von Johannes Eisleben
Alternative Medien schreiben schon lange kritisch über den Globalismus, seit 2020 aber unter deutlich mehr emotionalem Druck. Denn obwohl SARS-Cov-2 ein Erreger ist, den man nicht durch Masken oder Lockdowns aufhalten kann, gegen den man nicht effektiv impfen kann und bei dem man es auch nicht braucht, weil er deutlich weniger letal als Influenza ist, wurden die medizinisch unnötigen und sinnlosen Maßnahmen im sogenannten “Kampf gegen COVID” im Einklang und gemäß der Pläne der globalistischen Ideologen und Technokraten der WHO und anderer Organisationen international im Gleichschritt abgearbeitet. Besonders auffällig waren dabei einheitliche Inhalte und Stil der Kommunikation und der global koordinierte Einsatz technischer Mittel (PCR-Test, Corona-Apps, Rollout der Impfstoffe und Zugangserteilung im Alltag über Impf-QR-Code-Apps).
Die globalistische Ausrichtung der Maßnahmenbefürworter bedeutet aber nicht, dass es sich hierbei um eine Verschwörung handelt und die Kritiker des Globalismus allesamt Verschwörungstheoretiker sind, wie es viele klassische Medien behaupten.
Was aber ist die globalistische Ideologie eigentlich? Wie ist sie entstanden? Wie wirkt sie? Warum wird sie sich nicht durchsetzen?
Planetarismus und Globalismus: Wirtschaftliche Grundlagen
Heidegger, nur in wenigen Aspekten eine Quelle philosophischer Erkenntnis, erkannte schon 1938, dass der “planetarische Imperialismus”, den er später auch “Planetarismus” nannte, die Präferenz der globalen Finanzwirtschaft ist [1]. Dieser erste Globalismus entstand nach dem Zusammenbruch des vom Vereinigten Königreich geführten liberalen Weltwirtschaftssystems mit dem Ersten Weltkrieg. Der Wunsch nach einer friedlichen Wirtschaftsordnung führte zur Gründung des Völkerbundes und zur Idee eines Vereinten Europa, die in den 1920er Jahren von Richard Coudenhove-Kalergi vorgetragen wurde. Nach dem Ersten Weltkrieg erholte sich der Welthandel wieder, transnationaler Kapitaleinsatz setze wieder ein, wobei die USA das Vereinigte Königreich als Führungsmacht des globalen Kapitalismus abzulösen begannen. Diesen Finanzkapitalismus hatte Heidegger im Blick, als er von ›Planetarismus‹ sprach.
Nur vor dem Hintergrund des Bretton-Woods-Systems und des sich daran ab 1971 anschließenden Systems der ungedeckten, fiktiven US-Dollar-Leitwährung ist der heutige Globalismus zu verstehen. Was zeichnet dieses System wirtschaftlich aus? Kurz gesagt ist es ein System, mit dem eine freie Marktwirtschaft mit Konkurrenz vieler kleiner und mittelgroßer Unternehmen durch verschiedene, einander verstärkende Effekte in ein System der Oligopolwirtschaft überführt wird [2].
Dabei wird der klassische, auf Konkurrenz und freier Preisbildung beruhende Kapitalismus, auf dem der enorme historische wirtschaftliche Erfolg des Abendlandes von 1500 bis 1970 beruht, durch ein System abgelöst, in dem alle wesentlichen Wirtschaftszweige von wenigen große Kapitalgesellschaften dominiert werden, die zusammen jeweils ein Oligopol bilden. Parallel dazu wird die öffentliche Infrastruktur, die materielle (Arbeiter- und Angestelltenwohnungen, Straßen, Brücken, Eisenbahn etc.) wie tendenziell auch die immaterielle (Bildung, Gesundheitswesen, Versicherungen), durch Verkauf an oligopolistische Kapitalgesellschaften privatisiert. Diese Oligopole wurden vertikal und teilweise horizontal integriert und seit den 1980er Jahren immer stärker internationalisiert. Die riesigen Kapitalverwaltungsgesellschaften wie Blackrock und Vanguard, die die Anteile an diesen Kapitalgesellschaften im Auftrag der Eigentümer verwalten, sind vollkommen internationalisiert, wenn auch oft mit Hauptsitz in den USA.
