von Markus C. Kerber
Die eindringlichen Appelle, die Bundespräsident Steinmeier samt dem Establishment des deutschen Parteienstaats anlässlich des Jahrestages des Anschlags auf die Synagoge in Halle verbreitete, waren angemessen, vielleicht sogar unverzichtbar. Obschon die Tat eines verwirrten Einzeltäters ähnlich wie der viel beschworene Rechtsextremismus von der Mehrheit der Bevölkerung genauso verabscheut wird wie der Linksterrorismus der 70er Jahre, geziemt es einem Staatsoberhaupt, bei solchen Anlässen an die Werte deutscher Republik zu erinnern. Dies gilt vielleicht weniger für die völlig überzeichnete Gefahrenlage des Rechtsextremismus in den deutschen Sicherheits- und Ordnungskräften. In jeder Großorganisation finden sich schwarze Schafe und ihre Gesinnung lässt nicht auf den Seelenzustand der deutschen Gesellschaft schließen.
Hält man gleichwohl die Appelle für sinnvoll, so wird unverständlich, dass dasselbe politische Establishment den unverkennbaren Trend zivilisatorischer Verrohung in der deutschen Hauptstadt gar nicht zur Kenntnis nehmen will. So wurden hier anlässlich der überfälligen Räumung eines widerrechtlich besetzten Hauses (Liebig 34) die Ordnungskräfte von eben diesen Hausbesetzern bis zur Unerträglichkeit provoziert. Dass die Polizei Ruhe bewahrt hat und einen rechtsstaatlich einwandfreien und verhältnismäßigen Räumungsbeschluss durchgesetzt hat, spricht für das unerschütterliche Rechtsstaatsbewusstsein des ganz überwiegenden Teils der Ordnungskräfte in der deutschen Hauptstadt. Was sich danach in den Abendstunden des 9.10.20 um den Hackeschen Markt und die Rosenthaler Straße bis hin zur Schönhauser Strasse abspielte, hätte das Polit-Establishment aufhorchen lassen müssen. Hier hatte sich eine Rotte von mehreren Tausend straff organisierten, schwarz gekleideten, vermummten Gestalten zusammengefunden, um Gewalt überwiegend gegen Sachen zu üben. Wer als kundiger Beobachter und unmittelbar angrenzender Nachbar diesen Geschehnissen beiwohnen musste, konnte es mit der Angst bekommen. Für Stunden gehörte die Straße dem Mob und die hoffnungslos unterlegenen Polizeikräfte konnten nichts anderes tun, als eben diesen Mob in der Hoffnung zu begleiten, dass es nicht zu schlimmeren Auseinandersetzungen kommen werde. Die Antifa-Szene blüht in Berlin und ist besser organisiert als jemals zuvor. Schlagartig ist sie in der Lage, wann immer sie eine Herausforderung mit der Staatsmacht wittert, diszipliniert zusammenzukommen und den Anspruch des Rechtsstaats auf Garantie der Gewaltfreiheit herauszufordern. Dies geschah am 9.10.20 in besonders manifester Weise. Der Tagesspiegel berichtet in einer Notiz über angeblich 200 Demonstranten und gehört damit zu den Verharmlosungsmedien der Republik. Die übrige Medienlandschaft beschreibt die Vorfälle, als ob es sich um einen Spuk gehandelt habe, eine Art linksradikalen Karneval, mit dem man in Berlin halt leben müsse. Die zertrümmerten Scheiben der Geschäfte und der Straßenbahnhaltestelle sowie der anliegenden Sparkasse sprechen eine andere Sprache und lassen alle diejenigen Bürgerinnen und Bürger sprachlos zurück, die nicht einsehen wollen, warum derartige Straftaten ungesühnt inmitten der deutschen Hauptstadt begangen werden können. Dort indessen gärt langsam Wut, wo die Ordnungskräfte, die in dieser Situation auf Gewalt nicht mit Gewalt antworten dürfen, sondern unter dem Joch der öffentlich-rechtlichen Medien und ihrer Verurteilungsrhetorik stehen, um unter schwierigen Bedingungen ihren Dienst zu tun. Wer als Polizistin oder Polizist diesen Lindwurm entfesselter und roher Gewalt auch nur kurze Zeit mitverfolgen musste, fragt sich, wie es um Recht und Freiheit in der deutschen Hauptstadt bestellt ist. Das könnte den einen oder anderen auf dumme Gedanken bringen. Es ist höchste Zeit, dass die einseitigen Darstellungen öffentlich-rechtlicher Medien und sogenannter Leitmedien (so der Anspruch des Tagesspiegel-Herausgebers Sebastian Turner) einer wahrheitsgetreuen Berichterstattung das Feld überlassen. Mehr noch: Wenn die Politik nicht sehr schnell aufwacht und die Gefahrenlage in der deutschen Hauptstadt in ihrem ganzen Ausmaß erkennt, dann könnte es auch demnächst zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen kommen.