Herbert Ammon
Rolf Stolz: Notwende Deutschland. Zur Rettung des Landes und vor sich selbst, Uhingen (Gerhard Hess Verlag) 2025, 268 Seiten.
Wenn Bundeskanzler Merz unlängst in sehr allgemeinen Worten über den desolaten, allenthalben augenfälligen Anblick deutscher Städte spricht, schlägt ihm links-grüne Empörung entgegen. Vereint im Kampf gegen die AfD, sperrt sich die classe politica samt der deutschen Medienöffentlichkeit gegen die Erkenntnis der Konsequenzen der evidenten, statistisch belegten Fakten: Der fortschreitende Wirtschaft und Wohlstand gefährdende Analphabetismus hat maßgeblich mit dem Zustrom von Migranten aus dem islamisch-orientalischen Kulturkreis zu tun. Einher mit dem Bildungsnotstand geht der demographische Prozess, id est der - als »rechts« begrifflich verpönte - Bevölkerungsaustausch.
Setzen sich die entsprechenden Tendenzen ungehindert fort, droht in spätestens zwei Generationen die Auflösung von Volk, Staat, Nation und Kultur des Landes in der Mitte Europas. Deutschland »wäre nicht länger das Land der Deutschen«, sondern würde »zu einem Quasi-Dritte-Welt-Land herabsinken« und »irgendwann zum Schauplatz von Bürger- und Interventionskriegen«, schreibt Rolf Stolz in seinem jüngsten Buch. Über »Aussichten auf den Bürgerkrieg« schrieb schon in den 1990er Jahren Hans Magnus Enzensberger. Im Anschluss an Samuel P. Huntington befindet Stolz, Verfasser von zwei Büchern, in denen er das Vordringen eines »mittelalterlichen«, voraufklärerischen Islam ins Visier nahm, »der Krieg der Kulturen ist nun einmal eine Tatsache«.
Finis Germaniae: Stolz scheut nicht vor der Verwendung dieses Signalworts zurück, auch wenn es – Ausweis der Belesenheit des Autors - ursprünglich bei Wilhelm Marr, dem Erfinder des Begriffs »Antisemitismus« zu finden ist. Alles Mögliche mögen Kritiker dem einzelkämpferischen Nationalpatrioten Stolz, einst führender Mitbegründer der »Grünen«, nachsagen, aber nicht, dass er von antisemitischen Sentiments beseelt sei. In seinem jüngsten Buch würdigt er die Zugehörigkeit der Juden zu der vom Nazismus zerstörten deutschen Geschichtslandschaft und deren – im Gefolge der Emanzipation zwischen religiöser Besonderung und Assimilation changierendem – Beitrag zur deutschen Nationalkultur. »Auch der nazistische Rassenwahn, der im Kern ein als Stammeskrieg inszenierter Brudermord war, hat das Judentum als essentielles Element der deutschen und abendländischen Kultur...nicht vernichten können.«
In der fünfunddreißig Seiten umfassenden Einleitung des Buches nimmt der Autor seine Zustandsbeschreibung sowie seine Thesen »zur Rettung des Landes« vorweg. Danach sind die folgenden dreizehn Kapiteln auch als separate Essays zu lesen, wobei es allerdings zu mancherlei Überschneidungen und Wiederholungen kommt. Gleichwohl: Wer noch nach Fakten bezüglich der – ja nicht auf Deutschland beschränkten - Migrationsmisere sucht, wird in dem Buch mit reichlich Material versorgt. Leider fehlen dazu - bis auf wenige Fußnoten - die zitationsfähigen Angaben. Auch ein Namensregister hätte dem Buch gutgetan.
Naturgemäß werden »linke« Kritiker den eigenwilligen Autor Stolz wegen seiner Forderungen nach einer restriktiven – am Vorbild Dänemark orientierten – Einwanderungspolitik sowie zur Bewahrung der deutschen Nationalkultur in die rechte Ecke stellen. Schon gar nicht dürfte er – außerhalb eines verbliebenen Häufleins von »Nationalneutralisten« im Umfeld der AfD oder des BSW - mit seinem Programm für »radikal realistische demokratische und patriotische Alternativen« Beifall finden, wo er – etwa an einen Vertragsentwurf Putins von 2021 erinnernd - gegen die NATO und den Brüsseler« Zentralstaatswahn« zu Felde zieht. Schon gar nicht wird er bei Frauen, selbst nicht bei nichtfeministischen, Beifall für seine Forderung nach höheren Geburtenquoten bekommen.
