von Max Ludwig

In der Ukraine führt die NATO Krieg gegen Russland mit der Absicht, im Land einen Systemwechsel herbeizuführen, wie das auch für Irak, Afghanistan, Libyen oder Syrien vorgesehen war. Ein Freund fasste es folgendermaßen zusammen: »Die Ukraine soll, obwohl sie früher fest ein Bestandteil der russischen Einflusszone war, in die Gruppe des kollektiven Westens wechseln und kulturell, militärisch und ökonomisch Frontstaat gegen Russland werden. Ferner soll als mittelfristiges Ziel in Russland ein Regimewechsel herbeigeführt werden, kurzfristig soll Russland geächtet, geschwächt und isoliert werden.«

Es soll in Russland ein dem Westen genehmes politisches System etabliert werden, das ihm die Ausbeutung russischer Ressourcen ermöglicht – nach dem Muster der westlichen Unterwerfung der kohlenwasserstoffreichen arabischen Länder. Wie kommen wir auf diese Idee? Lässt sie sich verwirklichen?

Das imperiale Herrschaftsmodell des Westens

Amerika und seine engen Verbündeten in Europa waren nach dem zweiten Weltkrieg sehr erfolgreich in der Ausbeutung der Ressourcen der Welt mit Hilfe eines neokolonialen Herrschaftsmodells. Dabei wurden zahlreiche Mechanismen verwendet, die Michael Hudson sehr ausführlich beschreibt [1,2]. Einer davon war die Förderung der Eliten auszuplündernder Staaten, die mit den USA kooperierten und an der Ausbeutung beteiligt wurden. Regierungschefs, die sich dem widersetzten, wurden entfernt und durch einen Vasallen ersetzt, falls dies den USA möglich war, wie beispielsweise Salvador Allende in Chile, der durch den blutrünstigen US-Freund Pinochet abgelöst wurde. An anderen Orten lehnten sich Teile der lokalen Eliten gegen die USA auf und entzogen dem Westen damit die direkte Partizipation an der Ausbeutung der Ressourcen – wie im Iran beim Sturz des US-freundlichen Schah Mohammad Reza Pahlavi von Persien.

Das System, das Hudson als ›Superimperialismus‹ bezeichnet hat, erlaubte es den USA mit Hilfe des Dollars als globaler Leitwährung, einer weltweiten Militärpräsenz und einer sehr geschickten Diplomatie, deren Schema der geniale Machtpolitiker der deutsch-US-amerikanische Dr. Henry Kissinger entwickelt hatte, chronische Handelsbilanz- und öffentliche Budgetdefizite aufrechtzuerhalten und so immer weniger von der eigenen Leistung, sondern – durch massiven schuldenfinanzierten Überkonsum – immer mehr auf Kosten anderer zu leben. Dabei konnten die USA es sich erlauben, seit den 1980er Jahren immer weiter zu deindustrialisieren und dabei im Finanzsektor durch Outsourcinggeschäfte riesige kurzfristige finanzielle Gewinne zu erzielen. Mit anderen Worten: Die USA, das Vereinigte Königreich und tendenziell auch kontinentaleuropäische Länder wandelten sich immer mehr zu neokolonialen Mächten. Dementsprechend wandelte sich der Westen auch im Inneren. Gesellschaften, die auf Kosten anderer leben, entwickeln parasitäre Binnenideologien. Die gesamte postmoderne Philosophie und die daraus entstandene woke, dem Selbsthass verpflichtete Ideologie von der Abwesenheit von Wahrheit und Omnipräsenz von Macht im ›weißen Diskurs‹, von der essentiellen Boshaftigkeit des Westens, seines Rassismus, der angeblichen Zerstörung der Welt durch seinen Kohlenwasserstoffverbrauch und die Kultivierung antibiologischer Scheinrealitäten wie die rechtliche Ernennung von Menschen mit XY-Chromosomen, zu Frauen oder die absurde Deklaration einer biologisch nicht vorhandenen COVID-›Pandemie‹ (es gab lediglich eine reguläre epidemische Welle mit SARS-Cov-2, einem normalen Erreger grippaler Infekte), ist Ausdruck eine zutiefst dekadenten Nehmermentalität.

