von Max Ludwig
Seit März 2020 hat sich unser gesellschaftliches Leben fundamental verändert, wir haben uns daran gewöhnt, dass wegen des viralen Erregers SARS-Cov-2, dessen Letalität (Infection Fatality Rate) zwei- bis dreimal geringer als die von virulenten Influenza-Erregern ist [1], Grundrechte aufgehoben werden, Menschen zur Injektion von Lipidnanopartikel mit modifizierter RNA, die gar nicht gegen die Infektion wirken [2], sondern toxisch sind [3], gezwungen werden, und Nichtinjizierte und Dissidenten verfemt und aus dem wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben verdrängt werden.
In allen Ländern mit hohem Bildungsstandard hat sich ein angstgetriebener Kollektivismus ausgebreitet, der eindeutig totalitäre Züge trägt und keine Abweichung von der pseudo-rationalen COVID-Ideologie duldet.
In diesem gesellschaftlichen Kontext hat der flämische Psychologe und Statistiker Mattias Desmet, Hochschullehrer in Gent, sein jüngst auf Englisch erschienenes Buch The psychology of totalitarianism [4] verfasst und damit durch Interviews und Vorträge unter den Rezipienten alternativer Medien Bekanntheit erlangt. Für Desmet steht fest, dass wir erneut in einem totalitären Zeitalter leben, und er beantwortet in seinem Buch die Frage, wie es dazu kommen konnte. Hat der Mann recht? Können uns seine Argumente überzeugen?
Desmets Argumentation
Das kurze Buch Desmets ist in drei Teile gegliedert. Im ersten Teil schildert er die aus seiner Sicht verheerende Wirkung des cartesianisch-mechanistischen Weltbilds auf die Individuen und die gesellschaftliche Entwicklung. Im zweiten Teil wendet er die Totalitarismus-Thesen von Gutave Le Bon und Hannah Arendt auf die heutige Situation an. Dies ist der beste Teil des Buches. Im dritten Teil Beyond the mechanistic world view beschreibt Desmet, wie er sich die Überwindung des Cartesianismus vorstellt.
Desmets Kernthese ist, dass der Totalitarismus notwendigerweise als Folge des cartesianisch-mechanistischen Reduktionismus entsteht. Betrachten wir zunächst den zweiten Teil seiner Argumentation, bei der er sich stark an Arendt orientiert.
Die materialistisch-mechanische Ideologie, die unsere Zeit beherrsche, verspreche eine Utopie des vollendeten Glücks auf Erden, das durch eine vollständige wissenschaftliche Planung und technische Durchdringung und die gesellschaftliche Kontrolle aller Lebensbereiche erreicht werden solle. Doch verfehle, so Desmet, diese Ideologie das Wesen des Menschen, und die Technisierung der Lebenswelt mit der Entstehung der Massengesellschaft habe – nach H. Arendt – die Menschen isoliert und atomisiert. Im fünften Kapitel The desire for a master, das den ersten Teil des Buches abschließt, beschreibt der Autor, wie die moderne Lebenswelt Angst und Unsicherheit der Menschen verstärke und dem Narzissmus mit reduzierter Empathiefähigkeit Vorschub leiste. Die Menschen fühlten sich mit der Ambiguität der Intersubjektivität überfordert, was zu Vereinsamung und Sinnentleerung führe. Ohne sinnstiftende und erfüllende zwischenmenschliche Begegnungen versinke das Individuum laut Desmet in Isolation und Ängsten. Damit seien eine absinkende Risikotoleranz und der Ruf nach immer mehr staatlicher Regulierung verbunden. Die Hypermoral, die wir heute erleben, sei ebenfalls Ausdruck dieser psychischen Konstellation vieler Menschen. Denn die Hypermoral entspreche auch dem pathologischen Sicherheitsbedürfnis und trage dadurch zur Regel- und Vorschrifteninflation bei, was beispielsweise bei den Sprachvorschriften der Political Correctness evident sei.
