von Herbert Ammon

Vor ein paar Wochen brachte  ich meine Liebe zu Yahoo.com in die Diskurse zur globalen Kultur ein. Es ging um den in diesem unseren Lande unerlässlichen Nachweis politischer oder, was auf dasselbe hinausläuft, politisch korrekter Bildung. Ich unterließ den Hinweis, dass ich per Mausklick zuweilen auf welt-online.de als weiteres Informationsmedium zurückgreife. Der Grund: Dort im Hause Springer – mit taz-Genossenschafter und Guttenberg-Promotor Kai Dieckmann an der Spitze - sprudelt die reinste Quelle demokratischen Denkens in der Berliner Republik.

Mit unschätzbaren Nachrichten beglückte mich das Medium am herrlichen Sonntagmorgen, den 06.03.2011. Obenan die für uns deutsche Verbraucherinnen und Verbraucher existenziell wichtigste Information: »E10-Biosprit ist gefährlich für alle Autos«. Genau, was ich immer schon befürchtet habe: Ich gehe zu meinem Gefährt, entferne das mindestens dreimal pro Woche von einem arbeitsamen Asylbewerber eingesteckte Werbekärtchen  für »XY-Autohandel in alle Welt« vom Seitenfenster, steige ein, drehe den Anlasser – und fliege in die Luft. Ein letzter Gruß von Al-Qaida. 

Als nächstes klärt Richard Herzinger über »Die Heuchler und ihr peinlicher Freund Gaddafi« auf. Recht hat er, nur die Semantik ist verkorkst. Rechts daneben: »Schüsse in Tripolis. Gaddafi erobert Städte zurück«. Aufgepasst! Ein Sieg des Wüstenoberst wäre peinlich für die Senussi-Demokratinnen und Demokraten in Benghasi. Darunter Bilder samt Videos vom Samba in Rio, von einer über Guttenberg fröhlich empörten Bürgerin, von Straßenschlachten bei einer Anti(also nicht Pro!)-Gaddafi-Demonstration in Tripolis. Ganz rechts stürzt ein NASA-Satellit beim Start in den Pazifik ab. Pech für die NASA. Jetzt muss sie beim unwilligen Kongress wieder um Geld betteln.

Weiter geht’s nochmal mit Guttenberg, »ein Mogelpeter vor dem Herrn«, dixit Arnulf Baring. Guttenbergs Textcollage (»summa cum laude«)  inspiriert Henryk M. Broder zu zwei Kommentaren, die ich an diesem für GlobKult reservierten Morgen leider übergehen muss.  Dass der »Trainer-Riese Van Gaal kaum noch zu halten« ist, scheint das online-Publikum besonders zu schmerzen. Mich erschreckt die rote Überschrift rechts daneben: »Börsen-Guru erwartet einen Crash am Aktienmarkt«. Als mich vor Jahren eine liebenswerte Beraterin bei der Postbank zur Anlage eines Gewinn-Sparbuchs überredete, sprach sie von todsicheren Aktienfonds, in welche die Ersparnisse investiert würden. Gewinn-Sparbuch? Bei 1,25 Prozent Zinsen, während der DAX boomt? Ich erinnere mich an 1923: Auf einmal alles weg. Ach, hätte man lieber selbst Papiere gekauft, dann könnte man den Crash aussitzen, aber so?

Zum Glück Entwarnung: welt-online verspricht Spaß beim rheinischen Karneval: »In der Herrenrunde darf ein Mann noch ein Mann sein«. Nein, doch kein Spaß, sondern – im Vorgriff auf den 8. März, an dem dank kosmisch-kalendarischer Fügung Frauentag und Karneval erstmals zusammenfallen -, nein, ein Beitrag zum Geschlechterkampf. Der wird ausgetragen in allen Varianten, direkt darunter: »Hape Kerkeling trennt sich von seinem Lebenspartner«. Da ich mich als genervter Hörer von Radio Kultur Kerkelings Seelenergüssen über eine  Pilgerfahrt nach Santiago verweigert habe, breche ich hier meine Bildungstour ab, obgleich eine Etage tiefer ein Foto mit fröhlichen Damen »Die bösen Fouls im DSDS-Zickenkrieg« illustriert. DSDS, eine Neuauflage des SDS?

Mit Wirtschaftsfragen – dismal science – möchte ich mich an diesem sonnigen Morgen nicht belasten, schon gar nicht in so unsicheren Zeiten, da Spaniens Kreditbonität von Fitch gerade heruntergestuft wurde. Außerdem droht welt-online: »Apples iPad 2 – der Anfang  vom Ende des PC«. Seit Jahren verfolgt mich die permanente digitale Revolution – la terreur ohne Ende zum Wohle der Menschheit. Rechts daneben: »Für Beate Uhse ist Sex kein Selbstläufer mehr«. Ja, lebt denn Görings alte Kampfpilotin noch?

Schluss jetzt mit welt-online! Ich setze meine bundesbürgerliche Bildungspflicht mit der  Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (Werbeabonnement gratis) fort. Dort wird  mir angesichts des zweiseitigen bebilderten Berichts über Säureattentate auf vermeintlich untreue Ehefrauen in Pakistan ganz gruselig zumute. Von Herzen möchte ich Claudia Roth (auf Seite 1) beipflichten: »Diese widerliche Art der Gewalt gegen Frauen muss viel stärker in der Öffentlichkeit thematisiert werden«? Ja natürlich. Auch die Gewalt gegen die Sprache sollte aufhören, nicht bloß ›thematisiert werden‹.