Dies ist der wirtschaftliche und kulturelle Hintergrund, aufgrund dessen der Westen nach Dominanz über Russland strebt.

Der Krieg

Seit dem Ende der UdSSR 1991 versuchte der Westen, Russland in der Weise zu unterwerfen wie die arabischen Länder nach dem zweiten Weltkrieg, was bis 1999 auch zu gelingen schien. Doch seit Vladimir Putin an die Macht gekommen ist, hat sich Russland dem direkten Zugriff des Westens entzogen und beutet im Wesentlichen ohne westliche Partizipation seine Ressourcen selbst aus. Die US-Neocons und ihre Geistesgenossen im Vereinigten Königreich stellten sich schon seit den 1990er Jahre auf Konfrontation ein, indem sie die NATO stetig erweiterten und Russland strategisch zu bedrängen begannen. 2008 zeigte Russland in Georgien ganz eindeutig, dass es als bedeutende Regionalmacht (und Atomwaffenweltmacht) einen Cordon Sanitaire statt einer NATO-Bewaffnung direkt an seinen Grenzen wünscht – genau wie die USA, die sich auch stets der Stationierung von Kurz- und Mittelstreckenraketen auf dem amerikanischen Kontinent widersetzt haben. John Mearsheimer hat die Geschichte der NATO-Expansion gegen Russland und die drastischen Folgen der seit 2014 durchgeführten Verwestlichung der Ukraine erstklassig dargestellt [3]. Der militärische Druck auf Russland wurde seit 2014 immer weiter erhöht, und nachdem Russland mit seinem letzten Versuch, die USA und die EU zur Durchsetzung der Minsk-Abkommen zu bewegen, im letzten November gescheitert war, und einer bedrohlichen Aufrüstung an seiner Westgrenze zusehen musste, begann es im Februar mit der militärischen Durchsetzung seiner politischen Interessen, um seine machtpolitischen Chancen zu wahren. Ein weiteres Zuwarten war aus russischer Sicht schlicht und einfach gefährlich. Dies soll keinen Angriffskrieg rechtfertigen – doch ginge China an der mexikanischen US-Grenze vor wie die NATO in der Ukraine, reagierten die USA nicht anders. Um radikal antagonistische politische Interessen wird immer mit kriegerischen Mitteln gestritten, daran hat sich nichts geändert, seit Thukydides dies vor zweieinhalb Jahrtausenden als erster systematisch beschrieben hat.

Wie gestaltet sich der Krieg? Nachdem Russland den Terminus ›Krieg‹ bisher aus rechtlichen und völkerrechtlichen Gründen vermieden hat, befinden wir uns aus russischer Perspektive nun kurz vor dem eigentlichen Kriegsbeginn im Sinne der Westfälischen Staatenordnung. Bisher hat Russland die Unabhängigkeitserklärung der Donbass-Republiken als Vorwand für einen Eingriff nach UN-Charta Artikel 51 als Kriegsbegründung genutzt. Doch nun wird es einen Krieg um die Verteidigung Russlands geben. Die Wende kam mit der strategisch unbedeutenden Rückeroberung eines kleines Teils der vorher von Russland besetzten Gebiete bei Charkow durch eine NATO-Armee. Die ukrainische Armee, die dort kämpfte, nutzte NATO-Waffen, -Aufklärung, -Führungspersonal, -Söldner und von der NATO ausgebildete reguläre ukrainische Soldaten. Diese Entwicklung hat Russland dazu gezwungen, die Intensität des Krieges zu erhöhen. Dabei geht Russland strategisch sehr geschickt und mit großer Unerbittlichkeit vor.

