von Heinz Theisen
Globales Denken als lokaler Ruin
Zu den großen Paradoxien der Gegenwart gehört der Wechsel der einstmals »antiimperialistischen Linken«, die im Gefolge der USA zur Eroberung des eurasischen Raumes in die Ukraine vorgerückt sind. Heute verteidigen sie dort mittels Waffen- und Finanzhilfen den NATO-Mitgliedsanspruch der Ukraine unter Inkaufnahme schwerster eigener Verwerfungen: ihre einstige Entspannungspolitik, die infantile Parole vom »Frieden schaffen ohne Waffen«, aber auch die billige Energie aus Russland - alles dahin.
Gewonnen haben sie dafür den Brückenschlag zu den Alt-Atlantikern mit Friedrich Merz an der Spitze. Gemeinsam bildet diese neue Achse eine Front des freien Westens gegen die nicht zuletzt durch das westliche Vordringen gebildete »Achse der Autokraten«. Entscheidend ist für sie das moralisch erhebende Gefühl, für die Universalität der westlichen Werte einzutreten und zumindest andere dafür kämpfen zu lassen.
Donald Trump stand immer quer zu solchen universalistischen Projekten. Die Linke glaubte anfangs, ihn mit Spott und Häme besiegen zu können. Nach dem Diktat von Schottland ist ihnen das Lachen vergangen. Es offenbarte nämlich, dass die EU Trump und den USA wohl Moral, aber keine Macht entgegenzusetzen und sich in Zukunft mit der Rolle des Schutzgeldzahlers zu begnügen hat. In dieser tiefen Demütigung liegt die Chance, dass sich die EU von ihrer größenwahnsinnigen Rolle des universalistischen Moralweltmeisters verabschiedet und sich in neuer Bescheidenheit in eine einerseits wehrhaftere, andererseits von den USA abhängige Rolle innerhalb des Westens einfügt. Die Europäer werden die Gesetze der Macht neu erlernen müssen.
Trumps Strategie der Selbstbehauptung des Eigenen durch Selbstbegrenzung gegenüber anderen Mächten gilt auf jeden Fall für die USA, wenn die Europäer es denn wollen, auch für den gesamten Westen. Sie verlangt Respekt vor den Grenzen und Einflusssphären anderer Mächte in der multipolaren Welt und umgekehrt die konsequente Kontrolle der eigenen Grenzen. Statt um Universalismus geht es um eine Koexistenz der Mächte in einer multipolaren Welt. In ihr wären die Europäer Untermieter eines von den USA dominierten wehrhaften und sich zugleich beschützenden Westens.
Trump scheint im Rahmen dieser Strategie bereit zu sein, die Ukraine der Einflusssphäre Russlands preiszugeben. Im ersten Anlauf wollten die Europäer ihm darin nicht folgen. Der einstweilige Kompromiss lautet, dass die EU ihre Waffen für den Krieg in der Ukraine in den USA kaufen müssen. Auf diese Weise vereinen sich vorläufig der idealistische Imperialismus der Europäer und die rüde Geschäftspolitik Donald Trumps, mit der er, anders als die verlogenen europäischen Politiker, jedoch ein Wahlversprechen einlöst.
Trump hat klargestellt, wer im Westen der Herr im Haus und wer der Knecht ist. Auf diese Weise hat er den Westen, zu dessen neuer Wehrhaftigkeit es keine Alternative gibt, neu strukturiert. Solange der Kampf gegen den falschen Feind im Osten statt gegen den richtigen Feind aus dem Süden geführt wird, werden wir auch hierbei auf Trumps Hilfe hoffen müssen. Kaum in Schottland gelandet, nordete er die Europäer wegen ihrer fahrlässigen Migrations- und Klimapolitik ein. Es fehlt noch eine Neuordnung des europäischen Demokratieverständnisses. J. D. Vance forderte nachdrücklich von den Europäern, im demokratischen Geist endlich wieder Meinungsfreiheit zu gewähren. Sonst wüsste er keinen Grund, warum die USA Europa helfen sollten.
Mit dieser Fürsprache ihrer mächtigen Freunde in Washington können die europäischen Rechten mit neuem Mut auf ihre Programme verweisen. Diese sind über weite Strecken mit denen von Trump und Vance identisch. Ihnen geht es nicht um angeblich universelle Werte, sondern um die Souveränität und Selbstbehauptungsfähigkeit der Nationalstaaten.