Diese willkürliche Regelflut vergleicht Desmet mit der Regulationswut in klassischen totalitären Systemen. Insgesamt entstünde aus der narzisstischen Unsicherheit der Individuen das Bedürfnis nach einer Autorität, die den Menschen die Last der Freiheit abnehme. »Der rationalistische Ansatz zur Lebensbewältigung führt zur Unfähigkeit, Angst und Unsicherheit produktiv zu bewältigen […] was zu einer psychisch ausgelaugten Bevölkerung führt, die sich nach dem absoluten Führer sehnt.«, (p. 86) fasst Desmet seine Sicht zusammen.
Desmet arbeitet im zweiten Teil vier psychische Symptome heraus, die gemeinsam nach H. Arendt als Angstsyndrom die Menschen anfällig für den Totalitarismus machen. Dies sind: Vereinsamung, Sinnentleerung, frei flottierenden Ängste sowie ungerichtete Frustration und Aggression. Dieses Syndrom ermögliche laut Desmet eine totalitäre Massenformierung (»mass formation«), bei der in der Öffentlichkeit durch totalitär agierende politische Führer ein Narrativ präsentiert werde, welches den Betroffenen, deren Anteil an der Bevölkerung Desmet auf etwa ein Drittel schätzt, eine massive psychische Entlastung biete. Dabei werde die frei flottierende Angst auf ein bestimmtes Motiv gerichtet, wie etwa auf die Kapitalisten unter Stalin, die Juden unter Hitler oder heute weltweit auf das Coronavirus. Es werde an die ›Solidarität‹ appelliert, dabei entstünde eine Pseudogemeinschaft im (biologisch gar nicht möglichen) »Kampf gegen das Virus«, das Leben erhielte in dieser Pseudogemeinschaft einen neuen Sinn.
In der Tat werden Menschen, die sich dem totalitären Narrativ nicht beugen, ausgeschlossen oder sogar bestraft und verfolgt, wie das in Österreich mit der generellen Impfpflicht am stärksten zu beobachten war.
Die Essenz der Massenformierung beschreibt Desmet wie folgt: ›Eine mit Individualismus und Rationalismus durchsättigte Gesellschaft kippt plötzlich in die radikale Gegenposition zum radikal irrationalen Kollektivismus.‹ Dabei werde das totalitäre Narrativ nicht geglaubt, weil es wahr sei, sondern weil es eine neue Gemeinschaft ermögliche und die Menschen im Sinne eines Krankheitsgewinns entlaste. Le Bon folgend beschreibt Desmet den Zustand der in der Massenformierung befindlichen Menschen als Hypnose und spricht immer wieder davon, dass Individuen daraus nur schwer ›erwachen‹ können.
Im Zustand der hypnotischen Massenformierung werde die Zustimmung zum totalitären Narrativ über ritualhafte Handlungen bekräftigt: Das Abstandeinhalten und öffentliche Händeeinreiben am ubiquitären Desinfektionsmittelspender, das schon in Innenräumen medizinisch sinnlose Tragen von Masken auch im Freien, der kollektive Applaus am Balkon für die Helfer, die Bereitschaft, sich toxische Partikel mit modifizierter RNA einspritzen zu lassen und die Zurschaustellung dieser Injektion in der medialen Öffentlichkeit: Das Individuum muss ständig durch selbstzerstörerische rituelle Handlungen zeigen, dass es sich dem Kollektiv unterwirft, stellt Desmet fest.
In der Massenformierung würden laut Desmet die Individuen resistent gegenüber einer rationalen Argumentation, sie blendeten Tatsachen und Realität aus und seien für eine vom totalitären Narrativ abweichende Darstellung taub. Damit einher ginge eine radikale Intoleranz gegenüber Abweichlern, die das totalitäre Narrativ anzweifeln. Für Menschen in der Massenformierung erschienen Dissidenten asozial und unsolidarisch, sie hielten die Argumente der Abweichler für irrational und brächten das auch sprachlich zum Ausdruck (›Schwurbler‹, ›Querdenker‹ – ein ehemals positiv konnotierter Begriff wurde hier semantisch umfunktioniert – oder gar ›Coronaleugner‹ – hier findet ein Begriff aus der Zeit der Häretikerverfolgung Anwendung). Die Dissidenten erschienen als Bedrohung, da sie den Krankheitsgewinn aus der Massenformierung gefährdeten, ein Erwachen aus der ›Hypnose‹ mit Zustimmung zu den rationalen Argumenten bedeute für die Betroffenen einen Rückfall in das Angstsyndrom, das sie vor der Massenformierung so unglücklich gemacht habe. Die Dissidenten gefährdeten auch die Aggressionsabfuhr. Die Massen seien ihnen gegenüber daher radikal intolerant und von ihrer eigenen moralischen Überlegenheit überzeugt.
