von Ernst Eichengrün
Die CSU führt die unpräzise und daher völlig unfruchtbare Debatte, ob der Islam zu Deutschland gehört oder nicht, beharrlich fort. Herr Dobrindt sagte erst vor ein paar Tagen: »Der Islam gehört, in egal welcher Form, nicht zu Deutschland«. Das war eine klare Absage an die Liberalisierungs-Bestrebungen im Islam. Ein Schuss vor den Bug der Islam-Reformer. Die Orthodoxen wird’s freuen. Denn sie sind ja die Hüter des monolithischen Charakters des Islam.
Doch auch Dobrindts Haltung zu unseren Grundwerten ist bemerkenswert. So sagte er am 21.3.18 im Bundestag:
»Es ist richtig: Ja, die Muslime, die hier leben und sich in unser Wertesystem integrieren wollen, sind ein Teil Deutschlands. Aber wir sind ein klar christlich geprägtes Land. Wir haben eine christlich-jüdische Tradition. Unsere Wurzel ist das christliche Wertefundament. Das anzusprechen, ist richtig, wenn man integrieren will, weil man denjenigen, die zu uns kommen, sagen muss, wo hinein sie sich integrieren sollen … Die überwiegende Mehrheit der Menschen in unserem Land will, dass Deutschland ein christlich geprägtes Land mit seinem Wertesystem und seiner Tradition bleibt.«
Soweit der bayerische Werte-Horizont.
So richtig es auch ist, dass die christliche Tradition unser Land geprägt hat und noch prägt und dass etliche unserer Grundwerte durchaus religiös zu legitimieren sind, so richtig ist es aber auch, dass zu unserer Tradition und vor allem unseren Werten vor allem die Aufklärung als Erbe und Fortführung des Denkens der Antike gehört. Diese Aufklärung erst hat in der Neuzeit bis in unsere Tage hinein die Religion zivilisiert und den säkularen Staat samt manchen Grundwerten gegen die Macht der Kirche erkämpft. Davon hört man bei Seehofer und Dobrindt aber überhaupt nichts. Zufall, Nachlässigkeit oder Methode? Da sind die Kirchen meist schon weiter.
Wer sich auf Traditionen beruft, der sollte zudem auch sagen, dass nicht alle Traditionen ungeprüft weitergeführt werden sollten. Das gilt für politische Traditionen ebenso wie für religiöse.
Bedenklich ist auch der Ausschließlichkeits-Anspruch, den Dobrindt dem Christentum zubilligt. Für ihn ist das offensichtlich das Haupt-Kriterium für die Zugehörigkeit zu unserem Volk. Die Statistik zeigt jedoch, dass Deutschland in seinem Alltag aktuell keineswegs mehr ein »klar christlich geprägtes Land« ist. Auch sind unsere Grundwerte nicht ein christliches Reservat.
In Dobrindts Logik gehört nicht dazu, wer anders denkt oder glaubt. Es würde mich nicht wundern, wenn etliche Islam-Funktionäre das als Aufruf zur Zwangs-Konversion von Integrationswilligen interpretieren. (Muss ich als Agnostiker demnächst meinen Pass abgeben?)
Doch es steht fest – und musste gegen den Widerstand des Zeitgeistes erst durchgesetzt werden –, dass das Bekenntnis zu unseren Grundwerten der entscheidende Faktor für eine Integration ist.