von Gunter Weißgerber

Die Deutschen haben am 26. September 2021 einen neuen Bundestag gewählt. Als erster Sieger im Parlaments-Keller mit 25,7 Prozent fühlt sich die SPD. Den Anspruch zweiter Sieger im Keller zu sein, erhebt die Union (CDU/CSU) mit 24,1 Prozent. Beide Parteien sind, gemessen an ihren früheren Plätzen im Herzen der politisch denkenden Deutschen, tief abgestürzt.

Ungeachtet dessen sehen beide sich als Gewinner und beanspruchen die Kanzlerschaft jeweils für sich. Zwei Bundeskanzler kann es selbst nach 16 Jahren Angela Merkel nicht geben. Soweit hat selbst diese Frau die Bundesrepublik noch nicht in die Nähe zu Bananenrepubliken gerückt. Also muss es eine Entscheidung für einen Bundeskanzler von der SPD oder der Union geben. Soweit ist die deutsche Welt noch in Ordnung.

Da beide Schein-Sieger erheblich an Wert und Kraft verloren, liegt es nun plötzlich in den Händen der kleinen Parteien, zu bestimmen, welche ›Sieger‹-Partei eine Regierungskoalition anführen und den Bundeskanzler stellen soll. FDP und Grüne sehen sich damit in der Rolle der Königsmacher. Allerdings haben die Wähler den beiden möglichen ›Königen‹ die Flügel so sehr beschnitten, dass diese eigentlich keine ernstzunehmenden Verhandlungspartner sein können. FDP und Grüne wissen um die Not von SPD und Union und werden sich massiv durchsetzen wollen und können. SPD und Union stehen als Bettler vor ihren möglichen Juniorpartnern. Das genau wissend, haben sich FDP und Grüne auch gleich nach der Wahl getroffen und auf mögliche Strategien verständigt. Die Kleinen treiben die ehemals Großen in die Enge. Hasenjagd umgekehrt.

Sozial betrachtet skelettieren Grüne und FDP die ehemaligen Volksparteien Union und SPD. Abgeräumt wird alles, wofür besonders Union und SPD bis vor wenigen Jahren für Deutschland standen: starke Wirtschaft, stabile Energieversorgung, innere Sicherheit, Meinungsfreiheit/keine Zensur, Zuwanderungskontrolle und vieles mehr. Heute haben sich diese Parteien voll dem grünen Mainstream unterworfen, auch mit der Folge einer neuen – grünen – Millionärsschicht. Das weltweit große Geld ist grün. Grünes Geld regiert heute die Welt.

Übrig bleibt von der jeweiligen Kanzlerfraktion, die dem Bündnis der zwei Parteien der Besserverdienenden in einer Koalition letztlich vorstehen darf, lediglich der nackte Machtanspruch der Kanzlerschaft. Alle anderen programmatischen Ansprüche werden auf dem Altar von Grünen und FDP geopfert. Wobei auch der FDP das alles weniger als den Grünen bekommen wird. 2021 werden SPD oder Union vernascht, 2025 wird es die FDP treffen. Das totalitäre Grün macht sich gefährlich breit.

Was käme auf die Bundesrepublik und die Europäische Union mit den drei möglichen Koalitionen (eine Koalition von SPD und Union ist theoretisch auch möglich) zu? Worauf haben wir uns einzustellen?

An der Gesamtausrichtung der deutschen Nach-2015-Politik wird sich nichts ändern. Die möglichen Regierungsparteien sind alle grün und zuwanderungstrunken, wobei die Grünen und die SPD am grünsten, die Union und die FDP eher hellgrün sind. Den ökologischen, multikulturellen, zuwanderungsbegeisterten Umbau der Bundesrepublik mit all den verheerenden Folgen für den Wirtschafts-, Automobil-, Energie-, Forschungs- und Sicherheitsstandort Deutschland verheißen alle möglichen Koalitionäre.

Einziger Unterschied dabei ist die Frage der Finanzierung. SPD und vor allem Grüne wollen das über weitere Steuererhöhungen realisieren, Union und FDP lehnen Steuererhöhungen ab. Unter normalen Umständen würde an diesem Punkt die Einbindung der Grünen seitens FDP und Union ausgeschlossen werden können. Doch fehlt mir der Glaube an die Standhaftigkeit von Union und FDP in dieser Frage.

Somit bleiben Koalitionen unter Schein-Führung der SPD mit Grünen und FDP, die sogenannte Ampel, oder ein Regierungsbündnis unter Scheinführung der CDU mit Grünen und FDP, Jamaika genannt.

Die Sondierungen laufen derzeit. Der Ausgang ist offen. Prognosen sind schwierig. Auch weil die Wahl bemerkenswerte Kräfte freigesetzt hat. Die SPD-Bundestagsfraktion wird faktisch durch rund 50 Jungsozialisten domestiziert, die sämtlich antikapitalistisch ideologisiert sind, mit Enteignungen keine Probleme haben, der einseitigen Handhabung von Freiheit und Demonstrationsrecht das Wort reden, die Antifa einbinden, mit der NATO eher Probleme sehen und die Mittelosteuropäer und deren doppelte Diktaturerfahrung nicht verstehen wollen und können.

