhin auf die USA angewiesen. Sogar noch mehr. Wir müssen vermeiden, dass wegen Trumps der hiesige emotionale Anti-Amerikanismus wächst. Und wir dürfen nicht in die Lage kommen, uns mit Russland und China gegen ihn zu verbünden.

Schließlich: Auch ein Trump kann mal recht haben, zumindest im Prinzip, wenn auch nicht in der Methode. So beim aktuellen Anlass – der Iran-Frage.

In einem hat Trump Recht, auch wenn er das so ausdrücklich nicht sagte: Der Iran ist eine große Gefahr, vor allem für Israel. Wir können ihn nicht einfach gewähren lassen, auch wenn Obama erst das Vakuum geschaffen hat, das der Iran jetzt nutzt. Doch die aktuelle Krise hat aktuell weniger mit der Atomfrage zu tun, sondern liegt immer deutlicher an der Präsenz iranischer, von Rohani nicht kontrollierbarer Revolutionsgarden in Syrien und der Entwicklung iranischer Raketen, von der gewachsenen Stärke der Hisbollah im Libanon und der Militanz der Hamas ganz zu schweigen.

Zu lange hat der Westen die iranischen Aktivitäten gegen Israel hingenommen. Sie sind brandgefährlich, und ob die israelischen Gegenschläge sie stoppen können, ist offen. Wie mit dieser iranischen Machtprojektion umgehen? Neue Friedensinitiativen Israels, wie sinnvoll sie in den letzten Jahren auch gewesen sein mögen, wären in dieser Situation kontraproduktiv, würden sie doch von den Arabern als Schwächezeichen gedeutet, wie sie es auch sonst so gerne tun. Selbst eine bedingungslose Räumung der Westbank würde ihren Appetit nur vergrößern. Siehe Räumung des Gaza-Streifens.

Israel ist nach wie vor auf die USA angewiesen. Nur der amerikanische Schutzschild kann es im Ernstfall retten. Doch Trumps angekündigter Rückzug aus Syrien nähme ihm eine der Basen, von denen aus er bequem den Iran erreichen könnte.

Was kann der Westen tun?

Aktuell ist die Atomfrage nachrangig. Für Teheran ist sie nicht aktuell. Eine Drohung mit der israelischen oder amerikanischen Atombombe könnte den Iran nicht eindämmen und ihn nicht von seinen hegemonialen Ambitionen abbringen. Sie könnte erst recht nicht den Iran aus Syrien drängen oder die Hisbollah aus dem Libanon.

Trump, dem strategisches Denken fern liegt, hätte besser daran getan, zweigleisig zu handeln: Mit der diskreten, aber umso deutlicheren Androhung von Sanktionen den Weg zu Verhandlungen zu öffnen, ohne die angedrohten Maßnahmen gleich einzusetzen. Doch er hat eingleisig operiert und so den Weg zu Verhandlungen blockiert, zugleich die europäischen Partner hemmungslos brüskiert. Nicht nur das: Er will die Europäer mit Gewalt mit in die Sanktionsfront zwingen.

Erschwert hat Trump die Lage dadurch, dass er in seinen Zielkatalog auch den Systemwechsel aufgenommen hat. So gut dieser auch wäre – so geht es einfach nicht. Selbst in seiner Nordkorea-Politik hat Trump dieses Ziel ausgelassen. Und das Argument, dass im Falle Nordkoreas militärische Drohungen etwas bewirkt hätten, sticht nicht, denn auch China hatte seinen Anteil an der Entschärfung der Situation. Ohnehin ist der Iran der wesentlich dickere Brocken.

Die jetzt viel beschworene »Politik der Stärke« sollte nicht überstrapaziert werden. Mit ihr konnte die SU eingehegt und abgeschreckt, aber nicht zurückgedrängt werden; den Regimewechsel hat sie nicht erzielt. Der gelang nur, als die SU aus wirtschaftlichen Gründen das Wettrüsten aufgeben musste, woraufhin sie wie ein Kartenhaus zusammenbrach. Letzteres hatte im Westen aber kaum einer vorhergesehen, geschweige denn geplant. Mitgewirkt am Zusammenbruch hat freilich – vor allem in den Satellitenstaaten - die allmählich gewachsene Kritik in der Bevölkerung. Die aber konnte sich freier entfalten, nachdem es das KSZE-Dokument mit seinem Korb 3 gab. Das Dokument aber war vom Westen mit Moskau ausgehandelt worden! Also eine zweigleisige Politik des Westens.

Iran ist nun mal eine Regionalmacht geworden, die allenfalls abgeschreckt, eingehegt oder eingebunden werden kann. Und diese Aufgabe hat mit der Atombombe, selbst wenn es sie denn schon gäbe, gegenwärtig nichts zu tun – jedenfalls aus militärstrategischer Sicht, wohl aber umso mehr auf der Ebene der politischen Strategie: Hier gilt es, durch eine gut dosierte Mischung aus Druck und Verhandlungen den Iran zur Einsicht zu bewegen, dass ein Mindestmaß an Kooperationsbereitschaft und die Friedenserhaltung auch für ihn nützlich sein könnten.

Das kann durch stillschweigendes Einverständnis, aber auch durch förmliche Kompromisse erreicht werden. Das war der Weg, der mit dem Atom-Abkommen beschritten worden war. Das war für den Iran eine ganz neue Erfahrung, die ihn vielleicht hätte daran gewöhnen können. Zugegeben, ein langer, mühsamer Weg ohne Erfolgsgarantie.

Womöglich ist dieser Weg jetzt verbaut. Ohne die USA kann Europa kein gewichtiger Verhandlungspartner sein. Aber mit den USA wird Teheran vorerst wohl kaum verhandeln wollen. Schon aus Gründen der Gesichtswahrung. Die USA sind ja nicht nur seit der Ayatollah-Herrschaft zum Erzfeind hochgespielt worden; viele säkulare Iraner haben nicht vergessen, dass es die USA waren, die es im Zusammenspiel mit England im Interesse ihrer Ölmultis der Armee ermöglichten, 1953 den Ministerpräsidenten Mossadek zu stürzen. Mossadek war nicht nur einer, der im Interesse seines Landes handelte, sondern auch einen säkularen und demokratischen Iran schaffen wollte. Weswegen damals auch die Mullahs den Putsch mittrugen.

Doch Europa sollte es noch mal mit Teheran versuchen. Mit Beschwichtigung hätte das nun wirklich nichts zu tun. Wohl aber mit Realismus.

Eine förmliche Revision des Abkommens wäre jetzt wenig sinnvoll, wohl aber eine neue mehrgliedrige Verhandlungslinie, vielleicht anknüpfend an konstruktive Verhandlungen über Syrien. Wenn sie denn mal konstruktiv werden würden.