Typisch für Oligopole haben diese eine gewaltigen Marktmacht erreicht. Die nutzen sie zur weiteren Oligopolisierung mittels differentieller Kapitalakkumulation durch nationale und internationale Firmenkäufe, Setzung von Preisen und Kapazitätsbeschränkung zur Senkung von Löhnen sowie durch koordinierte Preissteigerung innerhalb einer Branche. Der segensreiche Konkurrenzmechanismus, den Adam Smith als invisible hand gepriesen hat, und der von der industriellen Revolution bis 1970 zu einem stetigen Zuwachs an Produktivität und dem Aufbau der das moderne Leben dominierenden Technosphäre geführt hat, besteht heute im Wesentlichen nur noch bei lokalen Unternehmen oder Zulieferern der Konzerne.
Diese Oligopolwirtschaft ist innovationsschwach, die Produktivität steigt im Westen seit 2010 kaum noch, das Wirtschaftswachstum schwächt sich immer mehr ab, es herrscht eine permanente, nun rasant ansteigende Inflation in Verbindung mit dem höchsten relativen und absoluten Schuldenstand aller Zeiten. Dieser wurde im Wesentlichen durch das Fiatwährungssytem ohne Golddeckung und den daraus resultierenden Finanzimperialismus der USA mit dem permanenten Tausch von aus dem Ausland in die USA gelieferten Realgütern gegen US-Staatsanleihen ermöglicht [3]. Bis auf Russland, dessen Schulden nur weniger als 20 Prozent des BIP betragen, das riesige Goldreserven angehäuft hat und nun eine durch Realwerte gedeckte Währung einführen wird, setzen alle OECD-Länder und China auf das System der Hyperverschuldung im Fiatsystem. Die Mechanismen zur Partizipation am Wachstum, die die Nachkriegszeit bis 1970 geprägt haben, sind erloschen, es hat sich eine radikal dichotome Eigentumsverteilung wie zur Zeit der ägyptischen Pharaonen entwickelt [4].
Seit den späten 1980er Jahren haben Kapitalgesellschaften und ihre Großaktionäre zur Maximierung der Kapitalerträge eine Politik der Deindustrialisierung und Deautarkisierung vorangetrieben. Mittlerweile betreiben westliche Gesellschaften vor allem Dienstleistungs- und Finanzwirtschaft, von der industriellen Fertigung sind in vielen Branchen nur Forschung, Entwicklung, Design und Feigenblattproduktion geblieben. Auf die Konsequenzen dieses Aspekts kommen wir unten noch zu sprechen.
Die Privatisierung staatlicher Infrastruktur und die Erosion der Steuerbasis durch die Steuerflucht der Großkonzerne trotz rekordhoher Nominalsteuersätze für Mittelstand und Mittelschicht haben die Lebenshaltungskosten für die unteren 85 Prozent der Bevölkerung immer weiter steigen lassen und zu einem deutlichen Wohlstandsverlust der Massen geführt.
Dieser realwirtschaftlich entkernte, oligopolistische Finanzkapitalismus mit globalem Investitions- und Renditeextraktionsmuster ist der Hintergrund, vor dem wir die globalistische Ideologie verstehen müssen.
Die globalistische Ideologie
Die globalistische Ideologie, die vollständig und in technokratischer Form von Schwab und Malleret [5, 6, 11] sowie in Teilaspekten von Henry Kissinger [7], Yuval Harari [8], J. Stiglitz [9] oder Henry Paulson [10] propagiert wird, hat einen klaren Aufbau:
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Wir werden durch äußerst katastrophale Entwicklungen bedroht: Anthropogenen Klimawandel, Pandemien, Terrorismus sowie durch innere Dissidenten (gerne als Rechtsextreme oder Neonazis bezeichnet) und äußere Feinde der Freiheit (Russland und China). Diese Entwicklungen sind wissenschaftlich einwandfrei nachgewiesen, wer damit nicht übereinstimmt, ist ein Wissenschaftsleugner.
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Nur durch eine globale Weltordnung, die ›liberal international order‹ (LIO) mit starken internationalen Institutionen, die die Nationalstaaten als Orte der Ausübung politischer Herrschaft ablösen, lassen sich die Bedrohungen überstehen. Dabei spielen die großen Finanzkapitalverwalter als Kern der Entscheidungsfindung eine wichtige Rolle. Kritiker nennen dies die ›New World Order‹ (NWO), die LIO-Ideologen halten sie für Verschwörungstheoretiker [12].