Die Linken haben sich in den Zollkonflikten Trump ergeben. Von daher ist auch die Hoffnung berechtigt, dass sie sich Trumps defensivem Imperialismus ergeben werden und darüber die große Spaltung in den westlichen Demokratien zwischen Universalisten und Partikularisten auf einer neuen Stufe aufgehoben werden könnte. Die EU darf noch eine Weile ihren weltfremden Idealismus mit Hilfe des Kaufes amerikanischer Waffen und finanzieller Hilfe für die angebliche Demokratie der Ukraine pflegen. Aber selbst mit den USA ist gegen Russland nichts zu gewinnen. Auch darüber werden die Europäer lernen, dass sie über keine Souveränität in andere Kulturkreisen mehr verfügen. Die gute Nachricht ist, dass sie mit Hilfe der USA ihre Souveränität zum Schutz des Eigenen zurückgewinnen könnten, sofern sie dem Beispiel Trump zu folgen bereit sind. In diesem Sinne ist der Westen noch nicht verloren.
Für die so genannten Globalisten hat sich der Begriff des Westens längst überlebt. Sie sehen »die Menschheit« als Einheit und messen der westlichen Kultur in diesem Rahmen keine positive Bedeutung bei. Im Gegenteil muss gemäß der vorausgesetzten Gleichheit aller Menschen und Kulturen die gegebene Armut oder Unterentwicklung aus der Dominanz des Tüchtigeren, also des Westens - oder, im Nahen Osten, der Israelis - erklärt werden.
Der neue Klassenkampf der Globalisten gegen das Eigene wird nicht von unten nach oben, sondern von oben nach unten geführt. Die meist staatlich alimentierten Visionäre einer globalen Zukunft haben für die naheliegenden Alltagssorgen der Local Player wenig Verständnis. Statt über »Umwelt« handeln ihre Diskurse vom Weltklima. Zum »oben« gehörten auch die Vertreter der Ökonomie. Die deutsche Kernenergieindustrie ließ sich ihre Abschaffung abkaufen und die Autoindustrie lieferte ihre weltweit führenden Verbrennertechnologie den dekonstruierenden Vorgaben eines Green Deal aus. Das Volkswagenwerk wurde nicht von Fehlentscheidungen einer unternehmerischen Logik, sondern von unternehmensfremden Sichtweisen und Zielen überlastet. Wenn die Maßnahmen, die den Klimawandel aufhalten sollen, die Produktivität der Unternehmen zerstören und niemand sie mehr bezahlen kann, wird die »Klimarettung« zu einer absurden Veranstaltung.
Die deutsche Industrie wurde ihrer Fähigkeit beraubt, aus eigenen Mitteln positive Erträge zu erwirtschaften und so aus eigener Kraft die eigene Existenz zu behaupten. In letzter Instanz werden die von Deutschland mitgeschaffenen EU-Regeln angerufen, um eine Abwehr des Unheils zu delegitimieren. Auf diese Weise droht allerdings die EU delegitimiert zu werden.
Offene Grenzen gegenüber dem Islam
Die Grenzen der Europäischen Union sind nach Osten überdehnt, nach Westen von Abhängigkeit gegenüber den USA gekennzeichnet und nach Süden offen bis zur Schutzlosigkeit vor der Massenmigration aus islamischen Ländern. Es wird eine Aufgabe der kommenden Jahre sein, diese Grenzfragen zu bewältigen und darüber die Stellung der EU in einer neuen Weltordnung zu klären und zu stärken. Das Unheil des Ukraine-Krieges resultiert auch aus der mangelnden Einsicht in die Grenzen zwischen dem noch westlichen und dem bereits russisch geprägten Teil Osteuropas.
Die Überdehnung Europas beginnt schon im Namen. Wie selbstverständlich setzen sich die Vertreter der EU mit Europa gleich, dabei ist schon die religiöse Wurzel Europas nach einem west- und einem osteuropäischen Christentum gespalten. Die heutige politische Überdehnung von Westeuropa ist bereits auf dem Balkan spürbar. Das durch muslimischen Separatismus entstandene Bosnien-Herzegowina und das Kosovo sind nicht in die Maßstäbe der EU zu integrieren, es sei denn, man versteht sie als Vorschein auf ein Europa des Multitribalismus.