Große Teile des Donbass und der Schwarzmeerküste – etwa 30 Prozent des Territoriums der Ukraine – hat Russland schon besetzt. Dadurch hat es sich je nach Schätzung 80 bis 95 Prozent des nichtlandwirtschaftlichen Bruttosozialprodukts und auch einen beträchtlichen Teil der landwirtschaftlichen Nutzfläche einverleibt. Die Ukraine wird selbst dann, wenn Russland nur noch die Einnahme der Schwarzmeerküste vollendet, nach dem Krieg ein wirtschaftlicher Zwerg mit einem sehr geringen Pro-Kopf-Einkommen werden, da das heute Einkommen stark von den im Donbass gelegenen Industriezentren abhängt.

Nun integriert Russland die besetzten Gebiete mit Hilfe von Referenden und legislativen Schritten in sein Territorium. Anfang Oktober werden die Gebiete aus russischer Sicht dann zur Russischen Föderation gehören, so dass Angriffe auf sie als Kriegsaktionen auf Russland gewertet werden. Dabei spielt es keine Rolle, dass wir im Westen diese Referenden (zu Recht) als ›Scheinreferenden‹ bezeichnen und nicht anerkennen wollen, dass sie danach zu Russland gehören werden. Vielmehr zählt nur, wie Russland – ähnlich wie die UdSSR bezüglich des Baltikums, das der Westen auch nicht als dessen Teil anerkannte – Angriffe des Westens bewerten wird: Als Angriff auf Russland. Um auf diese Bewertung militärisch adäquat zu reagieren, hat Russland nun mit 300 000 Mann etwas mehr als ein Prozent seiner Reservisten mobilisiert. Warum nur so wenige? Weil Russland Zeit hat, seine politischen Ziele umzusetzen, und weil der Westen nicht in der Lage ist, effektiv in der Ostukraine einzugreifen. Warum nicht?

Russland hat im Wesentlichen die Luftraumhoheit und bedeutende logistische Vorteile, da man direkt an der eigenen Grenze kämpft. Man hat die nun eroberten Gebiete durch eine langsame und gründliche Zerstörung der militärischen Infrastruktur und Truppen des im Donbass vor dem Krieg tief verschanzten ukrainischen Militärs eingenommen. Dabei wurde das Zerstörungswerk oftmals aus der Distanz mit Drohnen und Artillerie verrichtet, wobei Russland systematisch thermobare Geschosse einsetzt, die in der Lage sind, Bunker und ihre Besatzung durch sehr hohe Explosivkraft und Hitzefreisetzung zu vernichten. Solche Waffen haben die USA zu Beginn des Irakkriegs gegen die Truppen Husseins ebenfalls eingesetzt. Dadurch lassen sich zahlreiche Gegner vernichten, ohne die eigenen Truppen zu gefährden. Die NATO konnte aber nicht adäquat antworten, da die Geschütze hinter der russischen Grenze aufgestellt waren und erst vorgerückt wurden, wenn man die wichtigsten gegnerischen Artilleriestellungen bereits vernichtet hatte. Russland hat seine eigenen Verluste durch diese Taktik minimiert, aber dem ukrainischen Militär (UAF) massive Verluste, die sich je nach Schätzung auf 200 bis 300 Tausend Tote und schwer Verwundete belaufen, zugefügt. Außerdem wurden die Materialbestände der UAF, im Wesentlichen ältere Waffen aus der Sowjet-Ära, annihiliert und auch die von der NATO gelieferten Waffen, die nicht durch korrupte Offiziere in der Lieferkette in den Mittleren Osten oder nach Afrika verkauft wurden, sondern an die Front kamen, vernichtet. Der Westen ist seit dem Spätsommer nicht mehr in der Lage, ausreichend Nachschub an Waffen und Munition zu liefern, da die globalen Lieferketten als Folge der ›Pandemie‹ (also: des Great-Reset-Projekts) stocken. Die Russen haben unsere Lagerbestände depletiert, ihre zum Einsatz gebrachte Zerstörungskraft überfordert, derzeit sogar die westliche Waffenproduktion, die nicht mehr auf hohen Durchsatz optimiert ist wie während größerer Kriege des Westens.

