Hans von Storch: Zur Sache Klima. Aufnahme: ©J.Xu Aufnahme: ©J.Xu

Die Absicht dieser Kolumne geht dahin, ruhiger, als es in der Publizistik gemeinhin geschieht, die Hintergründe von Aufregerthemen in Sachen Klimawandel und Klimaschutz zu erläutern, manchmal auch einfach Grundlagen zu erklären. – Hans von Storch, geb. 1949, ist Professor am Meteorologischen Institut der Fakultät für Mathematik, Informatik und Naturwissenschaften (MIN), Zweitmitglied an der Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften (WiSo) der Universität Hamburg sowie Direktor emeritus des Instituts für Küstenforschung am Helmholtz Forschungszentrum Geesthacht. Er ist Spezialist für Fragen der Klimamodellierung und hat in verschiedenen Arbeitsgruppen des IPCC mitgearbeitet. Zusammen mit Werner Krauß schrieb er das Buch Die Klimafalle: die gefährliche Nähe von Politik und Klimaforschung (2013).

 

von Hans von Storch

Vor einiger Zeit wurde ich von Bodo Hombach, seinerzeit Kanzleramtsminister bei Gerhard Schröder und jetzt Präsident der Brost-Stiftung angesprochen, ob ich einen Beitrag zur Sammlung mit dem Titel Mission Wahrheit und dem Untertitel »Wer vermittelt uns ein realistisches Bild unserer Welt?« leisten möchte. Ich sagte zu, stellte es doch eine schöne Herausforderung dar.

Allerdings stieß ich mich am Untertitel.

1) ›uns‹ – wer soll hier als ›wir‹ auftreten? Menschen aus einem grünen Haushalt in Bonn, oder ich als 74jähriger Sozialdemokrat und Klimaforscher aus Hamburg? Mein Koautor aus Kanada? Eine Familie aus dem zertrümmerten Gaza-Streifen? Doktorandinnen aus Qingdao, Travel Guides in Tansania? Das ist nur ein kleiner Teil des möglichen Spektrums, aber sie alle haben verschiedene kulturelle Hintergründe, und damit verschiedene Deutungen einer komplexen Umwelt.
2) Damit kommen wir zum zweiten zu klärenden begriff: ›Welt‹ – das Erdsystem, mit der Dynamik von Klima, Stoffströmen und Ökosystemen? Die Welt, in der soziale Akteure um Deutung, Ressourcen und Macht ringen? Die Welt, in der Individuen ein Leben nach ihren persönlichen Vorstellungen zu leben versuchen?
3) ›Realistisches Bild‹ – dabei kommt es darauf an, welche Welt gemeint ist, welches die als wesentlich wahrgenommenen Faktoren sind.

Meine Antwort auf die im Untertitel gestellte Frage war konsequenterweise: Niemand.

Als ich das fertige Buch dann in Händen hielt und es durchlas, war ich zunächst etwas irritiert. Da waren viele Beiträge von Medienleuten, die keine Spur von kritischer Selbstreflektion zeigten, die das für mich Offensichtliche nicht bemerkt haben oder bemerken wollten – der Bias hin zu einem grünen, besserwisserischen Zeitgeist, der meiner Wahrnehmung nach von öffentlich-rechtlichen Medien ausstrahlt. Aber dann doch, nachdenkliche Beiträge etwa von Dieter Nuhr, Jan Fleischhauer, Carsten Brosda oder Oliver Stock. Um dann wieder konfrontiert zu werden mit Mathias Döpfner oder David Schraven.

Es dauert etwas, bis ich merkte, dass die Absicht der Sammlung war – oder zumindest hātte sein können –, das Gespräch über den großen gesellschaftlichen Graben hinweg, der sich in den letzten Jahren immer deutlicher, immer unheilvoller entwickelt hat, anzuregen. Uns Autoren wie auch den Lesern vorzuführen, dass es Sinn macht, den jeweils ›Anderen‹ zuzuhören, dass es dort in der fremden Blase auch kluge Menschen gibt, die ordentlich beobachten und nachdenken, wenngleich mit anderen Resultaten. Der Gegenstand des Buches wird vom Haupttitel Mission Wahrheit beschrieben. Wir alle gemeinsam sind in dieser Mission unterwegs. Auf der Suche nach Wahrheit, und beide Seiten, gegebenenfalls auch mehr, tragen dazu bei.

Insofern ein sehr nützliches Buch, das anbietet die große Konfrontation, die permanente Zuspitzung, die Beengtheit der eigenen Blase in Frage zu stellen. Ein gutes Buch.

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