von Gunter Weißgerber
Angela Merkel bestimmt seit 2005 die Richtlinien der Politik der Bundesregierung. Nicht etwa die Richtlinien der Politik der Res Publica bzw. dieser Gesellschaft. Dieser Unterschied zur Bundesrepublik vor 2005 ist unbedingt der gewissenhaften Erwähnung wert! Seit also Angela Merkel im Verbund mit einem Großteil des deutschen Feuilletons ihre Richtlinien, genauer, dass was sie darunter versteht, stemmt, geht das Vertrauen in die Institutionen des demokratischen Rechtsstaates so verloren wie das Wissen um den Unterschied zwischen dem was eine Bundesregierung will und der Gesellschaft zumuten kann in gleichem Maße verschwindet. Mit ihrer verwerflichen Moralattitüde erhebt sich über das, was einen akzeptierten und funktionierenden Rechtsstaat ausmacht: die gleichermaßen für alle geltenden Regeln. Im Jahr sechzehn der Regentschaft von Frau Merkel gilt faktisch nur noch, was diese Frau erfindet und verkündet. Die Plebs weiß nur noch, links ist gut, rechts ist böse und was gut oder böse, links oder rechts ist, dass deutet die Frau im Kanzleramt und lässt es öffentlich spüren.
von Boris Blaha
Im Unterschied zu einem rechtlichen Schuldvorwurf, der die Verletzung eines weltlichen Gesetzes oder Gewohnheitsrechtes angeben muss, bezieht der moralische Schuldvorwurf seine Legitimation aus einem, nur bestimmten auserwählten Medien geoffenbarten Universalgesetz. Anders als das Tatsachenereignis, das gewöhnlich von mehreren wahrgenommen, erfahren und in seinen Auswirkungen gemeinsam gedeutet werden kann, erleuchteten die das abendländische Denken prägenden Offenbarungen jeweils nur Einen, das gilt für den Mann am brennenden Dornbusch (Mose), wie für den, der die Höhle der gefesselten anderen verließ, um die Idee, nicht nur ihren Schatten mit seinem geistigen Auge zu schauen (Platons Höhlengleichnis). Was der eine gehört haben soll, soll der andere erblickt haben, aber von weiteren Beteiligten, gar unabhängigen Zeugen ist bislang nichts bekannt, ein Indiz für die merklichen gedanklichen Defizite der Metaphysik gegenüber den öffentlichen Angelegenheiten, in denen stets die gemeinsame Sache Vieler auf dem Spiel steht. Die traditionelle Philosophie hat immer nur den Menschen gedacht, zu einer politischen Leistung wie der antiken Tragödie war sie nicht in der Lage. Auch die monotheistische Gottesvorstellung kennt immer nur den Einen als Ebenbild und die anderen als bloße Wiederholung des Einen.
von Herbert Ammon
Für den Historiker bestehen wenig Zweifel über den Schuldanteil des deutschen Protestantismus am Aufkommen des ›Dritten Reiches‹ und am weitgehenden Versagen der Kirchenführer, auch der Bekennenden Kirche, an den Wegstationen der im Holocaust gipfelnden Verbrechen des NS-Regimes. Das ist nicht identisch mit Haupt- oder Alleinschuld. Es gehört indes zur Ironie der Geschichte, dass in einem längeren Prozess der Nachkriegszeit innerhalb der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) die deutsche Schuldthematik – mit dem Stuttgarter Schuldbekenntnis vom 19. Oktober 1945 als Ausgangsdatum – wenn nicht zum Kern des christlichen Credo, so zu einem zentralen Dogma erhoben wurde. Den tonangebenden Protestanten geht es nicht mehr um das Seelenheil der Gläubigen, sondern um den aus der Schulderkenntnis – de facto ein Bekenntnis zur deutschen Kollektivschuld an den Nazi-Verbrechen – abgeleiteten Anspruch auf Anleitung zu ›richtigem‹ politischem Handeln zum Heil der Menschheit.
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