
von Hans von Storch
Es gibt viele, die die Verwendung von Facebook ablehnen als nervende Gerüchteküche und Plattform für Schwachköpfe aller Art. Das kann schon sein, aber dennoch bin ich dort aktiv, gerade weil ich dort viele ungefilterte Meinungen, Wahrnehmungen und Deutungen finde. Die mich ahnen lassen, wie der Markt der Wissensansprüche aussieht. Aber klar, Schwachköpfe aller Art gibt es dort, aber der eigene zivilisierte Umgang hilft da schon bisweilen. Aber vielleicht ist man ja selbst auch nur ein Schwachkopf.
Soweit die Vorrede – hier geht es darum, dass auf Facebook jemand von diesem Buch erzählt und kurz skizziert hat: Jon Naustdalslids Klimabedrohung – eine Krise der Demokratie?. Genauer Klimatrusselen - krise for demokratiet?. Ein skandinavischer Text, was für viele schon genug Herausforderung ist, aber genauer: Nynorsk … Ich habe mich durchgearbeitet – es ging dann doch – und durfte feststellen, es mit einem Autor zu tun zu haben, mit dem ich wirklich einig bin, zumindest in Bezug auf den Inhalt seines Buches.
von Heinz Theisen
Henry Kissinger sieht den Westen heute am Rande eines Krieges mit Russland und China über Themen, die wir teilweise selbst geschaffen haben, ohne eine Vorstellung davon, wie das überhaupt enden wird oder wohin es führen soll. Alles, was man tun könne, sei, die Spannungen nicht zu verstärken und Optionen zu schaffen, aber dafür müsse ein bestimmtes Ziel vorhanden sein.
Ein solches Ziel könnte eine multipolare Weltordnung sein, die nach dem Scheitern des westlichen Universalismus und des Globalismus die Machtpole USA, China, Russland, Indien und gegebenenfalls Europäische Union sich gegenseitig begrenzen und in ihren Einflusssphären anerkennen würde.
von Helmut Roewer
In diesem Beitrag versuche ich, die Entwicklung des Ukraine-Konflikts der letzten neun Monate so zu schildern, dass die Verlautbarungen beider Seiten gegeneinander abgewogen werden können. Dies ist das dritte Mal, dass ich mich zum Thema zu Wort melde. Gegenwärtiger Anlass ist die Ankündigung des russischen Präsidenten Putin, die Gas-Zufuhr über Northstream I ab dem 8. September 2022 so lange zu sperren, bis die Sanktionen gegen sein Land aufgehoben werden. Diese Maßnahme trifft in erster Linie Deutschland. Das ist Anlass genug, um Bilanz zu ziehen.
Ein zusätzlicher Grund, diesen Artikel zu schreiben, ist dem Bedürfnis geschuldet, dem Neu-Guru aller Alternativen, Thilo Sarrazin, zu widersprechen, der sich soeben ganz im Sinne des Wertewestens über die von ihm befürwortete verschärfte Kriegführung gegen Russland geäußert hat (Tumult III/2022, S. 8-13).
von Herbert Ammon
Aus universalgeschichtlicher Sicht hat Geopolitik – die Dialektik von Macht, Raum und Zeit – eine bis in die Zeit der alten Hochkulturen zurückreichende Vorgeschichte. Die Schwäche des Begriffs liegt in seinem Determinismus, sein heuristischer Wert in der Wahrnehmung der geographischen und geographisch-historischen Bedingungen politischen Handelns. Er wird sinnfällig in dem Diktum des finnischen Diplomaten und Staatspräsidenten Juho Kusti Paasikivi (1946-1956) im Hinblick auf die prekäre Lage Finnlands im Schatten des (sowjet-)russischen Imperiums: »Man kann nicht gegen die Geographie seines Landes Politik machen.« Im Hinblick auf Putins Krieg wäre derlei Einsicht dem ukrainischen Präsidenten Selenskyi zu wünschen gewesen. Er kam dazu – mit Neutralitätsangeboten an Putin – in den ersten Tagen nach dem russischen Angriff am 24. Februar 2022, als es dafür zu spät war.
Peter Brandt
Seien wir ehrlich: Die Wenigsten von uns haben damit gerechnet, dass Russland die Ukraine angreifen würde. Ich selbst habe es nicht für undenkbar, aber für äußerst unwahrscheinlich gehalten – wie auch die meisten Experten – und in dem Truppenaufmarsch noch Mitte Februar 2022 eine Drohkulisse gesehen. Alle moralischen Gesichtspunkte beiseite gelassen, war vorhersehbar, dass die militärische ›Spezialoperation‹ die NATO zusammenschweißen und die Führungsrolle der USA im ›Westen‹ wie seit langem nicht mehr befestigen würde. Dieser Effekt ist sogar überboten worden durch den schnellen Beitritt Schwedens und Finnlands zum Atlantischen Bündnis, zweier Staaten mit einer über zweihundertjährigen bzw. beinahe achtzigjährigen Tradition blockfreier Außen- und Verteidigungspolitik.
Der Krieg im Osten des Kontinents ist auf der ersten Ebene ein legitimer Verteidigungskrieg der seit 1991 souveränen Ukraine gegen einen unprovozierten Angriff. Dabei spielt die Qualität der inneren Ordnung der Ukraine zunächst keine Rolle: Auch defizitäre Demokratien, korrupte und/oder autoritär regierte Staaten dürfen nicht militärisch attackiert werden. Die Ukraine verteidigt insofern ihre staatliche Unabhängigkeit und nichts weiter – entgegen der NATO-Lyrik von ›unserer Freiheit‹ und ›unseren Werten‹, die am Dnepr verteidigt würden.
Seite 6 von 7
Sämtliche Abbildungen mit freundlicher Genehmigung der Urheber. Front: ©2023 Monika Estermann: Lascaux