Was ist von Desmets Position zu halten? Arendts Modell der Massenformierung im Totalitarismus erklärt die Wirklichkeit, die wir derzeit erleben, teilweise recht gut. Doch überzeugt das Modell nicht in Gänze. So ist es nicht plausibel, dass allein Cartesianismus, technischer Fortschritt und Moderne die Menschen isoliert und in die einsame Verzweiflung getrieben habe, die Desmet schildert. Vielmehr können Massengesellschaften mit hoher Ausdifferenzierung und Durchtechnisierung auch sehr stabil sein, wie die westeuropäische Nachkriegszeit von 1946 bis etwa 2010 zeigt.
Menschen waren unter bestimmten Voraussetzungen auch vor der Moderne in reinen Agrargesellschaften bereit, sich zu Massen zusammenzuschließen und mit furchtbarer Konsequenz absurden Narrativen zu folgen – man denke nur an die Hexenverbrennungsphase in 1622 bis 1623 in Würzburg und Bamberg, bei denen so viele Menschen als Hexen und Zauberer verbrannt wurden, dass es zu einer Versorgungskrise kam. Viele andere Faktoren wie etwa kollektive Scham mit daraus abgeleitetem Bedürfnis, sich Kontrollen und Regeln zu unterwerfen oder die Unfähigkeit säkularer Gesellschaften, mit dem Tod umzugehen, spielen auch eine wichtige Rolle für die Entstehung des heutigen Massennarrativs.
Desweiteren ist der Begriff der ›Hypnose‹, den Desmet von Le Bon übernimmt, psychopathologisch für den Zustand der Menschen, die dem totalitären COVID-Narrativ folgen, keine adäquate Beschreibung. Er passt – wie Le Bon ihn gebraucht – zum Zustand von Menschen, die sich auf der Straße, beim Arbeitskampf, im Stadion oder bei Hungeraufständen zu Massen zusammenschließen und dann kollektiv wie im Rausch handeln. Doch hält dieser Zustand nicht lange an. Der dauerhafte Glaube an totalitäre Narrative ist keine Hypnose, sondern hat eher Züge der angstbedingten Konversionsneurose und der Sucht mit pathologischer, selbstschädigender Entlastung. Menschen können in einem gesunden sozialen Umfeld sehr leicht davon befreit werden; der Entropiezustand der Gesellschaft im Gleichgewicht weist kein totalitäres Narrativ auf.
Vielmehr ist der Aufwand, den pathologischen Zustand bei so vielen Menschen synchron aufrecht zu erhalten, gewaltig, was die Notwendigkeit von Kontakteinschränkung und die massive und teure Propaganda erklärt, die in den letzten zwei Jahren rund um COVID betrieben wurde. Ohne die Isolation im Lockdown, die Maskenpflicht sowie die ständigen Zahlen, Warnungen und Mahnungen wäre die ›erfolgreiche Impfkampagne‹ und die Disziplinierung der gesamten OECD-Bevölkerung unmöglich gewesen.
Die beiden anderen Kapitel des zweiten Teils schildern den Zustand der Führer der totalitären Massenformierung und die Funktion von Verschwörungstheorien, die sich auf der Gegenseite bilden.
Desmet ist der Meinung, dass die meisten Führer totalitärer Massenformierungen die übergeordnete Ideologie glauben, der sie Folge leisten, allerdings nicht allen Aspekten des konkreten Narrativs, das sie im Rahmen der Ideologie vortragen. Sie sind zumindest von der Ideologie, die das konkrete Narrativ trägt, ebenso hypnotisiert wie die Massen, zu denen sie sprechen. Dies entspricht der Sicht Hermann Lübbes [5], der anhand einer Analyse der Motive führender Nationalsozialisten zu ähnlichen Schlussfolgerungen kommt. Unter den Führern ist der reine Machtzyniker die Ausnahme, die Regel ist das gläubige Parteimitglied. Die Schiller-Rede Christian Drostens ist ein gutes Beispiel dafür. Die darin vorgetragene Gesamtideologie, in die das totalitäre Corona-Narrativ eingebettet ist, ist die neomalthusianische Ideologie von den Grenzen des Wachstums, die der Club of Rome Anfang der 1970er Jahre popularisiert hat und die uns seitdem ständig vermittelt wird. Sie wird letztlich mit Hilfe des Klimanarrativs zur Kontrolle über die Energie- und Nahrungsmittelversorgung der Weltbevölkerung genutzt.
