von Rainer Paris
Bereits die Metapher ist schief. Eine Brandmauer hat keineswegs die Funktion, ein Übergreifen des Brandes auf das Nebengebäude vollständig zu verhindern, sie soll es nur für eine gewisse Dauer verzögern, um wertvolle Zeit zu gewinnen und die Chancen der Feuerwehr zu erhöhen.
Im politischen Kontext ist die ›Bandmauer‹ das Verdikt über die AfD: ›rechts‹, ›rechtsextrem‹, ›faschistisch‹, ›Nazis‹. Die Verwendung der Begriffe ist dabei nahezu beliebig, sie sind je nach Bedarf austauschbar und gehen ineinander über. Historisches Grundwissen null.
Trotzdem ist die Stigmatisierung in der Regel erfolgreich und erfüllt ihren Zweck: Wer widerspricht oder auch nur relativiert, begibt sich auf die andere Seite der ›Brandmauer‹. Freund-Feind-Denken par excellence, ›innerstaatliche Feinderklärung‹, Carl Schmitt in Reinkultur.
In einem Cicero-Artikel (2/2024) hat Mathias Brodkorb darauf hingewiesen, dass viele der heute von der Ampel-Regierung vertretenen Positionen und Maßnahmen bereits vor über zehn Jahren im Wahlprogramm der Gründungs-AfD standen. Trotzdem wurde auch sie vom linksgrünen Milieu einschließlich aller Parteien im damaligen Bundestag als ›rechts‹ und ›rechtsextrem‹ etikettiert und sofort in die Paria-Ecke gestellt. Sicher ist die heutige AfD mit der damals neu gegründeten, vor allem eurokritischen Partei kaum noch vergleichbar – fast alle Gründungsmitglieder sind inzwischen ausgetreten –, und doch ist es überraschend, wie selbstverständlich die heutigen Repräsentanten der Ampel sich plötzlich auf Einsichten und Einschätzungen berufen, die sie noch vor nicht allzu langer Zeit als vollkommen inakzeptabel oder gar ›demokratiegefährdend‹ verworfen haben.
Das Problem ist: Wenn man sich auf einen allzu hohen Sockel stellt, kann man davon nur schwer wieder herunterkommen. Wer vorrangig Wertekommunikation und -beschwörung betreibt, darf sich über Polarisierungen nicht wundern oder beschweren. Den anderen rigoros auszugrenzen und zugleich immerfort ›Spaltung‹ zu rufen – das kann auch in der heutigen Mediengesellschaft letztlich nur eine Zeit lang gutgehen. Irgendwann werden der Problemdruck und die so herbeigeführte Repräsentationslücke einfach zu groß, als dass sie noch länger politisch ignoriert werden könnten.
Gewiss: Vieles an der heutigen AfD wirkt nicht gerade einladend oder zivilisiert – doch auch das ist nicht zuletzt eine Folge des Redens und der Berichterstattung über sie. Ausgrenzungen hinterlassen Spuren und führen zu Reaktionen, die weitere Verfeindungen nach sich ziehen. Aber auch dort, wo die Skandalisierung mit guten Gründen und zu Recht erfolgt, beraubt man sich mit dem Verbot jeder konstruktiven Auseinandersetzung zugleich der Möglichkeit, zwischen Indiskutablem, Abzulehnendem und vielleicht Erwägenswertem zu unterscheiden und differenziert darauf zu reagieren. Und das Gleiche gilt auch für Stil- und Tonfragen: Rüpelhaftigkeit, Demagogie, Simplifizierung auf Tiktok-Niveau und ernstzunehmende Argumente und Sachvorschläge – das alles lässt sich nur voneinander trennen und entmischen, wenn man nicht verteufelt. Verbale Abrüstung setzt voraus, dass überhaupt eine Kommunikation stattfindet. Ein solcher Schritt ist freilich umso schwieriger, je mehr man sich – auf beiden Seiten! – in eine Sackgasse manövriert hat, aus der man ohne Gesichtsverlust kaum mehr herauskommt.
Und wie gesagt: Brandmauern halten Brände nur eine Zeit lang auf, gänzlich verhindern können sie das Übergreifen nicht.