Aufnahme: ©rs

Das Einstein in der Kurfürstenstraße war das schönste und legendärste Caféhaus Wiener Prägung in Berlin. Man fand dort die tägliche Weltpresse ebenso wie Leute ›von Welt‹ (oder solche, die sich dafür halten): ›Monde‹ & ›Demi-Monde‹ reichlich, glücklich vereint. Dort auch sitzt der Flaneur, trifft sich mit Leuten, mit denen er beruflich zu tun hat, liest Zeitung, sieht schönen Frauen nach, unterhält sich über Ausstellungen, Theater etc. Die Kolumne des Berliner Philosophen Steffen Dietzsch, Bannkreis, versammelt – in loser Folge – die Resultate seines Flanierens: kleine Glossen, Artikel zur Sache. 

 

...neulich im Einstein

 – als ich es einem Kommilitonen aus Padua zeigte –, mussten wir über eine herrliche (deutsch)sprachliche Fehlleistung von ihm lachen. … Er führte mir gerade übersprudelnd Beispiele massenmedialer berlusconischer Niederungen in der intellektuellen Italianitá vor und prägte dann das aufschlussreiche Wort von der verhängnisvollen politischen Termitologie, die schier unaufhaltsam den italienischen Geist dominiere.

– Augenblicklich war mir klar: Dieser neue Beitrag zur aufklärerischen Lexik der Gegenwart sollte unverzüglich ins iablis-geführte Alphazet aufgenommen werden!

Diese Sprachschöpfung wider Willen jenes Erasmus-Studenten macht sehr augenscheinlich aufmerksam auf die ruinierenden Wirkungen im massenmedialen Kommunikationsverhalten, assoziiert sie doch einen untergründigen Befall der Sprachkultur (zerstörerisch wie der Termiten-Befall). Termitologische (Sprach)Konstruktionen wären demnach mit der Logik ihrer performativen Zerbröselung sui generis befrachtet (Politiker nehmen das positiv auf, etwa in dem Selbstverständnis sie seien für ihr Geschwätz von gestern nicht haftbar).

Zum künftig als termitologisch zu identifizierenden Wortgebrauch könnte zu rechnen sein:

Metaphernbildung bzw. ›Genderfizierung‹ in ›politisch-korrekter‹ Absicht,
›Ohne Durchdenken der Prinzipien‹ (mit Kant zu sprechen) ›mit bloß empirischer Vernunft allgemeine Urteile zu fällen‹, – aktuell: nach einem singulären Aktenfund müsse die jeweils betroffene Geschichte neu geschrieben werden!
Wortschöpfungen (die eigentlich als Begriffe tauglich sein sollen!) je nach Betroffenheits-Status konstituieren zu lassen – aktuell: Ungläubige, Unrechtsstaat
Worte naiver Evidenz als Begriffe auszugeben
politische Wortbildung als Zeichen von (ideologischer) Selbstfindung, -bestätigung oder Wiedererkennung als ›Eigene‹,
Begriffsfelder moralistisch zu halbieren (damit zu tabuisieren), – aktuell: Erinnerung versus Vergessen.

Was damit gewonnen wäre? – Man könnte einem alltagspraktisch (und erst recht im Politik-Geschäft) unausweichlichen Prozess der Selbstbornierung, den Nietzsche vornehmer Auto-idolâtrie nennt, kritisch auf die Spur kommen.

Steffen Dietzsch

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