von Ulrich Siebgeber

1

Als er fünfzig war und noch gelenkig
und das Land gab einfach keine Ruh,
nahm er Rat an, sprach: »Das denk ich ganz persönlich
auch und leg noch eins dazu.«
Und er plante seinen Coup.

2

Um den Wahnsinn endlich voll zu machen,
denn auch er, so hieß es, wurde langsam dreist,
hisst die Schöne Gute einen Drachen,
der Erfolg dem Wendigen verheißt,
falls er wendig um sich selber kreist.

3

Denn das Land war völlig aus dem Häuschen,
gute Freunde gingen sich ans Hemd.
Altgediente Pfeifer spielten Mäuschen.
Erichs Katze, feist und fremd,
mustert den gelehrten Kämpfer, dem die Büchse klemmt.

4

Und sie ließ den Drachen, die Gepflegte,
baumeln überm Netz der Netze, das
ihr Adlatus an die Kette legte.
Denn es förderte den Hass
über das erlaubte Maß.

5

»Seht die Falle!« riefen alle,
die sich noch Verstand bewahrten,
doch es warn, wie immer, wenn die Kralle
Ängstlichkeit ins Herz fährt, bloß die harten
Böcke, die sich um sie scharten.

6

Listig pflegt die Kluge Schöne,
kaum im Amt, die Amtsstatur.
Trug sich tapfer, mied die falschen Töne,
plante ihre Zukunft um die Uhr.
Und sie zückte die Kultur.

7

Trat da nicht ein Schatten aus der Wandung,
hell bekleidet, nicht sehr hell im Kopf,
früh gestartet, später harte Landung.
Dichter, Denker, Nazi-Tropf:
»Wenn ich Kultur höre, entsichere ich meinen Browning...«?

8

Als er sechzig war und noch gelenkig,
kein Gedanke an die letzte Ruh,
und die Schöne Gute zog noch immer
Drachen auf im Lande Schubiduh,
kam ein letzter Auftrag auf ihn zu:

9

Denn es war dem Staat bekannt,
dass im Land ein Kampf entbrannt
für und wider die Kultur:
jeder rannte, der es kannte,
um sein Leben, fiel das Wort nur.

10

Auszumerzen die verhasste
tilgte er die Schreiberkaste,
löscht mit smarter Helferhand,
was sich in den Büchern fand
und befand: Es blüht, das Land.

 

 

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