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Die LIO kann nur durch einen ›Great Reset‹ erreicht werden. Dadurch sollen die Nationalstaaten überwunden und durch transnationale Organisationen ersetzt werden. Der klassische Rechtsstaat soll ebenfalls verschwinden. Massenmigration ist ein wichtiges Instrument zur Überwindung der Nationalstaaten. Sie wird von der UNO ganz offen propagiert und als verpflichtend für die Nationalstaaten angesehen.
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Die LIO ist die moderne Form des liberalen Erbes der Aufklärung [7] und eine den heutigen Problemen angemessene Form der Weltregierung. Sie umfasst einen moralischen Überzeugungskanon (Genderideologie, Multikulturalismus, sog. kritische Rassentheorie, weiße Schuld etc.), von dem in keinem Aspekt abgewichen werden darf (Paketideologie).
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Die inneren Feinde der LIO, das sind die Dissidenten, die sich gegen die Paketideologie stellen, müssen aus dem Wirtschafts- und Erwerbsleben ausgeschlossen oder in besonders harten Fällen durch Haft aus dem gesellschaftlichen Leben entfernt werden.
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Die äußeren Feinde der LIO – Staaten wie Russland und ggf. auch China – müssen wirtschaftlich geschwächt oder militärisch besiegt werden, so dass sie in die LIO integriert werden können.
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Die LIO soll durch umfassende Digitalisierung, Überwachung und Abschaffung des heutigen Rechtsstaats erreicht werden. Ziel ist die Realisierung des Transhumanismus mit einer Synthese aus Mensch und Technik (Cyborgisierung, Virtual Reality, Internet of Everything), genetischer Optimierung des Menschen (transgene Menschen) und digitaler Immortalität [11].
Die globalistische Ideologie ist eine klassische Herrschaftsideologie zur Legitimation der oben geschilderten Eigentums- und Machtverhältnisse, die sich in der nördlichen Hemisphäre seit 1971 entwickelt haben. Sie dient der Erhaltung und Verschärfung der Eigentumsdichotomie und der Etablierung einer umfassenden Kontrolle des wirtschaftlich relevanten Teils der Weltbevölkerung.
Die LIO ist die der heutigen Form des globalen Oligopolkapitalismus angemessene Ideologie. Denn anders als das klassisch-liberale Gesellschaftsmodell, das von kleinteilig verteiltem Eigentum und intensivem Wettbewerb ausgeht, sind globale Oligopole nicht mit einer liberalen Ordnung kompatibel. Gewaltenteilung, Isonomie, Rechtsstaatlichkeit mit sozialen und rechtlichen Prozessnormen für die drei Gewalten, Pluralismus mit demokratischer Öffentlichkeit, demokratische Partizipation, Meinungsfreiheit und die aus der Menschenwürde abgeleiteten Grundrechte, die allesamt der Machtbegrenzung dienen [13], sind mit dem Machtanspruch der LIO nicht vereinbar und müssen aus Sicht dieser Ideologie überwunden werden. Kissingers Aussage, die LIO sei die Erbin der Aufklärung [7], ist daher in ihrer Verlogenheit kaum zu überbieten. Die Vertreter der LIO wollen vielmehr die totale digitale und biomedizinische Kontrolle über die relevante Bevölkerung in allen von Jeremy Bentham beschriebenen Dimensionen: Wahrnehmung, Bewegung, Sprechakte und Körper. Dies ist im Verlauf der ›Corona-Pandemie‹, die es aus medizinischer Sicht nie gab, besonders deutlich sichtbar geworden. Mit Hilfe dieser Kontrolle lässt sich die Verwertung der Menschen als Produzenten und Konsumenten maximieren.
Grundlage der LIO-Ideologie ist ein krass neopositivistisches, technokratisches Weltbild, das den Menschen in der Tradition von Descartes und Hobbes als Maschine und die ganze Welt wie bei Laplace und Auguste Comte als mathematisch modellierbares und technisch manipulierbares System betrachtet. Philosophisch ist der Positivismus seit Max Scheler [14] vollständig überwunden, und aus Sicht der Mathematik und Physik durch die Theorie komplexer Systeme [15] und der Entdeckung des Messproblems in der Quantenphysik [16] vollkommen obsolet: Beide zusammen ergeben, dass sich nur ein winziger Teil der Natur sowie vom Menschen gemachte technische Systeme (bei guter Ausführung, angemessener Nutzung und guter Wartung) mathematisch modellieren lassen. Der überwältigende Teil des Universums entzieht sich der mathematischen Modellierung.