Drosten ist ein fanatischer Vertreter dieser Ideologie. Beim Corona-Narrativ hingegen ist vollkommen klar, dass er selbst keineswegs an seine mit der Wissenschaft, die er in seinem Amt als Professor für Virologie vertritt, nicht vereinbaren Aussagen glaubt. Er ist ein gutes Beispiel für das, was Desmet über die Führer totalitärer Bewegungen sagt: Aus ideologischer Überzeugung werden Narrative propagiert, die bei Bedarf – wenn die Tatsachen zu offensichtlich nicht damit vereinbar sind – ständig angepasst werden können (und müssen).
Desmet betont, dass bei voller Ausprägung der totalitären Massenformierung immer eine sehr weit gehende Selbstzerstörung der davon betroffenen Gesellschaft einsetzt. Er zitiert Arendt: Der Totalitarismus ›ist ein Monster, das seine eigenen Kinder verschlingt‹. Dies ist sicherlich für den Totalitarismus, auf den sie sich bezieht, korrekt, doch befinden wir uns nicht in diesem Zustand.
Die Rolle der Dissidenten sieht Desmet darin, dies zu verhindern. So lange noch dissidente Stimmen zu hören seine, könne die Selbstzerstörung abgewendet und die Massen in ihrer Zerstörungswut gebremst werden.
Ein weiterer interessanter Aspekt, den Desmet untersucht, ist die Bildung von Verschwörungstheorien. Aus seiner Sicht bilden sich totalitäre Massen, weil die Menschen sich nach Narrativen sehnen, um dem oben geschilderten Angstsyndrom zu entkommen und sich Ideologien und Narrative bilden, die diese Funktion übernehmen. Die Massenformierung ist für ihn ein spontaner Prozess des Zusammenwirkens von Erzählern (Führern der Massenformierung) und Zuhörern (den Massen). Ansätze, die Entstehung von Massenformierungen nicht nur in dieser individualpsychologisch-ideologischen Dynamik zu verstehen, sondern als geplante Machtergreifung einer kleinen Elite zu interpretieren, sieht Desmet als Verschwörungstheorien. Er nutzt wiederum eine individualpsychologische Betrachtung der Dissidenten, um deren Anfälligkeit für Verschwörungstheorien zu erklären. Ihm zufolge brauchen Dissidenten solche Theorien, um die aggressive Intoleranz, die ihnen seitens der Massen entgegenschlägt, zu verkraften. Die Verschwörungstheorie entlastet die Dissidenten, indem sie ihnen die Projektion eigener Aggressionen auf eine kleine Tätergruppe ermöglicht. Sie ist laut Desmet die Kehrseite der eigentlichen Massenformierung und ermöglicht den Dissidenten eine Interpretation der irrationalen Narrative, denen die Massen unterliegen, mit Hilfe eines einfachen Musters. Das ist überzeugend, doch verkennt Desmet den Machtaspekt von Ideologien, worauf ich unten noch einmal zu sprechen komme. Allerdings ist nicht von der Hand zu weisen, dass Dissidenten mit unzureichender Bildung und Distanzierungsfähigkeit zu Verschwörungstheorien neigen, und dass diese einen Entlastungscharakter haben.
Insgesamt fügt Desmet den Einsichten Le Bons, Arendts und Canettis (andere Theoretiker der Massenpsychologie wie Gaetano Mosca, Vilfredo Pareto oder Ortega y Gasset lässt er aus) keine neuen Gedanken hinzu. Die Anwendung dieses Modells auf die Phänomene unserer Zeit im zweiten Teil erklärt die Phänomene, die wir erleben, teilweise, wenn auch sehr schematisch.
