von André Soudah
Die sinkende Gewaltschwelle ist längst Ausdruck dessen, dass unsere Staatsordnung von Links- und Rechtsextremisten bekämpft wird. Hinzu kommt, dass auch junge Einwanderer vermehrt unsere Gesellschaftsordnung nicht zu schätzen wissen und gegenüber der Polizei keinen Respekt an den Tag legen.
Erschwerend kommt hinzu, dass in der Polizei selbst ein Kastensystem vorherrscht. Die, die tagtäglich im Einsatz, sozusagen an der Front sind, und die, die den Verwaltungsapparat repräsentieren. Die erste Gruppe hält im wahrsten Sinne des Worte ihren Kopf für uns im Schichtsystem hin und läuft den Straftätern ständig nur noch hinterher, repräsentiert aber den kleineren Teil der Polizei. Der größere Teil sitzt in den Verwaltungsstrukturen (9 bis 17 Uhr) und verwaltet sich und das ganze Elend, das die Kollegen vor Ort zu Tage bringen. Die Mangelwirtschaft bei der Polizei ist dabei noch nicht einmal berücksichtigt.
Da mag man sich die Augen reiben, wenn All Cops are Bastards (ACAB) oder ›Kein Mensch muss Bulle sein‹ (Original : Niemand muss Bulle sein) öffentlich skandiert und geschmiert werden und statt von ›national befreiten Zonen‹ von ›Polizei befreiten Zonen‹ gesprochen wird. Rot lackierte Nazis sind am Ende auch nur Nazis, auch, wenn sie für sich in Anspruch nehmen, die Guten zu sein und über die moralische Deutungshoheit zu verfügen.
Aus dem Augenreiben kommt man nicht mehr raus, wenn man sich vergegenwärtigt, wie es unter den oben genannten Aspekten um die Moral derjenigen bestellt ist, die sich bewusst in den Dienst des Staates gestellt haben und Polizist/in geworden sind. Wie ein Kettenhund, der eng geführt werden muss, wird die Polizei nicht nur verwaltet, sondern muss jeder Polizist/in damit rechnen, das seine/ihre ad hoc Entscheidung im Einsatz, Gegenstand eines Disziplinar- oder gar Strafverfahrens wird. Rechts- wie Linksextremisten zeigen dann nur noch Bilder des Vollzugs, um Empörung in den sozialen Medien über Polizeigewalt (linke) oder Polizeidiktatur (rechte) sprechen zu können. Gerne gefilmt werden auch Polizisten, die im Einsatz zu Boden gegangen sind. Eine widerliche Instrumentalisierung, die bewusst oder unbewusst dazu führt, dass die Hemmschwelle gegenüber Polizisten weiter sinkt.
Die angesprochene ›Kette‹ hat eben auch dazu geführt, dass nicht mehr durchgegriffen wird und durchgegriffen werden kann. Stattdessen wird jeder Demonstrationszug, obgleich z.B. verbotene Symbole getragen werden, gegen Vermummung verstoßen wird, Steine fliegen oder Nazisymbole im Retrolook in Aufmärschen wie 1933 zur Schau gestellt werden, freundlich begleitet (exemplarisch G20 Hamburg oder auch Plauen 1. 5. 2019). Ein konsequentes Durchgreifen findet nicht mehr statt, da niemand die Verantwortung tragen möchte. Stattdessen läuft man lieber mit oder noch trauriger hinterher, wohl wissend, dass man die Büchse der Pandora sich selbst hat öffnen lassen. So funktioniert eine gezielte Grenzverschiebung.
Um den psychischen Zustand unserer Polizei (Stichwort Verunsicherung) kann es da nicht besonders gut bestellt sein, wenn selbst der Regierungssprecher Seibert im Namen der Bundesregierung versichert, das man voll und ganz hinter der Polizei stehe. Wie auch, wenn die TAZ von Müll und Fascho-Mindset (https://taz.de/Abschaffung-der-Polizei/!5689584/) im Zusammenhang mit der Abschaffung der Polizei spricht. Eine gezielte Grenzüberschreitung mehr oder weniger spielt für dieses Qualitätsmedium auch keine Rolle mehr. Oder aber Saskia Esken, ihres Zeichens Parteivorsitzende der SPD, setzt wortgewaltig die Polizei dem Generalverdacht des latenten Rassismus aus.
Das ganze Trauerspiel reicht inzwischen gerade für etwas Erregung, jedoch kaum noch für Erkenntnis oder gar Veränderung. Dass es anders geht und ›klare Kante‹ gezeigt werden kann – auch ohne Einsatz von Gewalt – hat ein ehemaliger Polizeipräsident von Leipzig gezeigt. Als eine Meute von 215 Neonazis, rechten Schlägern und Hooligans 2016 die Reichskristallnacht von 1938 im Stadtteil Connewitz nachspielen wollten, ließ er kurzerhand unter massivem Einsatz der Bereitschaftspolizei Kessel bilden bis die Personalien aller Personen festgestellt und diese zur Anzeige gebracht wurden.
Das Exempel, das dort statuiert wurde, war eindeutig: Das Gewaltmonopol liegt beim Staat, die Polizei vollzieht es. Schnell. Mit Nulltoleranz. Auch und ganz ohne Sonntagsreden und zur Befriedigung eines Arbeitsethos, das sich jeder Polizist/in selbst gibt: Menschenleben schützen.