Das ändert nichts daran, dass Globalisten radikale Neopositivisten sind, bei Bedarf allerdings wissenschaftliche Evidenz beliebig verbiegen oder Basiswissen negieren, wenn es der Stützung der für ihre Ideologie essentiellen Katastrophennarrative dient (s.o. Punkt 1). In Wirklichkeit sieht es mit den ›furchtbaren globalen Krisen‹, die angeblich wissenschaftlich erwiesen sind, wie folgt aus:
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Der Anteil des Menschen an der Verursachung des Klimawandels ist unbekannt. Es ist sehr wahrscheinlich, dass ein Verzicht auf die Verbrennung von Kohlenwasserstoffen den Klimawandel nicht aufhalten kann.
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Wir hatten nach dem Zweiten Weltkrieg lediglich globale Influenzapandemien, doch führten sie nie zu einer der Altersverteilung der Bevölkerung entsprechenden Verteilung der Opfer, wie dies bei echten Pandemien (Pest oder der Cholera) der Fall war. Diese Influenzapandemien haben vor allem als natürliche Todesursachen alter oder stark vorgealterter Menschen gewirkt. Das gilt insbesondere auch für den Erreger SARS-Cov-2. Wir leben nicht in einem Zeitalter, in dem Pandemien medizinisch relevant sind. Das würde sich nur ändern, wenn es keine Kanalisation, Massenhygiene und kein sauberes Trinkwasser mehr gäbe wie in Afrika oder Indien, wo immer wieder lokale Epidemien auftreten.
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Der globale Terrorismus ist vor allem durch Massenmigration zum Problem geworden, eine Repatriierung der in der legalen Wirtschaft nicht aktiven Migranten würde das Problem lösen.
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Die Feinde der ILO könnten als Handelspartner friedlich in den Welthandel integriert werden, wenn man darauf verzichten würde zu versuchen, sich ihre Kapitalströme anzueignen.
Keine Verschwörung
Die LIO ist keine Verschwörung, sondern eine der heutigen Interessenlage von Welteigentümern wie Bill Gates oder Marc Zuckerberg angemessene Ideologie. Die Globalisten versuchen selbstverständlich, die nach dem Zweiten Weltkrieg geschaffenen Institutionen zu nutzen und zu erweitern, um ihre politischen Ziele zu erreichen. Dafür treffen sie sich regelmäßig und teilen ihr Vorgehen und ihre Pläne, wie beispielsweise den eben gescheiterten Plan zur Ermächtigung der WHO zu einer zentralisierten Pandemiepolitik oder den ›Global Compact for Migration‹ der UNO, der Öffentlichkeit mit. Das ist keine Verschwörung, sondern normales politisches Handeln dieser global organisierten Interessengruppen. Dass dabei die etablierten Formen der demokratischen Partizipation und Rechtsstaatlichkeit überwunden werden sollen, ist auch nicht weiter verwunderlich. Die Machtkonstellation in Rom bei Einführung des Prinzipats schaffte auch zahlreiche Elemente der alten republikanischen Partizipation ab; nur die Fassaden wurden gewahrt. Beim Wiener Kongress von 1815 gelang es, die Adelsherrschaft auf dem Kontinent noch einmal für ein halbes Jahrhundert zu restaurieren und bürgerliche Partizipationsziele abzuschmettern.
Die Machtverhältnisse, die die Grundlage der bürgerlich-liberalen Ordnung waren, wie sie Aufklärung und klassische Makroökonomik idealisiert beschreiben, sind schlicht und einfach verschwunden. Das klassische, dezentrale (nationalstaatlich) organisierte und miteinander konkurrierende mittelständische Bürgertum ist im Westen marginalisiert, in Russland und China hat es diese Schicht nie gegeben – die neofeudalistisch-oligopolistischen Welteigentümer geben nun den Ton an. Solche Vorgänge zu beschreiben ist keine Verschwörungstheorie, der Begriff wird einzig und allein dazu verwendet, Analysen zu unterdrücken und zu diskreditieren.
Doch wird sich die ILO auch durchsetzen? Ich glaube nicht. Warum?
