von C. Clamm-Schottwien

Lieber Herr ***,

Wissen Sie, warum Seine Heiligkeit neuerdings solche gaffes macht? Er hat sich zu seinem letzten Geburtstag von einem wahrhaft kuriosen böhmischen Schuster ein Paar schöne Schuhe handfertigen lassen, und zwar hat dieses Paar auch noch einen dritten Schuh, dessen tieferer Zweck dem normalen Menschen selbstverständlich vorenthalten bleiben muss.

Dieser bewirkt nämlich auch, dass der Heilige Vater jetzt ständig über das Ziel hinausschießen darf, also den abgegrenzten Weg der ökumenischen Übereinkünfte von früher überschreitet, weil ja sonst der Schuh unnötig im Futteral steckte oder zwischen den Beinen des ehemaligen Regensburger Theologieprofessors irgendwo an der Außenseite oder in einer Falte des Talars untätig herabhängen müsste wie eine ungebrauchte aber immer mitgeschleifte Kladde; und diese Abhilfe drückt sich in der uns geläufigen Wirklichkeit eben so aus, dass der Pontifex einerseits ausgerechnet am Shoah-Tag einen Holocaust-Zweifler in den Stand der heiligmachenden Gnade zurückversetzt und am nächsten Tag sich im oberösterreichischen Windischgarsten, wo er sich nicht so gut auskennt, von den Linzer Petrinums-Pendlern mit ihren im berühmten Linzer Landhauskeller über die Jahre während der üppig bestellten Festestafeln breitgefressenen Wangen und den gesäßhaften Zügen im Gesicht sich die Wünschelrute halten lässt, die auch prompt über dem Haupt eines erzkonservativen Nacheiferers Jesu Christi - noch dazu im unfruchtbaren Kalkgestein, eingepfercht zwischen dem schon bildschönen Sengsengebirge und den noch imposanteren Ennstaler Alpen - ausschlägt, um ihn aus dieser Kargheit herauszuholen und zum Bischof zu weihen; der in seinem Büro einen Laptop offen hält und sonst auch mit den Knaben Fußball spielt, aber keine »Nachfolge Christi« des Thomas a Kempis zu kennen scheint; auf Mädchen im Gottesdienst natürlich verzichtet, was die etwas zahnlose, weil von der most-getriebenen Faust des Landmanns eingeschüchterte diözesane katholische Frauenschaft begreiflicherweise erzürnen mag, wogegen aber nichts hilft als die natürliche Auslese: erst müssten alle männlichen Ministrantenanwärter mit den geschlechtsspezifischen Merkmalen ausgestorben sein - wahrscheinlich überhaupt die gesamte männliche Nachkommenschaft der Diözese, bis man vielleicht an ein Mädchen im Dienst des Altars dachte - aber bitte nur ausnahmsweise und von ferne, durch eine Palisade vom Altar getrennt - und es in den Dienst Gottes »einweihen« oder besser: in dessen Nähe lassen würde. Mulier tacet in Ecclesia. Das ist der heimliche Leitspruch dieser misogynen Bauern- und Arbeiter-Offsprings, deren Mütter oft schon aus gesellschaftlicher Not heraus den Erstgeborenen der Kirche zu opfern gedrängt werden; dann als heranwachsende junge Männer, die im Leben bekanntlich bei Null anfangen, aber durch Bauernschläue und geschickten Einsatz ihrer leicht überschaubaren, gängigen Fähigkeiten - der Mann scheint wohl ein Organisationstalent zu besitzen - auf eine hohe Stelle innerhalb der Hierarchie rechnen dürfen. Gott weiß, wen er ins Amt beruft, und es bedarf nur der geheimen, uns immer nur unverständlichen, innewohnenden Kraft des katholischen Wünschelrutengehers, um den Willen Gottes vor der Welt zu beweisen. Kirchenbodenaufwäscherinnen, Putzfrauen der hochwürdigen Aborte; Tortenarchitektinnen, Kuchen- und Bischofsbrotbäckerinnen - ich habe solche ungemein schätzen gelernt! - »Weide meine Lämmer. Weide meine Schafe«, stand auf ehrwürdigen Stockwerktorten für im Hause weilende Primizianten zu lesen; neben diesen Aufschriften grasten kleine Schafe und Lämmlein aus Marzipan oder aus Zuckerwerk auf weiß-grüner Tortenglasur; möglicherweise erhabene Köchinnen sowie harmlose Zauberinnen erlesener Hausmannskost, die über Jahrzehnte hinweg den so verköstigten Geistlichen Herrn gesund erhält; und Hühnerhalterinnen, in Ausnahmefällen um die Rosenkranzgeheimnisse wissende Vorbeterinnen und Anstimmerinnen der Kirchengesänge: dies sind die jahrtausendealten und zweifellos von Gott zugedachten Arbeitsaufgaben des unter dem Namen Kittelvolk bekannten Teils der Menschheit unter dem geistlichen Dachgebälk. Solches kann nur mit Hilfe einer vatikanischen Politik erhalten werden, die es sich zum Ziel gemacht hat, nicht den seichten Erwartungen eines sonst leicht zu befriedigenden Publikumsgeschmacks nachzugeben, sondern diese im Takt des Zeitgefälles und der unentdeckten Wasserläufe immer rechtzeitig so richtig zu rammen.

 

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