Der spezifisch westliche Universalismus hat uns durch seine kulturfremden Interventionen bis nach Afghanistan in militärische Niederlagen hineingetrieben, fremde Regionen destabilisiert und dessen Folgen mittels Migration und Terror durch offene Grenzen auf uns zurückfallen lassen. In manchen Suburbs Westeuropas finden sich bereits jene orientalischen Zustände, Clankulturen und Flashmobs herumlungernder Jugendlicher, die das öffentliche Leben fundamental verändern. Die Massenmigration aus der islamischen Welt droht die sozialen Strukturen und schließlich sogar die innere Sicherheit Europas zu destabilisieren.
Die Blindheit profanierter Eliten gegenüber dem Phänomen Religion hat zum selbstauflösenden Kulturrelativismus beigetragen. Sie erklärt umgekehrt auch die historisch beispiellose Bereitschaft zur fortdauernden Offenhaltung der Grenzen Europas. Für diese Offenheit zahlen die Europäer einen hohen Preis. 70 Prozent der Asylbewerber in Deutschland sind Muslime. Gemäß den Regenbogenfantasien gehört auch der Islam – und damit die Scharia - zu Deutschland. Wenn von den ca. 50 Millionen Muslimen in Europa nur jeder zehnte Islamist ist, stehen wir vor einem massiven Sicherheitsproblem.
Was aus Ländern wurde, die auf ihren eigenen Territorien dem Islam zu viel Raum gewährten, sieht man heute am Libanon (ehemals christlich), an Pakistan (ehemals hinduistisch), an Afghanistan (ehemals buddhistisch), an Ägypten (ehemals koptisch-christlich) und am Iran (ehemals laizistisch und pro-westlich). Das Dahinschwinden der Christenheit in der islamischen Welt, auch der »westlichen« Türkei, verdeutlicht, dass die »Schutzbefohlenen« allenfalls in Reservaten geduldet werden.
Der islamistische Totalitarismus im Nahen Osten wirft die Frage nach dem Schutz Europas auf. Der im Islam immer potentiell angelegte Islamismus, der auf politischer Macht und Ausdehnung des Islams besteht, richtet sich seit 1300 Jahren gegen die »Ungläubigen«. In seiner Hemisphäre verstößt die Herrschaft von »Ungläubigen« über Muslime gegen die Vorgaben der koranischen Lehre, so dass Israel mal von arabischen, mal von iranischen, mal von türkischen, aber immer von islamischen Mächten in Frage gestellt sein wird.
Nach dem 7.Oktober zeigte sich in den Kundgebungen auf den Straßen des Westens, wie viele Freunde heute selbst der mörderische Hamas-Islamismus in Europa hat. Insbesondere die politische Linke solidarisiert sich mit der Hamas und fallen damit dem um seine Existenz ringenden Israel in den Rücken. Vorgeschoben wird die Ungerechtigkeit, dass die Palästinenser keinen eigenen Staat zugebilligt bekommen.
Tatsache ist, dass den Palästinensern vom UN-Beschluss von 1948 bis zu verschiedenen Angeboten der Israeli ein eigener Staat zugebilligt wurde. Diese Angebote wurden ausgeschlagen. Die Palästinenser wollen eine Ein-Staatenlösung vom Jordan bis zum Meer. Seltsam auch die Einseitigkeit des Gerechtigkeitsanspruchs, die so tut, als ob die Länder der Erde in der Regel nicht jeweils durch Gewalt, sondern nach dem Kriterium der Gerechtigkeit entstanden wären. Den Kurden wird in vier islamischen Ländern ein eigener Staat verwehrt, aber eben von islamischen Staaten und nicht von einem jüdischen Staat.
Zur Abwehr des Islamismus ist eine robuste Grenzsicherung wichtiger als technologisch hochentwickelte Waffensysteme. Die technischen Notwendigkeiten zur Grenzsicherung sind bei künftigen Rüstungsplanungen zu bedenken.