Russland ist als Staat viel größer als die Ukraine: volkswirtschaftlich, aber auch hinsichtlich der Bevölkerung und der militärischen Macht. Die Zahlungen des Staatshaushalts der Ukraine, die Waffenlieferungen durch den Westen und seine umfassende militärische Unterstützung waren in den letzten 8 Monaten keineswegs wirkungslos – aber letztlich nicht entscheidend. Denn so lange der Westen nicht bereit ist, selbst Blutzoll für eine Besiegung Russlands zu zahlen, indem man die russische Lufthoheit durch Zerstörung der russischen Militärbasen vernichtet und dann mit einer großen NATO-Armee einmarschiert, ist nicht viel zu erreichen. Doch ein solches Vorgehen kann sich der Westen wohl nicht erlauben, da dann massive Angriffe auf die militärische Infrastruktur der NATO zu befürchten wären, die sich tief im Westen Europas befindet.

Die eigenen Bevölkerungen sind zu einem solchen offiziellen Krieg der NATO gegen Russland mit dem entsprechenden Millionenblutbad an Zivilisten und Soldaten nicht bereit, da Russland entgegen aller Propaganda die NATO gar nicht bedroht, sondern lediglich regionale Machtinteressen verfolgt. Mit der bisher verwendeten Methode kann Russland allenfalls leicht gereizt und temporär etwas geschwächt werden. Da die wirtschaftlichen Sanktionen dem Westen deutlich mehr schaden als Russland, ist von ihnen auch keine Wende zu erwarten. Vielmehr werden die Folgen der Sanktionspolitik für die europäische Energieversorgung diesen Winter die Moral deutlich senken; ein einfacher Politikwechsel Deutschlands würde das Gas wieder sprudeln lassen und die Preise auf Vorkriegsniveau herabsetzen. Doch daran ist nicht zu denken, da das Ziel unserer Imperialpolitik Dominanz über Russland ist.

Da Russland von den derzeitigen halbherzigen Bemühungen der NATO nicht wirklich etwas zu befürchten hat, muss es zunächst nicht mehr als 300 000 Mann mobilisieren und keinesfalls Atomwaffen einsetzen, zumal man über konventionelle thermobare Waffen aller Größen bis hin zu Bomben mit der zweifachen Zerstörungskraft (25 Megatonnen) der Hiroshima-Bombe verfügt. Wenn nötig, wird man diese Waffen auch verstärkt gegen die ukrainische Armee, aber vor allem gegen die Infrastruktur des Landes einsetzen. Dagegen kann der Westen nicht viel ausrichten, denn systematische Angriffe auf Russland, wozu der Donbass aus russischer Sicht bald gehören wird, sind strategisch aus den oben genannten Gründen unmöglich. Desweiteren muss berücksichtigt werden, dass die russische Bevölkerung und Öffentlichkeit sich nicht wie wir im Bann des dekadenten postmodernen Denkens befinden, sondern über ein weitgehend ungetrübtes traditionelles Selbstbild verfügen.