Der tönerne Riese
Die globalistische Ideologie ist nicht der einzige Trend, der das politische Handeln auf der Welt bestimmt. Er konkurriert mit anderen Ideologien und Versuchen, Machtausübung neu zu organisieren. Vor allem aber schwächt die reale Situation, der diese Ideologie ausgesetzt ist, und die Art, wie die ihr folgende Politik die Realität verändert, ihre Aussichten auf Verwirklichung.
Die wichtigsten Faktoren, die ein Scheitern der LIO wahrscheinlich machen, sind folgende:
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Megalomane Sozialplanung in der Tradition Étienne-Gabriel Morellys, des Erfinders des Sozialismus (Code de la nature, 1755),
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Erosion des Finanz- und Realwirtschaftssystems mit einer sich zuspitzenden selbstgemachten drastischen Verschlechterung der Versorgungslage ohne jegliche natürliche Notwendigkeit mit sich daraus ergebendem Abbröckeln der Legitimität staatlicher Herrschaft,
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instabile, auf kollektiver Angst beruhende Herrschaftsstrategie ohne Zuckerbrot,
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kulturelle Schwäche der LIO-Ideologie (Versagen im Bereich Bildungswissen),
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naturwissenschaftliche Schwäche (Versagen im Bereich des positiven Wissens),
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unklarer Zugriff auf Ordnungskräfte im Fall der Notwendigkeit einer Durchsetzung der Herrschaft mit blanker Aktionsmacht (Gewalt) im Inneren, militärisch-strategische Schwäche nach außen und
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Abschaffung des Naturrechts und Verrat an der rechtsstaatlichen Tradition.
Wegen dieser Faktoren steht der Globalismus auf tönernen Füßen. Ich gehe sie im einzelnen kurz durch.
Die megalomane Sozialplanung, die Schwab und andere Globalisten umsetzen wollen, ist im Kern ein neosozialistisches Projekt. Seit gut 250 Jahren, als Morelly seinen Code de la nature veröffentlichte, glauben viele Politiker, soziale Normen und gesellschaftliche Strukturen am Reißbrett entwerfen und dann umsetzen zu können wie eine geplante Brücke. Eine lange Tradition von Hume, Burke, Hegel bis hin zu modernen Konservativen wie Oakeshott, Hayek, Gehlen oder Lübbe hat vergeblich davor gewarnt. Der große Überschuss, den die Industriegesellschaft produziert, macht es möglich, solche abartigen Sozialexperimente über längere Zeiträume durchzuführen, ohne dass die Versorgung zusammenbricht. Das war in der Agrargesellschaft nicht möglich und erklärt, warum seit dem Ende des 19. Jahrhunderts Politiker in allen Systemen dieser Versuchung immer wieder nachgeben. Der globale Kissinger-Liberalismus hat sich jedenfalls schon lange der Sozialplanung verschrieben. Wenn sich Kissinger auf die Aufklärung bezieht, dann meint er wohl nicht Locke oder Kant, sondern Morelly, Rousseau und Babeuf. Solche Pläne scheitern immer, und zwar desto schneller, je mehr spontan entstandene Ordnung sie zu zerstören versuchen.
Das globale Fiat-Währungssystem ohne materielle Deckung und mit Teilreservesystem der Banken ist am Ende. Die aufkommende Inflation kann nicht adäquat bekämpft werden wie zu Beginn der 1980er Jahre, da die Geldschöpfung und Verschuldung so enorm sind, dass bei einem echten Anstieg der Zinsen massenhaft Unternehmen und auch viele Staaten zahlungsunfähig würden. Die Zentralbanken können das überschüssige Geld, welches in den letzten 20 Jahren in immer höherer Geschwindigkeit geschaffen wurde, nicht mehr durch Verkauf ihrer Aktiva (Anleihen) und anschließender Vernichtung des an sie fließenden Geldes aus dem Verkehr ziehen, weil dann die Zinsen steigen und darauf eine Pleitewelle folgen würde. Gleichzeitig hat die kulturelle COVID-Hysterie die globalen Lieferketten nachhaltig gestört, Chinas Null-COVID-Politik stört sie weiterhin. Wenn in den Lieferketten wichtige Intermediäre pleite gehen, ist der Wiederaufbau der Ketten aufwendig.