Die neue SPD-Bundestagsfraktion würde eher zur SED der DDR als zur SPD bis 2005 passen. Auf keinen Fall passt sie zur FDP, auch nicht zur Union alten Schlages. Eine Regierung SPD/Grüne/FDP wird einen weiteren Schritt in den vormundschaftlichen Erziehungsstaat gehen. Die FDP kann und wird diesen Holzweg nicht verhindern.

Die zweite Koalitionsmöglichkeit Union/Grüne/FDP besitzt im Moment nur theoretische Chancen. CDU/CSU zerlegen sich im Moment, der Kanzlerkandidat Armin Laschet hat Mühe, sich zu halten. Bis zum Erscheinen dieses Kommentars könnte er bereits Geschichte sein. Die Union liegt ausgehöhlt am Boden, Angela Merkel hinterlässt einen gigantischen Scherbenhaufen. Auch diese mögliche Koalition würde die Deutschen der grünen Transformation ausliefern. Vielleicht in abgemilderter Form.

Auch für Grüne und FDP geht es um sehr viel. Beiden dürfen sich gegenseitig nichts gönnen, beide können sich den Verzicht auf grundlegende Positionen nicht leisten. Beide fischen um die Besserverdienenden in Deutschland. Einig sind sie sich in dem Willen, unbedingt zu regieren und sich dabei nach Möglichkeit gegenseitig auszustechen. Der Leim, der sie zusammenklebt, ist das Wissen, von den Kolossen auf tönernen Füßen (Union, SPD) gebraucht zu werden. Was zu enormer Hochnäsigkeit führen kann. Das kann man beobachten. Werden die Grünen anti-freiheitliche Grundsatzpositionen verlassen oder wird die FDP den Weg in die ökologische Knechtschaft gehen? Beide verlieren große Teile ihrer Wähler, wenn sie umfallen.

Sollten FDP und Grüne in ihren Grundsatzfragen nicht umfallen, würde es zu einer Neuauflage der großen Koalition der jetzigen Schein-Riesen SPD und Union unter Führung der Sozialdemokraten kommen müssen. Denn: Deutschland ohne Regierung – dafür hat Angela Merkel noch nicht die Grundlagen geschaffen. Siehe oben.

Aktuell beginnen die Energiesicherheit und -bezahlbarkeit allen anderen Themen den Rang abzulaufen. Welche Familie, welcher Haushalt kann das Leben künftig noch finanzieren? Das ist eine Frage, der SPD, Union, Grüne, FDP, Linke beharrlich ausweichen. Es ist ihnen völlig egal. Im Gegenteil, sie wollen die Energieunsicherheit mit noch größerer Energieunsicherheit bekämpfen. Statt die Energieunternehmen ihren Job in einer Marktwirtschaft machen zu lassen, sollen diese noch mehr reglementiert und zu noch mehr Nonsens gezwungen werden. Auch möchten die Koalitionäre in spe noch mehr Elektromobilität auf den Straßen. Was noch mehr Zerstörungen in der deutschen Automobilindustrie und noch stärkeren Stromhunger bedeutet. Mathematik und Physik sind in Deutschland Schmuddelkinder. Sozial gesehen ist die CO²-Steuer ist eine Kriegserklärung an die Bevölkerung.

Union und SPD haben ihren Blick auf die Energiesicherheit der Bundesrepublik verloren. Beide opfern sie mit aller Kraft die energetische Grundsicherung mittels Kohle, Öl, Gas und Atomkraft und liefern das hochentwickelte Land dem Wind und der Sonne aus. Fehlt dann Strom, wird dieser von den europäischen Nachbarn importiert. Der ist dann pikanterweise Kohle- und Atomstrom. Deutschland – ein Land der Energieheuchler.

Vor dem kommenden Winter zittern Deutschlands Energieversorger. Die Blackoutgefahr ist sehr groß. Käme es zu einem oder mehreren Blackouts, würde das auch Auswirkungen auf die europäische Energieversorgung haben. Deutschlands Nachbarn sind gut beraten, sich grundsätzlich nicht mehr auf Deutschland zu verlassen. Wer das tut, kann in ganz große Probleme geraten. Deutschland entwickelt sich zum Narrenschiff.

Ganz schlaue Politiker denken inzwischen sogar an Energiepreisgrenzen. Sie erkennen nicht den direkten Zusammenhang ihrer desaströsen Energiepolitik mit der Energieknappheit und der daraus folgenden Preisspirale. Sie schlagen auf ihre selbsterzeugten Energiepreise wie weiland Xerxes im Jahr 480 am Hellespont dem Meer 300 Peitschenhiebe verabreichen ließ. Das Meer schüttelte sich und machte einfach weiter. So wie heutigentags die Energiepreise einfach weitermachen werden: an anderer Stelle mittels Steuern und Abgaben. Wobei Xerxes gegenüber unseren modernen Preiseinprüglern in Schutz zu nehmen ist. Xerxes hatte die hohen Wellen nicht erzeugt, die er dann bestrafen wollte. Er wollte nur im falschen Moment übers Wasser marschieren. Gute Wettervorhersagen gab es damals nicht.