Der allfällige »Rassismus«-Vorwurf kann den Streiter für »UNSERE Sicht der Dinge« nicht treffen.»Natürlich gibt es neben dem juristischen Begriff des Staatsvolkes auch den engeren politischen des Volkes als geschichtliche Kultur- und Interessengemeinschaft.« Der Satz mag Verfassungsschützern missfallen, aber trifft den Kern der Sache. Offen rassistisch, inspiriert von deutschem Selbsthass, sind hingegen Sprüche wie die von Axel Steier, Gründer von »Mission Lifeline«: Es wird irgenwann keine Weißbrote mehr geben...«
Stolz differenziert zwischen politisch akzeptabler, gesetzestreuer »Integration« (unter Verzicht auf politische Teilhabe) und tendenzieller Assimilation an Volk und Nation. »Allen jenen, die Deutsche werden wollen«, wolle man »eine neue Heimat geben.« »Den Fremden muss gesagt werden: Es geht um unser Volk und nicht um ihre Bevölkerung! Und unser Volk setzt sich eben zusammen aus drei Vierteln Autochthonen und einem Viertel neuen Deutschen.« Als Beispiel für gelungene Einwurzelung in die deutsche Kultur nennt Stolz den noch vor dem Mullah-Regime zum Studium nach Deutschland gekommenen Said Mirhadi (SAID, 1947-2021). Für Stolz »und viele andere, die sein Werk kennen, ist er einer der größten deutschen Dichter der Jahrhundertwende.«
Dass er mit seinen provokanten Thesen zur Sinnfrage in einer geist- und gottlosen Gesellschaft sowie zur – im Hinblick auf die Zukunft der deutschen Gesellschaft zentralen - Identitätsfrage bei – zutiefst deutschen, meist mit Nazi-Vätern (oder -Müttern) ausgestatteten - (anti-)deutschen Intellektuellen in ein Hornissennest stößt, ist dem Autor klar. Er wendet sich nicht nur gegen den – in der Rede vom »Volk der Täter« kultivierten – Begriff der Kollektivschuld, sondern auch gegen den einer Kollektivscham: »Sollen wir uns mit den Verbrechern identifizieren?«
Als Kronzeugen für das Überleben der Deutschen als Volk und Nation beruft sich Stolz auf Bassam Tibi, den Erfinder des – alsbald aus deutschen Diskursen verbannten - Begriffs »Leitkultur«. Zur Ergänzung bietet das Buch eine ganze Reihe von aussagestarken Zitaten, so von Alain Finkielkraut: »Wokismus ist die Installation des Hasses auf den Westen im Herzen des Westens. Es ist ein Todeskult.« Hans Ulrich Gumbrecht: »Wir (die Intellektuellen) beten nur nach, was uns Politiker, Virologen und Antirassisten sagen.« 2023 erklärte der Bürgerrechtler Arnold Vaatz, ehedem Vizevorsitzender der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag. Unter Merkel sei Deutschland zu »einer Diktatur von Sprachregelungen« mutiert. Vaatz nannte Merkel »für ganz Deutschland eine Katastrophe, an der ich peinlicherweise, weil ich es lange nicht wahrhaben wollte, persönlich mitgewirkt habe.«
In der Einleitung bezeichnet sich Stolz »im politisch-literarischen Raum (als) ein(en) Mensch(en) mit Neigung zu Polemik und Provokation.« In der Tat wirken all die negativen Epitheta, mit denen er etwa Olaf Scholz (»oberster deutscher Winkeladvokat«) belegt, bei der Lektüre störend, wenn nicht ärgerlich. Im Falle von Annette Kurschus wirkt das polemische Wortspiel immerhin erhellend. »die abgehalfterte Ratsvorsitzende der evangelischen Kirche, für so manchen Kurzschluss gut«, verlautbarte, die Aufnahmefähigkeit »unseres reichen Landes« sei noch lange nicht erreicht. Sie fände »ihre Grenze da, wo es zur Selbstaufgabe kommt.«
Mit seinem Buch, genauer: mit seiner Streitschrift, möchte Rolf Stolz die Selbstaufgabe Deutschlands aufhalten. Die Frage ist, wie viele Führungsfiguren »unserer Demokratie« seine Botschaft erreicht.