Neulich im Einstein...
… überraschte mich das jüngste Wahlergebnis in Tschechien: die Nachricht war, dass es offensichtlich in einer ausgeprägten parlamentarischen Demokratie nicht alternativlos zugehen muss. Dass die parlamentierenden Parteien sich nicht einbilden dürfen, naturrechtlich eingehegt – und existenzgesichert – zu wirken. Der Souverän in Tschechien hat das (nachtotalitäre) wohlstandsgenerierte
Parteienspektrum – links-grün-ultralinks-linksliberal – in den Orkus geschickt. Fast schien es, dass das Beispiel des großen Bruders (der diesmal die saturierte Bundesrepublik ist) mit seinem inzwischen unentwegt linksdrehenden Malstrom das spöttische Völkchen in Böhmen & Mähren – wie einst vom Osten her – gelähmt hätte. Aber das jüngste Wahlergebnis zeigt, das eine übergreifend linke (numerische) Wählermehrheit mitnichten das entropische Schicksal saturierter, hysterisch verängstigter, linksegalitärer Wohlfühlgesellschaften sein muss.
Was sich da in Prag zu Wort gemeldet hat, namentlich Schwarzenbergs couragierte konservative Stimme, findet eine qualifizierte Mehrheit gerade in der gebildeten Jugend des Landes – eine freiheitliche Frische, die man inzwischen hierzulande vergebens sucht. Es ist ein aus Schwejkscher Ideologieskepsis gespeister säkularer Individualismus, der sowohl alle völkischen Attitüden (reines Magyarentum, Tylko Polska [Nur-Polen]) als auch fideistische Gemeinschaftstümelei (eine Nation als Christus unter den Nationen) seiner östlichen Nachbarn entbehren kann. Der Aufbruch an der Moldau hat das Zeug, wieder – diesmal ganz ohne rechte oder linke politische Theologie der Erlösung von der Entfremdung! – als Prager Frühling unsere mitteleuropäische politische Kultur zu beleben.
Steffen Dietzsch