Desmets Buch hat darüber hinaus eklatante Schwächen in seiner Argumentation gegen den Cartesianismus und in seiner Beschreibung totalitärer Ideologien. Hier argumentiert der Autor viel zu wenig differenziert und berücksichtigt nicht die hohe Komplexität moderner hochdifferenzierter Gesellschaften.
Panpsychismus gegen Cartesianismus
Im dritten Teil entwickelt Desmet seine Vorstellung davon, wie eine Abkehr vom cartesianisch-mechanistischem Reduktionismus gelingen könnte. Seine kritische Haltung gegenüber dem cartesianisch-mechanistischen Reduktionismus ist berechtigt, doch nutzt er im ersten und dritten Teil des Buches philosophisch schwer haltbare Thesen zu dessen Abwehr. Ohne Thermodynamik, Quantenmechanik und Chaos-Theorie zu verstehen, verwendet er diese Zweige der Physik und Mathematik, um seine krude Ablehnung des Materialismus und der kausalen Verursachung des Naturgeschehens zu bekräftigen. So versteigt sich Desmet zu den absurden Aussagen, die Quantenmechanik habe die Erkenntnis hervorgebracht, dass alle Materie durch die Psyche bestimmt sei, es gar keine Elementarteilchen gäbe, sondern diese lediglich Ideen seien. Oder er missbraucht die Heisenbergsche Unschärferelation, um festzustellen, dass jede Beobachtung subjektiv sei und dass es keine kausale Verursachung gäbe.
Selbstverständlich lassen sich aus der Quantenmechanik solche Aussagen nicht ableiten. Die moderne Physik geht davon aus, dass es Elementarteilchen gibt, sie beschreibt sie lediglich anders als die klassische Physik, da die Ergebnisse moderner Experimente beispielsweise nur durch die Beschreibung des Photons als Welle und Teilchen interpretiert werden können. Die Unschärferelation sagt lediglich aus, dass komplementäre Eigenschaften eines Teilchens wie Impuls und Ort nicht gleichzeitig beliebig genau bestimmbar sind. Sie sagt nichts zur Subjektivität einer Messung. Ähnlich problematisch ist Desmets Interpretation der Chaostheorie.
Desmet behauptet vor dem Hintergrund seiner Pseudophysik sodann, alles Naturgeschehen sei psychisch verursacht und die Gegenstände der Natur seien beseelt. Er ist also Idealist und Panpsychist, eine vollkommen absurde Haltung, die allerdings bei der Entstehung der Psychologie im 19. Jahrhundert beliebt war, Wundt war Panpsychist.
Desmet fordert, der Mensch solle die mechanistisch-kausale Weltanschauung überwinden, um, wie er ständig betont, wieder in ›Resonanz‹ mit der Natur zu treten. Dies ist eine pseudophysikalische Metapher, die Desmet verwendet, ohne den physikalischen Begriff, der die Schwingung eines Objekts aufgrund des Verhältnisses seiner Eigen- zur Erregerfrequenz eines anderen Objekts beschreibt, zu verstehen.
Der notwendige Angriff gegen den cartesianischen Reduktionismus kann durchaus mit Hilfe der Thermodynamik, der Quantenphysik und der Chaostheorie geführt werden. Allerdings nicht, indem der materielle Charakter der Natur bestritten oder die Gültigkeit der Kausalgesetze abgelehnt wird, sondern indem man die Einsicht gewinnt, dass der mathematische modellierbare Anteil des Naturgeschehens sehr klein ist und unsere mathematischen Modelle am wirksamsten sind, um technische Entitäten zu planen, zu entwerfen, zu realisieren und zu warten. Mit anderen Worten: Der Cartesianismus ist falsch, weil das komplexe Kausalgeschehen der Natur sich nur ausnahmsweise mathematisch modellieren lässt, aber nicht, weil es keine Materie und keine Kausalgesetze gibt oder weil Mathematik gar nicht zur Modellierung der Natur taugt. Wir können die Probleme moderner Gesellschaften nicht durch ›Resonanz mit der Natur‹ lösen, sondern durch eine Kombination der drei Formen menschlichen Wissens: Positives Wissen, Bildungswissen und Erlösungswissen [6], die alle berechtigt und notwendig für das Leben des Menschen sind.