Wir haben derzeit einen Angebotsschock, dem eine lebhafte Nachfrage entgegensteht. Daher steht uns eine globale Inflation bevor, die schwer zu bremsen ist und die das makroökonomische Ungleichgewicht verschärfen wird. Derweil propagieren die LIO-Ideologen weiterhin Dekarbonisierung und Reduktion der landwirtschaftlichen Nutzfläche, was die Lage verschärft. Wir können ohne Verbrennung fossiler Energiequellen noch nicht überleben, zum Ausstieg daraus ist ein globaler, umfassender Einsatz von Atomkraft erforderlich. Der Verbrauch von Kohlenwasserstoffen zur chemischen Synthese ist außerdem nicht vermeidbar. Durch die seit den 1980er Jahren betriebene Deindustrialisierung des Westens ist der Westen nicht mehr autark, sondern hochgradig abhängig, auch und gerade von seinen geopolitischen Feinden.
Wegen all dieser Effekte wird es also zu Versorgungsengpässen in den Bereichen Energie, Lebensmittel und Arzneimitteln kommen, in der Südhemisphäre und Ländern wie Indien werden Menschen verhungern, in der Nordhemisphäre wird es zu Massenunzufriedenheit und vielleicht auch zu Aufständen kommen.
Die Herrschaftsstrategie der LIO-Ideologie beruht auf Angst: Angst vor Terrorismus, Klimawandel, Pandemien, und den Feinden des Westens. Ständig schüren ideologische LIO-Publikationen in Wissenschaft, Medien, NGO- und Konzernöffentlichkeitsarbeit sowie Politik diese Ängste, weil auf ihnen mittlerweile das gesamte Herrschaftsnarrativ beruht. Dies ist keine effektive Strategie. Machiavelli beschreibt, dass stabile Herrschaft positive Elemente enthalten muss. Doch das Globalistennarrativ ist frei davon, es hat keine attraktiven Botschaften mehr und ist daher essentiell instabil.
Auch kulturell gesehen ist das Narrativ schwach. Es ist antirationalistisch, skeptizistisch und selbstverleugnend. Die Leistungen des Abendlandes, die zur Schaffung der Wissenschaft, des klassischen Kapitalismus, der wunderbaren abendländischen Literatur, Kunst und Musik, der modernen Technosphäre, des Rechtsstaats, der Menschenrechte und der partizipativen Demokratie geführt haben, werden als Quelle des Bösen gekennzeichnet. Wir dürfen nicht mehr stolz sein auf das, was die großen Europäer wie Plato, Aristoteles, Paulus, Augustin, Luther, Rabelais, Newton, Purcell, Leibniz, Bach, Hume, Kant, Constant, Dostojewski, Maxwell, Einstein oder Scheler geschaffen haben, sondern müssen uns unserer historischen Schuld schämen. Diese Scham soll die einzige Quelle säkularer Erlösung sein. Gott ist tot und kann uns nicht mehr trösten. Gleichzeitig soll der Mensch laut Harari nun selbst Gott werden und die Welt neu gestalten. Von so einer Ideologie kann man dauerhaft keine Menschen überzeugen.Derzeit funktioniert sie nur, weil das Wohlstandsniveau noch so hoch ist. Sie konnte an den Universitäten vor allem Fuß fassen, weil die durchschnittliche Intelligenz der Professoren und Studenten in den letzten 50 Jahren stetig gefallen ist und jetzt nur noch knapp höher als der IQ des Bevölkerungsdurchschnitts liegt. Den geistigen Sondermüll der postmodernen Ideologie können auf Dauer nur echte Ignoranten ernst nehmen [17].
Im Bereich des positiven Wissens ist die LIO-Ideologie in krasse Widersprüche verstrickt. Zwar behauptet man, die Katastrophennarrative beriefen sich auf wissenschaftliche Erkenntnisse. Doch bei den Themen anthropogener Klimawandel und Pandemien ist das Gegenteil der Fall. Hier kursieren in der Öffentlichkeit pseudowissenschaftliche soziale Konstrukte, die mit der Messung, Auswertung und adäquaten Modellierung der Wirklichkeit wenig zu tun haben. Ähnlich unwissenschaftlich ist der Transhumanismus, den Harari und Schwab verkünden. Die positive Rezeption durch akademische Gebildete zeigt ein völliges Versagen und die Entkernung der akademischen Ausbildung in Kombination mit einem Verfall des sensus communis an.