Moralismus statt Realismus
Die Generation Merkel ist die erste, die mehrheitlich ohne religiöse Prägung lebt. Einige ihrer rational kaum erklärbaren Verhaltensweisen, die bis an die Selbstaufgabe reichen, lassen sich nur aus ersatzreligiösen Motiven heraus erklären. Das Versagen von Merkel lässt sich wiederum nur aus dem Zeitgeist heraus erklären. Angela Merkel ist nur ein Symptom, keine Ursache. Sie hätte in jedem Punkt genau das Gegenteil getan, wenn es Zeitgeist und Machterhalt von ihr gefordert hätten. Ihr Versagen wäre ohne Beihilfe des deutschen Bürgertums nicht möglich gewesen. In dessen fast bedingungsloser »Weltoffenheit« nach außen und nach innen, in der jede Art von Vielfalt in bunter Ergänzung aufgehoben werden sollte, liegt der tiefere Kern des Verhängnisses. Im Abgleiten von der bürgerlichen Sorge um Staat und Gesellschaft in ein fast schon infantil-utopisches Regenbogen-Denken liegt die Mitschuld fast der gesamten politischen Klasse von den Hochschulen über die Medien bis zu den diversen, gleichgeschalteten Parteien.
Der Glaubensabfall beginnt bekanntlich in der Bibel mit der Anmaßung, zu sein wie Gott, mit dem Apfel vom Baum der Erkenntnis über das Wissen über Gut und Böse zu verfügen. Bezeichnend, dass die »Antifa« nicht mehr primär für etwas, sondern gegen das Böse kämpft. Die seltsame Vorliebe für sexuelle Identitäten dient dazu, die Rolle als bloßes »Geschöpf Gottes« abzustreifen und das Selbstschöpfertum mit der Wahl des eigenen Geschlecht zu beginnen. Die Vorliebe für sexuelle Identitäten von noch so winzigen Minoritäten hat damit insofern zu tun, als sie das männliche Geschlecht zu relativieren und zu verunsichern half. Zu dessen Identität hatte in der gesamten Evolution der Kampf für das Eigene, von der Familie bis zur Großgruppe gehört.
Das moralisierende Gut- oder Böse-Denken, welches Dialektik und Differenzierung übergeht, wurde zum primären Motiv der einst auf soziale und materielle Konflikte ausgerichteten Linken. Im Kalten Krieg konnte das Böse, nicht zu Unrecht, im Kampf gegen den Sowjetkommunismus kanalisiert werden. Danach musste es andere Ziele finden. Die Suche begann mit der Selbstfindung im so genannten Gutmenschentum, welches die eigene Gesinnung über jeden Realitätsbezug setzte und nicht über die Folgen eines Förderns ohne Forderns nachdenken wollte.
Die Reinheitsfantasien dulden auch keine Differenzierungen etwa zwischen dem reinen Guten, der Demokratie, und dem reinen Bösen, der Diktatur. Dieses Gut-Böse Schema steht in der internationalen Politik dem gebotenen Aufbau einer multipolaren Weltordnung entgegen, in der der Westen nicht mehr als moralischer Hegemon, sondern in Koexistenz mit anderen Mächten leben muss. Über den Moralismus wurden auch Unterschiede zwischen der liberalen Oligarchie der Ukraine und der autoritären Oligarchie Russlands vom Westen für wichtiger genommen als der Schutz der eigenen Wirtschaft.
Die indirekte Teilhabe am Kampf der Ukraine gegen Russland bietet den Pazifisten von einst den Vorteil der eigenen Risikofreiheit. Noch gefahrenfreier und noch einträglicher ist ihr »Kampf gegen rechts«, der staatlich alimentiert geführt werden kann. Für den Kampf gegen den Islamismus, der längst vor der eigenen Haustür geführt werden müsste, reicht ihr Mut nicht aus.
Die drohende Auflösung der Europäischen Union
Die Spaltung nach Globalisten und Bewahrern des Eigenen hat längst auch die zwischenstaatliche Ebene erreicht. Verschiedene mitteleuropäische Staaten, insbesondere Ungarn, die Slowakei, aber auch zunehmend Rumänien verweigern sich der westlichen Regenbogen-Kultur. Sie verweigern sich auch der Massenmigration aus dem islamischen Kulturkreis.
Polen und Ungarn kontrollieren ihre Grenzen und differenzieren damit nach denjenigen, die kommen sollen oder nicht kommen dürfen. Ungarn verweigert sich auch woker Transvestiten-Propaganda im Schulunterricht und zieht dafür regelrechte Feindschaft bis hin zu Strafgeldern und der Vorenthaltung von zustehenden Zahlungen in Milliardenhöhe auf sich.