Macht und Ideologie
Für Desmet entsteht die totalitäre Massenformierung aus der Wechselwirkung von Ideologie und einem in der Gesellschaft stark verbreiteten Angstsyndrom. Die mechanistisch-cartesianische Weltsicht ist aus seiner Sicht die treibende Ideologie, die den Totalitarismus notwendigerweise hervorbringt. Er behauptet sogar, dieser Prozess käme nun schon an seine Grenze, da die gesamte Weltbevölkerung vom totalitären Corona-Narrativ gebannt sei (p. 183). Hier irrt Desmet in zweifacher Hinsicht. Erstens leben wir in den OECD-Ländern nicht in einer totalitären Gesellschaft, wie sie im ›Dritten Reich‹ aufgetreten ist, sondern wir leben in demokratisch-rechtsstaatlichen Gesellschaften, die allerdings in einer fundamentalen Krise stecken und in denen wichtige Teilaspekte totalitärer Politik sichtbar werden. Die Corona-Politik ist zweifelsohne totalitär und kann mit Hilfe des Modells der Massenformierung teilweise erklärt werden, doch ist noch vollkommen unklar, ob wir im Westen einen Zustand des voll ausgeprägten Totalitarismus wie im Russland Stalins der 1930er Jahre erreichen werden. Vieles spricht dagegen.
Zweitens stellt sich Desmet nicht die alte Frage, wem eine Ideologie dient. Vielmehr rubriziert er diese Fragestellung als Ansatz zu Verschwörungstheorien. Doch hat jede Ideologie, die politische Bedeutung erlangt, für eine bestimmte Gesellschaftsschicht einen Nutzen. Der Begriff der Herrschaftsideologie beschreibt dies zutreffend. Auch die totalitäre Ideologie unserer Zeit dient einer Interessengruppe, die große Teile des Eigentums an Produktivmitteln besitzen und das Finanzsystem und die Medien vollständig dominieren. Diese Gruppe hat von der totalitären Welle der letzten zwei Jahre massiv profitiert und diese Welle durch massive Investitionen in Propaganda und Pseudowissenschaft befeuert. Dies ist keine Verschwörung, sondern eine ganz offene Interessenpolitik mit den Mitteln des Totalitarismus. Wenn die etablierten, klassischen Herrschaftsmittel nicht mehr ausreichen, um die eigenen Interessen durchzusetzen, ist ein totalitäres Vorgehen aus Sicht der Eliten zunächst rational. Es ist kein Zufall, dass Boris Johnson während des Lockdowns Partys in 10 Dowing Street veranstaltet hat – er hat das COVID-Narrativ durchschaut und mit seinen Getreuen den Herrschaftsauftrag der Eliten ausgeführt, sich dann abends von der daraus resultierenden kognitiven Dissonanz entspannt. Es wird spannend sein, zu sehen, wie lange die Bevölkerung das noch mitmacht.
Der Ausweg aus dem Totalitarismus ist nicht die Überwindung des Cartesianismus (der sich von selbst erledigen wird, wenn klar wird, dass der technische Fortschritt ausbleibt) durch panpsychische Resonanz mit der Natur, sondern die Einsicht der Trägerschicht des heutigen Herrschaftssystems, dass dieses zu einseitig auf die Realisierung der Interessen einer kleinen Gruppe ausgerichtet ist.
[1] Cathrine Axfors und John Ioannidis. ›Infection fatality rate of COVID-19 in community-dwelling elderly populations.‹ European Journal of Epidemiology (2022): 1-15
[2] Canadian COVID Care Alliance: https://www.canadiancovidcarealliance.org/wp-content/uploads/2021/12/The-COVID-19-Inoculations-More-Harm-Than-Good-REV-Dec-16-2021.pdf
[3] Kenji Yamamoto. ›Adverse effects of COVID-19 vaccines and measures to prevent them.‹ Virology Journal 19.1 (2022): 1-3
[4] Mattias Desmet. The Psychology of Totalitarianism. Chelsea Green Publishing, 2022
[5] Hermann Lübbe. Politischer Moralismus: Der Triumph der Gesinnung über die Urteilskraft. Münster, 1987
[6] Max Scheler. Erkenntnis und Arbeit. Frankfurt am Main 1977