Die Russen planen aus der Fernsicht betrachtet anscheinend folgendes (kein Außenbetrachter kann es genau wissen): Sie wollen noch zusehen, wie die NATO-Armee der Ukraine an den durch eine massiv überlegene Artillerie geschützten neuen Grenzen ohne wesentliche Erfolge ausblutet. Wenn dann die Reservisten mobilisiert und ausgebildet sind (etwa Ende November), der Winter kommt und die unzureichende Ausrüstung der Ukraine immer mehr ins Gewicht fällt, will Russland seine territorialen Pläne verwirklichen: Die Eroberung des gesamten Donbass, der Oblaste Charkow und Odessa sowie des westlich davon gelegenen Territoriums inklusive Transnistriens. Sollte es dafür notwendig sein, die ukrainische Infrastruktur zu zerstören, wird man dies wohl kaltblütig vornehmen. Danach will man wahrscheinlich die wirtschaftlich vollkommen unbedeutende Rumpfukraine nach dem Modell Weißrusslands der russischen Hegemonialsphäre einverleiben. Ob und wie schnell man diese Pläne verwirklichen wird, ist unklar – darauf komme ich noch einmal zurück.

Was bedeutet dies?

Erstens, dass die monopolare Weltordnung, die nach 1991 zu entstehen schien, Geschichte ist. Eigentlich hat es sie nie gegeben, weil die USA nicht in der Lage waren, eine globale Hegemonialrolle zu spielen; schon 1991 waren sie viel zu sehr auf kreditfinanzierten Konsum ausgerichtet. Vielmehr leben wir, wie Heinz Theisen jüngst erläutert hat, in einer multipolaren Ordnung. Es ist nicht zu erwarten, dass der Westen Russland dauerhaft schwächen und ächten kann. Vielmehr ist man auf die fossilen Brennstoffe und auch andere Rohstoffe und Produkte Russlands derart angewiesen, dass man sich nach dem Krieg wieder arrangieren wird – wie in all den hunderten von Fällen, in denen Europäer in den letzten 1000 Jahren gegeneinander Krieg geführt haben. Auch eine nachhaltige Schwächung ist unwahrscheinlich, da Russland bereits heute über andere Handelspartner als den Westen verfügt.

Zweitens: Da das, was ich beschreibe, dem Pentagon, Chatham House, der Rand Corporation, dem MI6 und der CIA sowie anderen strategischen Organisationen des Westens bekannt ist, liegt es auf der Hand, dass es den westlichen Eliten nicht mehr um die Errichtung einer Dominanz über Russland geht. Diesen Plan hat man schon stark revidiert und wird ihn aufgegeben müssen. Das ist daran zu erkennen, dass bestimmte Waffengattungen, deren Einsatz ein besonders hohes Eskalationspotential nach sich ziehen, nicht eingesetzt werden und dass der Westen nicht zum Äußersten zu gehen bereit ist. Scholz agiert sehr moderat, Truss spricht zwar bellizistisch, aber das Vereinigte Königreich hat Russland nicht den Krieg erklärt.

Den Amerikanern geht nicht so sehr um Russland, sondern mit Hilfe der Sanktionen soll eine Schwächung Deutschlands und der EU, erreicht werden, die benötigt wird, um die eigene Position durch Stärkung des Dollars bei gesteigerten Erdgasexporten und entsprechender Veränderung der Handelsbilanz mit Europa zu Gunsten der USA zu verbessern. Für die verzweifelte Lage des westlichen Systems spricht, dass man Europa sogar mit militärischen Mitteln zu schwächen bereits ist, um eine Neuordnung durchzuführen. Dieser Plan ist absurd und auf Dauer mit Europa nicht zu machen, da das politische Destabilisierungspotential durch Energiemangel zu hoch ist. Ein Rezept, das in der Dritten Welt funktioniert hat, ist nicht auf Europa übertragbar. Erste Anzeichen für das Scheitern dieser Strategie sieht man bereits in Schweden und Italien, das erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg eine rein rechtspopulistische Regierung gewählt hat.