Entgegen der Propaganda westlicher Massenmedien kann aber weder von diktatorischen Tendenzen noch von einer fremdenfeindlichen Abschottung Ungarns die Rede sein. Die Aufnahme ukrainischer Flüchtlinge und die Intensivierung wirtschaftlicher Beziehungen zu China gilt als selbstverständlich. Zu Orbáns Politik gehört es, den Dialog mit Russland aufrechtzuerhalten und für Waffenstillstandsverhandlungen zu werben. Zumindest in einigen Staaten Mitteleuropas darf man hoffen, dass dort das alte Europa des Christentums, der Aufklärung und bürgerlicher Lebensformen fortbestehen wird. Zumindest zeigen ihre Entwicklungen den Westeuropäern innereuropäische Alternativen auf, die etwa von deutschen Auswandern nach Ungarn dankbar angenommen werden.
Die sich bis in die EVP hinein als progressiv und globalistisch gebenden Institutionen der EU wollen diese Alternativen nicht einmal diskutieren. Sofern diese aber nicht miteinander abgeglichen werden, wächst die Gefahr einer Spaltung der Europäischen Union. Asyl- und Grenzpolitik sind nicht mehr auf einen Nenner zu bringen.
An den Rändern der EU - in Georgien, Serbien, Moldawien und zuletzt in Rumänien als EU-Mitglied wenden sich Wähler bereits eher nach Osten als nach Westen. Deshalb wurden die Wahlen in Georgien und Rumänien von der Neo-Aristokratie Brüssels, die in Kategorien der Welteinheit und Globalität denkt, umgehend in Frage gestellt.
Je mehr sich die EU erweiterte, desto mehr hätte sie sich dezentralisieren müssen. Stattdessen versucht sie mit einer Unzahl von Regulierungen in die Staaten hineinzuregieren und weckt damit Widerstände, die bis zum Auszug aus der Union gehen könnten. Auch die geplante Ausdehnung der Union bis nach Eurasien hinein (Ukraine, Georgien und Moldawien) ist ein Ausdruck mangelnder Kenntnisse über die eigenen Grenzen.
Mit dem Vordringen in die russische Kultur- und Machtsphäre stellt sie eine mögliche Friedensordnung in Europa, die nur aus der Grenzziehung und Koexistenz der westlichen und russischen Sphären hätte bestehen können, in Frage. Die EU hätte schon aufgrund der kulturellen Unterschiede innerhalb Europas nicht den Anspruch erheben dürfen, das ganze Europa zu repräsentieren. Sie hätte spätestens eine Grenze zum russisch-orthodoxen Kultur- und Machtkreis ziehen müssen. Nicht einmal innerhalb Europas finden sich die Voraussetzungen für eine angemaßte westliche Unipolarität.
Diese Ausdehnung in fremde orientalische und russländische Sphären setzt sich ignorant über die Verschiedenheiten der Kulturen und daraus folgend über die Notwendigkeit einer multipolaren Weltordnung hinweg. Die EU steht damit auch weltpolitisch vor dem Scherbenhaufen einer desaströsen Bildungs- und Hochschulpolitik, in der jahrzehntelang irreale Phantasien gehuldigt wurden.
Fortsetzung folgt.
Literatur
Chaim Noll, Heinz Theisen, Verteidigung der Zivilisation. Israel und Europa in der islamistischen Bedrohung, Reinbek 2024
Johannes Eisleben, Denksperre im Nahostkonflikt, in: globkult.de vom 4.11.2023
Gerd Held, VW – Teil 2: Eine Überdehnungskrise, in: globkult.de, Zugriff am 18.2.2025
Klaus-Rüdiger Mai, Angela Merkel. Zwischen Legende und Wirklichkeit. Eine kritische Biografie, München 2024
Jordan Peterson, Gott. Das Ringen mit einem, der über allem steht, Basel 2024
Heinz Theisen, Die Grenzen Europas - Die Europäische Union zwischen Erweiterung und Überdehnung, Opladen 2006
Heinz Theisen, Selbstbehauptung. Warum Europa und der Westen sich begrenzen müssen, Reinbek 2022
Alexander Wendt, Verachtung nach unten. Wie eine Moralelite die Bürgergesellschaft bedroht – und wie wir sie verteidigen können, Reinbek 2024