Der Westen hat seit Jahrzehnten die Anerkennung der Ordnungskräfte und die Pflege ihrer Loyalität zum Staat vernachlässigt und sie auch oftmals unterfinanziert. Die Äußerung ›Soldaten sind Mörder‹, die pauschal jegliche Wehrtätigkeit als unmoralisch brandmarkt, wurde durch unsere Justiz nicht etwa als strafbare Beleidigung oder Verleumdung klassifiziert, sondern als von der Meinungsfreiheit gedeckt eingestuft. Den Soldaten wurden ihre Traditionen verboten. Die Polizei wird in einigen Bundesländern dadurch verhöhnt, dass die unterbesetzte Staatsanwaltschaft die rechtsstaatlichen Fristen zur Erhebung der Anklagen nicht einhält und Täter, die Polizisten unter Lebensgefahr gefasst haben, aus der U-Haft entlassen werden müssen. Die Arbeit der Bundespolizei ist seit 2015 ein schlechter Witz. Ob man sich auf die so behandelten Ordnungskräfte verlassen kann, wenn bei Unruhen der Einsatz gegen die eigene Zivilbevölkerung befohlen wird, bleibt abzuwarten. Die Fähigkeit zur erfolgreichen militärischen Auseinandersetzung mit äußeren Feinden ist ebenfalls stark eingeschränkt. Seit 1953 haben die USA, die Führungsmacht des Westens, keinen bedeutenden Krieg mehr gewonnen. Es sieht nun so aus, als ginge auch der Stellvertreterkrieg gegen Russland in der Ukraine für den Westen verloren. Unsere Feinde freut es, dass wir militärisch nicht mehr leistungsfähig und auch nicht mehr in der Lage sind, mit eigenen Truppen einzugreifen und unter Inkaufnahme von Verlusten einen Feind zu besiegen (was allerdings im Fall der Ukraine nicht einmal wünschenswert wäre).
Der Westen hat das Naturrecht mit Ausrufung der Pandemie und den Corona-Zwangsmaßnahmen abgewrackt [18] und die Rechtsstaatlichkeit verraten. Der Trend setzt sich ungehindert fort. Richter, die nicht mit der Exekutive konform urteilen, werden drangsaliert, Bürger, die ihr Grundrecht auf freie Meinungsäußerung ausüben, werden massiv unter Druck gesetzt. Der Staat hat Angst vor den Bürgern und gleitet immer mehr in eine Repressionsspirale ab.
Den liberalen Westen der ersten Nachkriegsjahrzehnte gibt es nicht mehr, die LIO wird an diesen Widersprüchen und Schwächen scheitern. Wann und auf welche Weise, das kann keiner sagen.
[1] M. Heidegger, Gesamtausgabe 1. Abt. Bd. 5: Holzwege, Frankfurt a.M 1979, 111 (1938)
[2] J. Nitzan und S. Bichler: Capital as Power. London, 2009.
[3] M. Hudson: Superimperialism. Islet, 2021 (3. Aufl.)
[4] Th. Piketty: Das Kapital im 21. Jahrhundert. München 2014.
[5] K. Schwab und Th. Malleret: COVID-19. The Great Reset. Davos. 2020.
[6] K. Schwab und Th. Malleret: The Great Narrative. Davos. 2021.
[7] H. Kissinger: The Coronavirus Pandemic Will Forever Alter the World Order. The Wall Street Journal. April 3, 2020.
[8] Yuval Harari: Homo deus. A Brief History of Tomorrow. London. 2016.
[9] J. Stiglitz: A Lasting Remedy for the Covid-19 Pandemic’s Economic Crisis. The New York Review of Books. April 2020.
[10] Henry Paulson: Save globalisation to secure the future. Financial Times, April 2020.
[11] K. Schwab: The Fourth Industrial Revolution. New York. 2017.
[12] https://en.wikipedia.org/wiki/New_World_Order_(conspiracy_theory)
[13] Heinrich Popitz: Phänomene der Macht. Tübingen. 1992.
[14] Max Scheler: Die Stellung des Menschen im Kosmos. 1928.
[15] Ilya Prigogine: Introduction to Thermodynamics of Irreversible Processes. 1955.
[16] Henry Pierce Stapp (1997). The Copenhagen Interpretation. The Journal of Mind and Behavior. 18: 127–54
[17] G. Himmelfarb: On Looking Into The Abyss: Untimely Thoughts on Culture and Society, New York, 1994
[18] https://www.globkult.de/gesellschaft/modelle/2178-naturrecht-ade