Es gibt drittens noch eine weitere Konsequenz. Das zentrale Herrschaftsinstrument der westlichen Eliten war das Währungs- und Finanzsystem, das die USA 1971 durch die Aufhebung der Goldbindung des Dollars schufen. Nach innen katalysierte es eine historisch in ihrer Dynamik und ihrem Ausmaß nie erreichte Macht- und Wohlstandskonzentration [4,5]. Nach außen ermöglichte es den Superimperialismus, den Hudson beschreibt [1,2]. Dessen bevorstehender Zusammenbruch erfordert einen Neustart des Finanzsystems, den das WEF ›Great Reset‹ genannt hat. Damit ist die Einführung digitalen staatlichen Vollgeldes gemeint – ein Geldsystem wie in der Sowjetunion, aber mit digitaler Währung und extrem konzentriertem Privateigentum, dessen Eigentümer den Staat bereits heute im wesentlichen gegen die Interessen der Mehrheit steuern. Dabei sollen die heutigen dichotomen Eigentumsverhältnisse zumindest konserviert, oder sogar weiter vertieft werden, wie es ja bereits während der ›Pandemie‹ geschehen ist. Ein solcher ›Reset‹ ist für die Bürger ohne äußeren Grund nicht akzeptabel, da er mit einer massiven Eigentumsverlust- und Enteignungswelle einhergeht. Nachdem die ›Pandemie‹ zwar die Eigentumsdichotomie vertieft, aber als Vorwand für den Neustart des Finanzsystems nicht gereicht hat – was Schwab im Sommer 2021 als ›verpasste Chance‹ charakterisiert hatte – könnte nun ein großer Krieg die ideologische Rechtfertigungsfolie für den Reset bieten.

Die Notlage in Europa, die man gerade systematisch herbeiführt, soll auch für die Einführung digitalen Zentralbankgeldes und die Vollendung des Great Reset genutzt werden. Wie ernst es dem Westen ist, sieht man nun an der Sprengung der Gasleitungen Nordstream I und II. Das war kaum das Werk Russlands, denn die Russen kontrollieren den Gasfluss ja ohnedies und haben kein Interesse, sich ihr wichtigstes Verhandlungsmittel mit Deutschland aus der Hand nehmen zu lassen. Dies muss ein westlicher Militäranschlag gewesen sein.

Wenn Brownouts der Stromversorgung, temporäre Ausfälle der Wasserversorgung, Mangel an bestimmten Nahrungsmitteln und Medikamenten, Gasausfälle mit Frieren und eine schlechte medizinische Versorgung (wegen Energiemangels und Materialmangel geschlossene Krankenhäuser und Arztpraxen) beginnen, ist mit Notprotesten der Bevölkerung, die sich jetzt schon in Ostdeutschland ankündigen, zu rechnen. Der momentan regierenden Elite schwant es, dass bei solchen Protesten eine Einigung mit Russland und eine Wiederaufnahme der Gaslieferungen gefordert werden könnten. Dem wollte man offenbar durch die Sprengungen einen Riegel vorschieben. Dies ist ein sehr drastisches Vorgehen, man ist ziemlich verzweifelt. Daher besteht auch die Möglichkeit, dass der Westen versucht, gegen Russland ernsthaft Krieg zu führen. Doch weil das extrem riskant und wegen der (in diesem Fall zu Recht) mangelhaften Opferbereitschaft der dekadenten westlichen Bevölkerung sehr gefährlich auch für die Machtstellung der westlichen Eliten ist, kann es auch sein, dass sich der Westen in der Ostukraine still zurückzieht und sich einen anderen Kriegsschauplatz sucht. Frieden, so viel ist sicher, ist derzeit nicht in Sicht.

[1] Michael Hudosn (2021) Superimperialism. Leipzig. 3. Auflage
[2] Michael Hudosn (2022) The Destiny of Civilization. Leipzig
[3] John Mearsheimer: https://www.foreignaffairs.com/ukraine/playing-fire-ukraine
[4] Piketty, T. (2013). Capital in the 21st Century. Cambridge, MA: President and Fellows, Harvard College
[5] Nitzan, J., & Bichler, S. (2009). Capital as power: A study of order and creorder. Routledge

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