Für Deutschland 2.0 gilt: Fernstenliebe schlägt Nächstenliebe, das Wetter in 100 Jahren schlägt den heutigen Wolkenbruch. Es ist einfacher, über ›fern‹ Märchen zu erzählen, als über ›nah‹ Rechenschaft abzulegen. Wieso? ›Nah‹ ist in den Wirkungen durch die Zeitgenossen gefährlich leicht überprüfbar. Und wer lässt schon gern die Misserfolge seiner Taten überprüfen? Grüne Zukunft ist Opium für die Weltbevölkerung des 21. Jahrhunderts… hätte Marx sagen können, hätte er die grüne Bedrohung geahnt.

Wie werden spätere Historiker über Deutschland seit 2015 schreiben? 2015 begann Deutschlands Weg in die Instabilität, in das schwindende Vertrauen in die Objektivität und Verlässlichkeit der demokratischen Institutionen des Staates. Angela Merkel setzte ihre Moral über die Regeln, machte Wahlen rückgängig, machte ihr ›Durchregieren‹ (eine ihrer Forderungen im Wahlkampf 2005 / siehe Rede vom 1.7.2005 Merkels Rede im Bundestag 5. Abschnitt von unten: https://www.n-tv.de/politik/dossier/Merkels-Rede-im-Bundestag-article153377.html) mit Hilfe vieler Medien zum Standardrepertoire ihrer Regierungszeit. Symptomatisch, wenn auch nicht ihr direkt anzulasten die vielfach geschätzten (!) Wahlen im Land Berlin ebenfalls am 26. September 2021.

Mir fällt in dieser Betrachtung der Begriff des Interregnums / der Zwischenherrschaft ein. Die linke Wikipedia schreibt dazu: »Poetischen Ausdruck fand dies v. a. in der Ballade Der Graf von Habsburg von Friedrich Schiller (https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Schiller), in der das Interregnum als die kaiserlose, die schreckliche Zeit bezeichnet wurde.« (https://de.wikipedia.org/wiki/Interregnum_(Heiliges_R%C3%B6misches_Reich).

In die Moderne umgesetzt würde ich statt von ›der kaiserlosen, schrecklichen Zeit‹ von der haltungsstaatlichen, instabilen Zeit sprechen. Diese Zeit begann in der Mitte der Zeit des Kabinetts Merkel III im Herbst 2015, setzte sich mit dem Kabinett Merkel IV ab 2017 rasant fort und wird mit der kommenden Regierungszeit nicht enden.

Die Deutschen wurden in Wahlen nie gefragt, ob sie ihr Land frei von energetischer Grundsicherung erleben, ob sie den Automobilstandort Deutschland dekonstruieren und ob sie unkontrollierte Zuwanderung mit dramatisch veränderten Zusammenlebensbedingungen in Deutschland wollen. Das alles leitete Angela Merkel unter dem Jubel des deutschen Feuilletons ein und der Deutsche Bundestag ließ es geschehen.

Ein Bild des künftigen multikulturellen Deutschlands gefällig? In Köln wird künftig der Muezzin zum Gebet rufen. Die Kölner Oberbürgermeisterin spricht diesbezüglich von einem zweijährigen Modellprojekt.

Liebe Ungarn, ich liebe ihr Eger mit den Menschen, der Geschichte, István Dobó und der Burg, dem wunderschönen Thermalbad mit dem türkischen Bad, dem Tal der schönen Frau und mit dem Minarett. Das Minarett liebe ich aus zwei Gründen:
1. Der Sterne von Eger und dem Freiheitskampf der Ungarn für Europa wegen.
2. Der Klugheit der Ungarn wegen, die das Minarett stehen ließen. Geschichte ist vielfältig.

Stellen Sie sich jetzt vor: Würde es nach den EU-Granden gehen, riefe in nächster Zukunft wieder ein Muezzin in Eger zum Gebet. Liebe Ungarn, wollen Sie das?

Um es klar zu sagen. Menschen, egal welcher Religion, können unsere Freunde sein und wir sollten diese in Not unterstützen! Doch ein Muezzin in Eger ist erst akzeptabel, wenn gleichzeitig in Mekka eine Kirche oder eine Synagoge willkommen sind! Soviel Selbstachtung sollte von Athen bis Lissabon, von Tallin bis Malta möglich sein.

In Kürze begehen die Ungarn ihren Nationalfeiertag in Erinnerung an ihren Volksaufstand vom 23. Oktober 1956. Ich wünsche allen Ungarn einen schönen Feiertag!

(Der Beitrag erscheint demnächst in ungarischer Sprache in Magyar Nemzet.)