
von Peter Brandt
In der Einstellung zum gegenwärtigen Krieg in der Ukraine geht ein Riss durch die deutsche Bevölkerung, der aber in der relativ uniformen veröffentlichen Meinung nicht abgebildet wird. Hier hebt sich die Medienwelt der Bundesrepublik negativ ab von etlichen westlichen Ländern einschließlich der USA, wo die Debatte viel offener geführt wird. Stattdessen erleben wir eine Diffamierung derjenigen, die für Waffenstillstand und Verhandlungsinitiativen eintreten, verbunden mit regelrechter Verfälschung ihrer Positionen und Motive. Doch die Andersdenkenden sind nicht länger gewillt, sich zu ducken. Sie artikulieren ihre Standpunkte vermehrt und in größerer Zahl.
Die fast unlösbare Aufgabe besteht darin, weder von der Macht der anderen, noch von der eigenen Ohnmacht sich dumm machen zu lassen.
Theodor W. Adorno
von Christoph Jünke
I
Anders als noch vor zehn bis fünfzehn Jahren weithin behauptet, wurde die letzte Dekade keine gute Zeit für linke Politik und für die Linke im weitesten Sinne des Wortes. Die weltökonomische Krise von 2008ff. sollte einmal mehr im neoliberalen Sinne gelöst werden, das heißt: zu Lasten der nationalen wie der globalen Peripherien, zu Lasten der Prekären und Ausgegrenzten, der Lohnarbeiter*innen- und Mittel-Klassen, zu Lasten aber auch der natürlichen, ökologischen Grundlagen menschlicher Vergesellschaftung. Und einmal mehr sollte diese Krisenlösungsstrategie den Grund legen für neue soziale Verwerfungen und für den sie begleitenden Aufschwung einer auf Spaltung und Rassismus setzenden Rechten, während die globalen Klima- und Umweltkatastrophen bislang nur für eine kleine jugendgenerationelle Revolte reichten. Viele der neuen globalen Turbulenzen und Verwerfungen, der Islamismus und die arabische Rebellion, der Aufstieg und Fall der lateinamerikanischen Linken, die autoritäre Formierung Russlands und Osteuropas, aber auch die Integrations- und Legitimationskrise der Europäischen Union von der Osterweiterung über die Eurofinanz- zur Migrationskrise, vom türkischen Erdoganregime über die Ukraine 2014 bis zu Syriza 2015 und zum Brexit 2016, waren begleitet auch von weitreichenden linken Hoffnungen (von Hugo Chavez und Alexis Tsipras bis Jeremy Corbyn und Bernie Sanders) und endeten in politischer Katerstimmung.
von Helmut Roewer
Seit mehr als zwei Monaten ist die Salz- und Gipsstadt Bachmut (Бахмут; russisch: Artjomowsk – Агтемовск) das Zentrum eines gnadenlosen Abnutzungskrieges zwischen den russischen Angreifern und den ukrainischen Verteidigern. Die nachfolgenden Gedanken sollen nicht den Eindruck erwecken, als wüsste ich, wie diese erschreckende Blutmühle zu beenden wäre. Meine Überlegungen können nur eine Annäherung sein, der gerne widersprochen werden darf.
Die Schlacht um Bachmut gehört in den Gesamtzusammenhang des Ukrainekrieges, der spätestens zu Beginn des Jahrs 2014 mit dem militärisch-blutigen Vorgehen ukrainischer Truppen gegen die in der Ostukraine (dem Donbass) lebenden ethnischen Russen begann. Er wurde erst dann allgemein zur Kenntnis genommen, als russische Truppen die Grenze zur Ukraine am 24. Februar 2022 überschritten.
von Ulrich Schödlbauer
Lieber Hans,
… Man nimmt die Welt für wahr, nicht für gut oder böse oder veränder- oder nicht veränderbar. Es liegt ein Einstellungswechsel darin, gegen den sich das Alltagsgemüt, wenn es nicht gerade die Blumen am Zaun bewundert, großenteils sträubt. In gewisser Weise handeln ja auch die von Dir zitierten Biermann-Zeilen (»Ich lieg in der beßren Hälfte ... Du, lass dich nicht verhärten...«) davon. Nur dass Biermann gern mit der Tür ins Bett fällt.
von Johann Lauer
Bundespräsident Steinmeier verleiht heute seiner ehemaligen Chefin und Förderin den höchsten deutschen Orden. Kann man Frau Merkel auf eine Stufe mit den beiden Kanzlern, Adenauer und Kohl stellen? Wenn dies nicht der Fall ist, dann haben wir es mit modernem Nepotismus zu tun. Eine abgehobene politische Klasse fördert sich gegenseitig mit Ämtern und Orden.
Der nachfolgende Vergleich vor allem der außenpolitischen Leistungen von Kohl und Merkel zeigt, dass es geradezu ein Frevel wäre, Frau Merkel auf eine Ebene mit Kohl zu stellen. Kohl, ›der Provinzler aus Oggersheim‹, hat von allen deutschen Kanzlern die besten Ergebnisse in der Außenpolitik erzielt. Merkel, ›die Führerin des Westens‹, liegt genau auf dem anderen Extrem, sie ist die bei weitestem überschätzte Politikerin.
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Sämtliche Abbildungen mit freundlicher Genehmigung der Urheber. Front: ©2023 Monika Estermann: Lascaux